Für den Fahrzeuginnenraum

UWB-Sensorik für mehr Sicherheit im Auto

3. April 2024, 17:00 Uhr | Autoren: Christian Bachmann, Amirashkan Farsaei und Chris Marshall, Redaktion: Irina Hübner
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Wesentliche Verbesserung der Messgenauigkeit

Ausgangssignal und Spektrum des Senders mit und ohne Vorläufer
Bild 5. Ausgangssignal und Spektrum des Senders mit und ohne Vorläufer.
© IMEC

Experimente mit der IC-Implementierung von Imec zeigen, dass sie die ToA-Messleistung und die UWB-Entfernungspräzision effektiv verbessert. Die durch den Sender erzielte Leistungsverbesserung (unter Beibehaltung der spektralen Konformität) ist in Bild 5 dargestellt. Die Pulsmischschaltung hält zusammen mit der Resynchronisation die Nebenkeulenunterdrückung von -35 dBc sowohl ohne als auch mit Vorläuferpulsen aufrecht, während mit den Vorläuferpulsen die Anstiegszeit der Vorderflanke des Hauptpulses von 700 ps auf 550 ps reduziert wird.

Außerdem zeigt ein Algorithmus zur Untersuchung der Auswirkung auf die ToA-Schätzung, dass sich die Genauigkeit der Differenzschätzung um einen Faktor von (fast) vier verbessert, wenn der Impuls mit Vorläufer verwendet wird.

Bei der Übertragung dieses Ergebnisses auf die allgemeine Entfernungsmessung ist natürlich Vorsicht geboten – aufgrund der verschiedenen Einschränkungen bei der Messung der absoluten ToA. Abgesehen davon ist die Verbesserung zweifellos nützlich und ergibt sich aus einer Kombination miteinander verbundener Faktoren, einschließlich der Impulsform und der Empfängerverarbeitung.

IEEE-802.15.4z-kompatibles IR-UWB-Radarsystem

Auf der Grundlage ihres UWB-Transceiver-Designs haben die Forscher von Imec bereits den nächsten Schritt unternommen und ein experimentelles IR-UWB-Radarsystem für die Echtzeiterkennung im Fahrzeuginnenraum entwickelt. Das System arbeitet mit einer Bandbreite von 499,2 MHz und entspricht damit dem Standard IEEE 802.15.4z. Es zeigt drei überzeugende Anwendungsfälle im Automobilbereich, nämlich die Erkennung von Personen auf dem Fahrer- und/oder Beifahrersitz, die Schätzung der Atemfrequenz und die Erkennung von Gesten (der Beifahrer).

 Illustration des Demo-Aufbaus von Imec, der ein monostatisches IR-UWB-Radar mit Vollduplex und einem einzigen Eingang und einem einzigen Ausgang (SISO) verwendet
Bild 6. Illustration des Demo-Aufbaus von Imec, der ein monostatisches IR-UWB-Radar mit Vollduplex und einem einzigen Eingang und einem einzigen Ausgang (SISO) verwendet. Der Radarsender (TX) beleuchtet das Ziel, während der Empfänger (RX) das reflektierte Signal misst.
© IMEC

Das Demo-Set-up, das eine Innenraumumgebung simuliert, ist in Bild 6 abgebildet. Die Antennen sind strategisch an den Seiten angebracht, zum Boden und stärker zum Fahrersitz hin geneigt, um beide Sitze in die Hauptkeule der Antennen einzubeziehen. Die Beifahrer- und Fahrersitze haben einen Abstand von 45 cm (Kante zu Kante), wobei die Antennen 1,17 m bzw. 1,70 m von der Mitte des Beifahrer- bzw. Fahrersitzes entfernt sind. Jede TX- und RX-Antenne ist über 100 cm lange Kabel mit der IR-UWB-Plattform verbunden, die alle 10 ms Kanalimpulsantworten (CIRs) unter Verwendung von IEEE-802.15.4z-konformen SP0-Paketen erfasst. Nach dem Despreading und der CIR-Akkumulation wird eine erfasste CIR über eine schnelle Zeit mit einer Auflösung von Tf = 1 ns geschätzt. Schließlich wird die UWB-Plattform über ein Ethernet-Kabel mit einem Computer verbunden, auf dem speziell entwickelte Algorithmen die erfassten Daten verarbeiten.

Verwendung fortschrittlicher Signalverarbeitungsalgorithmen

Der entscheidende Faktor bei der Erkennung von zwei nahe beieinander liegenden Zielen für ein System mit einer Bandbreite von 499,2 MHz liegt in der Verwendung fortschrittlicher Signalverarbeitungsalgorithmen. Besonders in einer Fahrzeugkabine, in der sich der Fahrer und die neben ihm sitzende Person in unmittelbarer Nähe befinden, stellt dies eine große Herausforderung dar. Durch den Einsatz ihrer speziell entwickelten Algorithmen gelang es den Forschern von Imec jedoch, die Anwesenheit beider Personen präzise zu erkennen und so eine Erkennungswahrscheinlichkeit von über 95 % zu erreichen.

