Werden denn solche Gutachten zukünftig noch erforderlich sein? Durch technische Maßnahmen wie eine Blackbox und die Fahrerüberwachung durch Kameras lässt sich doch sehr gut dokumentieren, wer gerade am Steuer war und wie der Unfall passiert ist.
Segger: Auch eine Blackbox muss erst mal ausgewertet werden. Das ist nicht ganz trivial. Aber es stimmt natürlich, je weiter sich die Technik entwickelt, umso einfacher wird ein entsprechender Nachweis, ob menschliches oder technisches Versagen vorliegt.
Wie sieht die Versicherungswirtschaft das Thema autonomes Fahren grundsätzlich: als attraktives Geschäftsmodell oder doch eher als Herausforderung?
Segger: Es gibt einige Gesellschaften, die die Kraft und strategische Ausrichtung haben, diese Technik als Chance zu begreifen. Doch das gilt nicht für alle Versicherer. In Deutschland ist der Kfz-Versicherungsmarkt sehr zersplittert. Das liegt daran, dass sich dieses Geschäft bislang relativ einfach betreiben lässt. Doch das wird sich in Zukunft ändern. Ein autonomes Fahrzeug zu versichern ist eine komplexere Angelegenheit.
Wird es trotzdem einen entsprechend angepassten Versicherungsschutz geben, wenn hochautomatisierte Fahrzeuge auf den Markt kommen?
Segger: Ich gehe fest davon aus, dass die Versicherungswirtschaft die aus dieser Technik resultierenden Risiken übernehmen kann. Ein Versicherer kalkuliert immer nach dem Gesetz der großen Zahl. Und es spricht ja alles dafür, dass das vollautomatisierte Fahren insgesamt sicherer sein wird als die bisherige Situation.
Langfristig müssten die Versicherungsbeträge dann doch eigentlich sinken.
Segger: Im Prinzip ja. Allerdings wird der Einzelschadenaufwand eher steigen, da bei vollautomatisierten Fahrzeugen zahlreiche Radarsysteme, Kameras und Sensoren verbaut sind. Wenn ein solches Fahrzeug beschädigt wird, sind die Reparaturkosten deutlich höher als bei konventionellen Autos. Daher ist jetzt nicht unbedingt mit einem Prämiensturz zu rechnen. Insgesamt betrachtet ist menschliches Versagen aber immer noch die Unfallursache Nummer 1. Das hochautomatisierte Fahren wird deshalb aller Voraussicht nach zu einer deutlichen Senkung der Unfallhäufigkeit führen.
Bis hochautomatisierte Fahrzeuge serienreif sind, wird es allerdings wohl noch einige Jahre dauern. Heute schon verfügbar sind Telematik-Tarife, bei denen das individuelle Fahrverhalten erfasst und zur Tarifberechnung herangezogen werden. Wie beurteilen Sie diese Versicherungsvariante?
Segger: Der Erfolg von Telematik-Tarifen hängt davon ab, wie sich die Akzeptanz für diese Technik entwickeln wird. Und die wiederum hängt stark davon ab, wie günstig die Telematik-Tarife werden. Ich rechne eigentlich nicht damit, dass es große Vergünstigungen geben wird. Das liegt daran, dass die bisherigen Tarife schon am untersten Ende der Profitabilität kalkuliert sind. Die Versicherer haben ja in den letzten Jahren vielfach Verluste in der Kfz-Versicherung geschrieben. Und sie haben eigentlich keinen großen Spielraum, die Tarife weiter zu senken. Auch wenn die Telematik eine Überwachung des individuellen Fahrverhaltens ermöglicht, wird diese Technik damit nicht automatisch zu einer nennenswerten Reduzierung des Gesamtschadenaufwandes führen. Die Prämien werden deshalb wahrscheinlich nicht viel geringer sein können als bisher. Ich rechne daher eher mit einem langsamen Hochlaufen der Telematik-Tarife. Der finanzielle Anreiz ist einfach zu gering.
Dr. Stefan Segger |
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ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner und Mitglied in der internationalen Insurance Sector Group bei CMS Hasche Sigle, einer deutschen Wirtschaftskanzlei mit mehr als 600 Anwälten und Steuerberatern. Nach Studium und Promotion an der Universität Osnabrück hat er u.a. anderem für den Versicherungskonzern Gerling gearbeitet. Seit 2007 ist er im Kölner Büro von CMS Hasche Sigle tätig. |