Markt&Technik: Wie schätzen Sie die künftige Rolle von OPC UA in der Industrieproduktion 4.0 ein?
Peter Lutz, Managing Director von Sercos International: OPC UA spielt eine sehr wichtige Rolle, um die Konvergenz von IT und Automatisierungstechnik voranzubringen und einen durchgängigen Informationsaustausch über die verschiedenen Steuerungsebenen hinweg zu ermöglichen. Aus technischer Sicht zeichnet OPC UA aus, dass es nicht nur Mechanismen für einen Datenaustausch umfasst, sondern auch ein Informationsmodell, über das die Struktur und Semantik der ausgetauschten Information definiert werden kann. Hinzu kommt, dass OPC UA international genormt ist und weltweit auf eine sehr große Akzeptanz bei Herstellern und Anwendern stößt.
Sercos International hat zusammen mit der OPC Foundation eine Companion Specification erarbeitet, die das Zusammenwirken von Sercos und OPC UA definiert. Wie regelt die Spezifikation das Zusammenwirken im Einzelnen?
Die OPC UA Companion Specification, die bereits im November 2015 verabschiedet wurde, beschreibt die Abbildung des Sercos-Informationsmodells auf OPC UA, so dass die von Sercos-Geräten zur Verfügung gestellten Funktionen und Daten über OPC UA zugänglich gemacht werden. Damit wird nicht nur der Datenaustausch zwischen Maschinenperipherie und übergeordneten IT-Systemen vereinfacht. Auch die Anforderungen von Industrie 4.0 in puncto semantische Interoperabilität werden unterstützt. Besonders interessant ist die Nutzung der Multiprotokollfähigkeit von Sercos, die es erlaubt, die Protokolle OPC UA und Sercos in einer gemeinsamen, einheitlichen Ethernet-Infrastruktur zu nutzen, ohne dabei die Echtzeitcharakteristik von Sercos zu beeinträchtigen. Auch ohne laufende Sercos-Echtzeit-Kommunikation ist ein durchgängiger Zugriff auf die Maschinenperipherie möglich, weil in einem Sercos-Netzwerk Proto-
kolle koexistieren können und Protokolle nicht getunnelt werden.
Im Rahmen der Maschineninitiative kooperiert Sercos International darüber hinaus mit der ODVA und der OPC Foundation, um gemeinsam Konzepte für eine Optimierung der Maschinenintegration (OMI) zu entwickeln. Die Initiative beschäftigt sich mit der Erarbeitung eines Maschineninformationsmodells, das auf OPC UA, Sercos und auch CIP abgebildet wird, um damit einen protokollneutralen Zugriff auf maschinenbezogene Informationen, wie Identifikation, Maschinenstatus oder Diagnose, zu ermöglichen.
Ermöglicht die Companion Specification eine Übertragung von OPC-UA-Daten in Echtzeit?
Die Zielsetzung der OPC UA Companion Specification für Sercos ist es, die in den Sercos-Spezifikationen definierten Prozess- und Gerätedaten auf einheitliche und herstellerübergreifende Weise nicht nur lokal über den Sercos-Echtzeitbus, sondern auch über eine beliebige übergeordnete Netzwerkinfrastruktur mittels OPC UA zur Verfügung zu stellen. In diesem Kontext ist eine Echtzeitfähigkeit von OPC UA nicht erforderlich, weil die schnelle Echtzeitkommunikation über den Automatisierungsbus Sercos abgedeckt wird. Selbstverständlich sind Anwendungsszenarien denkbar, in denen eine Echtzeitfähigkeit von OPC UA erforderlich ist, beispielsweise bei der M2M-Kommunikation oder auch bei einer Ankopplung von prozessbezogener Maschinenperipherie über OPC UA.
Wie bewertet Ihre Organisation den künftigen Echtzeit-Ethernet-Standard TSN?
Ethernet TSN macht erstmals eine zeitgesteuerte Übertragung echtzeitkritischer Nachrichten über Standard-Ethernet-Komponenten möglich. Spannend und richtungsweisend ist nun die Frage, ob und wie mit Ethernet TSN auch extrem schnelle Echtzeit-Anwendungen realisiert werden können und wie einfach oder komplex sich die Handhabung dieser neuen Technologie darstellt. Die im November 2015 gegründete Sercos-TSN-Arbeitsgruppe wird die maßgeblichen Eigenschaften des zukünftigen Echtzeitstandards IEEE 802.1 TSN besonders hinsichtlich der erreichbaren Performance (Datendurchsatz, Durchlaufzeiten und Echtzeitcharakteristik) sowie des erforderlichen Netzwerk-Managements bezogen auf verschiedene Netzwerkausprägungen untersuchen. Die Ergebnisse werden dann analysiert, um daraus mögliche Implementierungs- und Migrationskonzepte für verschiedene Anwendungsszenarien abzuleiten.