Die Forscher führten zwei Versuchsreihen durch, um die Fähigkeit des Systems zur Schätzung der Atemfrequenz zu bewerten. Im ersten Szenario bestand ihr Ziel darin, die Genauigkeit des Systems bei der Schätzung der Atemfrequenz (Beats Per Minute) mit einer Toleranz von weniger als 1 bpm zu überprüfen. Bei der Verwendung eines Referenzgeräts mit Gürtelsensoren zur Messung der Atemfrequenz der Testperson zeichnete das Referenzgerät eine Atemfrequenz von 11,96 bpm auf, während das Demosystem diese auf 11,71 bpm schätzte, was die Genauigkeit des Systems innerhalb der gewünschten Schwelle bestätigte.

Extrahierte Atemsignale für den Beifahrer und den Fahrer, mit Atemfrequenzen von 24,0 bpm bzw. 28,2 bpm
Bild 7. Extrahierte Atemsignale für den Beifahrer und den Fahrer, mit Atemfrequenzen von 24,0 bpm bzw. 28,2 bpm.
© IMEC

Im zweiten Szenario wollten die Forscher die Fähigkeit des Systems demonstrieren, die Atemfrequenz von Beifahrer und Fahrer gleichzeitig zu schätzen. Auch dieses Ziel wurde erfolgreich erreicht: Bild 7 zeigt die extrahierten Atemsignale für beide Personen. Dabei stellten die Forscher jedoch fest, dass Körperbewegungen und Interferenzen zwischen den Zielpersonen die Messungen verzerren können. Deshalb erwägen sie für die Zukunft die Entwicklung spezieller Algorithmen, die diese Faktoren abmildern.

Schließlich spielten die Algorithmen auch bei der Erkennung einer vordefinierten Geste in der Kabine eine entscheidende Rolle. Die vom Imec-Team durchgeführten Experimente ergaben, dass ihr Klassifikator eine beeindruckende Genauigkeit von 99,9 Prozent bei der korrekten Erkennung falscher Gesten und 90,5 Prozent für die Referenzgeste erreichte. Den Forschern des Imec zufolge können diese Zahlen durch zusätzliche Datenerfassung noch verbessert werden. Für die Zukunft planen sie daher, mehr Daten zu sammeln und weitere Gesten zu definieren, um die Bandbreite möglicher Interaktionen zwischen der Mensch-Fahrzeug-Schnittstelle zu erweitern.
 
In der Zwischenzeit konnten Experimente die Effektivität des vorgeschlagenen IR-UWB-Radarsystems bereits weitgehend beweisen und sein Potenzial zur Verbesserung der Sicherheit und des Komforts im Auto aufzeigen, insbesondere bei der Erkennung der Anwesenheit von Kindern.

 

Die Autoren

 

Christian Bachmann von Imec
Christian Bachmann von Imec.
© IMEC

Christian Bachmann

ist Programmdirektor für drahtlose Sensorik beim Imec. Er leitet die Ultrabreitband- und Bluetooth-Secure-Proximity-Mikroortungsprogramme des Forschungszentrums, die Anwendungen der kommenden Generation in den Bereichen Automobil, Medizin und IoT ermöglichen. Bachmann kam 2011 zum Imec, nachdem er bei Infineon Technologies und der Technischen Universität Graz tätig war. Im Laufe seiner Karriere arbeitete er an einem breiten Spektrum an drahtlosen Kommunikationslösungen für 802.11ah Wi-Fi, Bluetooth LE, 802.15.4 (Zigbee) und Ultrabreitband-Impulsfunk.

Amirashkan Farsaei von Imec
Amirashkan Farsaei von Imec.
© IMEC

Amirashkan Farsaei

ist Forscher im Team Internet der Dinge bei Imec in den Niederlanden, wo er an Ultrabreitband-Radaranwendungen und Bluetooth-Kanalsondierung arbeitet. Er kam 2021 zum Imec – nach seinem Abschluss an der Technischen Universität Eindhoven, wo er seine Doktorarbeit über massive MIMO-Systeme für 5G-Anwendungen schrieb.

Chris Marshall von Imec
Chris Marshall von Imec.
© IMEC

Chris Marshall

ist leitender Mitarbeiter des technischen Personals im Team Internet der Dinge beim Imec in den Niederlanden. Er arbeitet an Fortschritten bei drahtlosen Lokalisierungstechnologien, die auch in schwierigen Innenraumsituationen sowie in Kraftfahrzeugen gut funktionieren. Er kam 2021 zum Imec – nach einer langen Karriere im Bereich der drahtlosen Innovationen von Single-Chip-Empfängern bis zu GSM-Chipsätzen und von Low-Power-Funksystemen bis zu GPS-Ortungssoftware


  1. UWB-Sensorik für mehr Sicherheit im Auto
  2. Wesentliche Verbesserung der Messgenauigkeit

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