Interview mit Michael E. Hafner, Daimler

»Wir übernehmen erste Konzepte zum hochautomatisierten Fahren«

22. September 2015, 10:21 Uhr | Ingo Kuss
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Fortsetzung des Artikels von Teil 3

»Bei den rechtlichen Rahmenbedingungen sind die USA momentan noch mutiger.«

Vor dem Serieneinsatz wurde der Ausweich-Lenk-Assistent auf dem Testgelände SIM-City erprobt. Der Assistent hilft dem Fahrer, einem Fußgänger kontrolliert auszuweichen.
© Daimler

Vor allem beim Einsatz von aus der Konsumelektronik stammenden Bauteilen wird zur Zeit intensiv die Frage diskutiert, ob und wie sich hier die erforderliche Qualität sicherstellen lässt.

Hafner: Das ist auch eine absolut wichtige Frage. Wir haben leider schon einige Mal erlebt, dass auf dem Weg zur Serienentwicklung ein Chip vom Halbleiterhersteller zurückgezogen wurde, weil er die von uns geforderte Qualität nicht erreicht hat. Für uns kommt es dabei sowohl auf die Qualität als auch auf die rechtzeitige Verfügbarkeit eines möglichst aktuellen Bauelementes an. Auch deshalb ist der Direktkontakt wichtig, denn so lassen sich unter Umständen Terminpläne noch anpassen, um einen geplanten Fahrzeugeinführungstermin einhalten zu können.

Je stärker die Entwicklung in Richtung hochautomatisiertes Fahren voranschreitet, umso wichtiger werden auch die entsprechenden Testmöglichkeiten. Wie ist Daimler da aufgestellt?

Hafner: Mit unserem Testgelände SIM-City hier in Sindelfingen haben wir die einmalige Chance, viele neue Funktionen einfach direkt neben dem Büro erproben können. Wenn ein Entwickler etwa eine Software-Änderung programmiert hat, flasht er das innerhalb einer Stunde aufs Auto und kann das dann unmittelbar auf unserem Testgelände erproben. Die entsprechenden Messungen und Erfahrungen fließen direkt in die Folgearbeit im Büro ein. Darüber hinaus bauen wir gerade in Immendingen ein neues Prüf- und Technologiezentrum, das im Vergleich zu SIM-City erheblich größer ist. Dort können wir dann zusätzlich auch Hochgeschwindigkeits- und Autobahnsituationen prüfen. Der Testbetrieb in Immendingen soll in den Jahren 2017 und 2018 aufgenommen werden.

Beim hochautomatisierten Fahren spielt aber auch die Erprobung im normalen Straßenverkehr eine wichtige Rolle. Von dem für die A9 geplanten Pilotprojekt Digitales Testfeld Autobahn zum Test von autonomen Fahrzeugen werden jedoch eher Audi und BMW profitieren.

Hafner: Wir sehen das nicht als großen Nachteil für uns. Mit entsprechenden Genehmigungen können wir ja heute auch schon Erprobungen auf öffentlichen Straßen durchführen. Die Strecke auf der A9 ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass dort zusätzliche Infrastruktur aufgebaut wird. Die können wir dort natürlich auch nutzen. Darüber hinaus laufen aber auch bereits Gespräche, dass entsprechende Infrastrukturmaßnahmen auch in unserer Nähe durchgeführt werden. Insgesamt haben wir dann in Deutschland für uns ausreichende Testmöglichkeiten. Auch in den USA sind die Freiheiten nicht erheblich größer. Tests autonomer Fahrzeuge sind dort ebenfalls nur mit einer speziellen Lizenz möglich. In Deutschland ist das zwar noch nicht so formalisiert, aber es gibt trotzdem entsprechende Genehmigungen. In Bezug auf Testmöglichkeiten sind wir also ganz gut aufgestellt.

Ausnahmegenehmigungen für Testfahrten sind das eine, aber wie sieht es mit der Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen für hochautomatisierte Serienfahrzeuge aus?

Hafner: An diesem Prozess sind viele beteiligt. Es gibt eigene Arbeitsgruppen beim VDA, aber auch unsere Zulassungs- und Zertifizierungsbereiche stehen für Daimler-spezifische Fragestellungen in direktem Kontakt zur Gesetzgebung und Behörden. Wir erleben eine große Unterstützung aus vielen politischen Bereichen. Deshalb bin ich grundsätzlich optimistisch, dass es uns gelingen wird, parallel zu den technischen Entwicklungen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen weiter voran zu bringen. An dieser Stelle sind die USA allerdings momentan noch mutiger als Deutschland. Da aber der Dialog hier und in Europa sehr konstruktiv geführt wird, glaube ich, dass sich technische und rechtliche Fragen parallel klären lassen.

Und dann wäre da ja auch noch das Thema Versicherungen.

Hafner: Dazu gibt es momentan zwar viele Meinungen, aber noch keine klare Vereinbarung. So wird beispielsweise überlegt, ob von autonomen bzw. hochautomatisierten Fahrzeugen verursachte Unfälle über eine eigene Versicherung abgedeckt werden könnten. Aber wie gesagt, die Gespräche mit den Versicherungen laufen noch. Ich sehe allerdings keinen Grund, warum wir da nicht zu einer vernünftigen Lösung kommen sollten.


  1. »Wir übernehmen erste Konzepte zum hochautomatisierten Fahren«
  2. »Car2X ist keine zwingende Voraussetzung für hochautomatisiertes Fahren.«
  3. »Wir stoßen bei der Hardware immer wieder an Leistungsgrenzen.«
  4. »Bei den rechtlichen Rahmenbedingungen sind die USA momentan noch mutiger.«

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