Und so werden bei den heutigen Infotainment-Systemen mit einer Datenrate bis zu 3 Gbit/s praktisch durchweg geschirmte Kupferkabel eingesetzt. Je nach Konzept und Anwendung primär das quasi-standardisierte STQ-Kabel mit differenzieller 100-Ω-Datenübertragung oder auch ein 50-Ω-Koaxialkabel, über das die Daten „single-ended“ mit dem Schirm als Leiter übertragen werden.
Als Alternative zu dieser hochbitratigen Echtzeit-Übertragung, die unter anderem hohe Anforderungen an ein sorgfältiges HF-taugliches Board-Layout stellt, ist Ethernet im Gespräch. Auf den ersten Blick ist die Übertragung mit einer Datenrate von nur 100 Mbit/s und über ein zweiadriges, ungeschirmtes Kabel (UTP- Kabel) eine verlockende Alternative.
Bei genauerem Hinsehen relativieren sich allerdings die vermeintlichen Vorteile, wenn es um die Übertragung hochauflösender Bilddaten geht: Für die Komprimierung und Dekomprimierung des Bildsignals sind leistungsfähige Prozessoren erforderlich, die mit entsprechenden Kosten und zusätzlicher Verlustleistung zu Buche schlagen. Auch der vermeintliche Kostenvorteil durch den Einsatz ungeschirmter Kabel wird zum Teil eingeschränkt. Bei der Herstellung des Kabelbaums können durch Zug- und Walkkräfte Diskontinuitäten im Kabel auftreten, die die Impedanz und damit das Übertragungs- und EMV-Verhalten massiv beeinflussen können. Das wiederum erfordert Abstellmaßnahmen wie etwa eine aufwendigere Kabelkonstruktion oder spezielle Verlegeanweisungen, die den vermeintlichen Kostenvorteil wieder aufheben. Ist ein starker Störer oder eine empfindliche Antenne in unmittelbarer Nähe, kann es sogar notwendig werden, das Ethernet-Kabel in diesem Bereich abzuschirmen.
Letztendlich sind es die Abstriche bei der Bildqualität durch kompressionsbedingte Artefakte sowie die hohen Latenzzeiten, weshalb Ethernet für die Übertragung hochauflösender Grafiken etwa für das Instrumentenkombi nicht geeignet ist. Und so kommen für die Strecke von der Head Unit zum Display auch in Zukunft Gigabit-Links zum Einsatz, die jedes einzelne Pixel in Echtzeit über geschirmte Twisted-Pair-, Quad- oder Koaxialkabel übertragen.
Anforderungen an die Datenautobahn steigen weiter
Neben der reinen Übertragung von immer höher auflösenden Bildern von Infotainment- oder Kamera-Assistenzsystemen muss dieser Gigabit-Datenkanal künftig zusätzlich auch noch weiteren Anforderungen genügen. Mit immer kompakteren Steuergeräten, die nur noch eine beschränkte Zahl von Steckverbindungen zulassen, geht der Trend zur Dienste-Integration, der gleichzeitigen Übertragung unterschiedlicher Datenformate Bilder, Mehrkanal-Audio, Steuersignale und auch 100-Mbit-Ethernet über ein einziges Kabel. Das spart Bauraum, Kosten und Gewicht, stellt aber hohe Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit dieser vielspurigen Datenautobahn. Ist etwa eine gewisse Fehlerrate bei reinen Pixeldaten noch akzeptabel, ist das für einen Kommunikationskanal, der gleichzeitig auch sicherheitsrelevante Daten mit ASIL-Anforderungen für Fahrerassistenz-Systeme überträgt, völlig unakzeptabel.
Die Qualität einer hochbitratigen seriellen Verbindung wird überwiegend durch den im Übertragungskanal erzeugten Jitter und die Fähigkeit der Datenrückgewinnungseinheit (Clock & Data Recovery, CDR) im Empfänger bestimmt, das mit Jitter behaftete Eingangssignal sicher zu erkennen und zu verarbeiten. Jitter entsteht durch die begrenzte Bandbreite des gesamten Übertragungskanals (Board, Stecker, Kabel) und durch Diskontinuitäten wie Impedanzsprünge, die etwa im Kabel durch starke Verformung oder andere mechanische Schädigungen auftreten können.
Weil die Fähigkeit einer CDR, Jitter zu akzeptieren, begrenzt ist, implementieren moderne Gigabit-Links wie APIX2 heute schon Vorrichtungen in den Sende- und Empfangsbausteinen, um diesem Jitter im Übertragungskanal entgegenzuwirken. Während es praktisch unmöglich ist, durch Diskontinuitäten oder Reflexionen verursachten Jitter durch die Link-Bausteine zu korrigieren, können diese die typische Tiefpass-Charakteristik des Übertragungskanals effektiv linearisieren: Digitale Filter im Leitungstreiber des Sendebausteins und adaptive Filter auf Empfängerseite arbeiten hier Hand in Hand (Bild 4).
Diese Vorrichtungen, über die heute alle APIX2-Produkte von Inova, Fujitsu und Analog Devices verfügen, können nicht nur zur optimalen Anpassung an die Kabel-Stecker-Charakteristik benutzt werden. Sie ermöglichen zusätzlich auch eine umfangreiche Diagnose der gesamten Übertragungsstrecke zwischen Sende- und Empfangsbaustein einschließlich aller Steckverbindungen.
Das Kabel unter Beschuss
Auch wenn Alterungseffekte und Toleranzen bei modernen Kabeln kaum noch vorhanden sind und der Physical Layer optimal eingestellt ist, gibt es eine Vielzahl von äußeren Einflüssen, die die zuverlässige Übertragung im Betrieb empfindlich beeinflussen können. Dazu gehören Schwankungen der Versorgungsspannung oder der Temperatur ebenso wie plötzlich auftretende elektromagnetische Interferenzen oder ESD-Entladungen.
Das Kabel ist naturgemäß das am stärksten exponierte Glied in der ganzen Übertragungskette, weil es die Daten über Entfernungen von mehreren Metern sowie oft quer durch das Fahrzeug transportieren muss und dabei zahlreichen äußeren Einflüssen ausgesetzt ist. Dazu gehören mechanische Schädigungen durch Mader(an)bisse genauso wie Schädigungen am Kabelschirm durch Scheuern an Karosserieteilen etwa bei steifen Carbon-Karosserien, die selbst dem besten Kabel erheblich zusetzen können.
Besonders kritisch ist bei vielen dieser Mechanismen, dass sie im Gegensatz zu einem harten Kabelbruch oder Kurzschluss zu einer schleichenden Verschlechterung der Kabeleigenschaften führen, die lange Zeit unbemerkt bleiben, bis sie dann aber plötzlich und unvermittelt zu einem Ausfall führen.