Markt&Technik: Wie schätzen Sie die künftige Rolle von OPC UA in der Indus-trieproduktion 4.0 ein?
Karsten Schneider, Vorstandsvorsitzender der PNO: OPC UA wird als offener Standard eine wichtige Rolle bei Industrie 4.0 spielen. Doch diese Entwicklung hat nicht erst mit Industrie 4.0 begonnen. Schon vorher war OPC vor allem im Bereich HMI und SCADA als herstellerübergreifender Standard relevant. Mit den durch UA hinzugekommenen Funktionen wird er beispielsweise zur Anbindung von MES-Systemen oder zur Übertragung von Daten in die Cloud noch interessanter. Die PNO hat dies übrigens schon sehr früh erkannt und ist seit 1998 Mitglied in der OPC Foundation.
Erarbeitet die PNO zusammen mit der OPC Foundation eine Spezifikation, die das Zusammenwirken von Profinet und OPC UA definiert? Wie wird der Standard das Zusammenwirken im Einzelnen regeln?
In der PNO sehen wir OPC UA als sinnvolle Ergänzung zu Profinet. Der Vorteil von Ethernet ist, dass unterschiedliche Protokolle parallel laufen. Im Office-Bereich sind dies beispielsweise die E-Mail- (POP/IMAP/SMTP) und Web-Protokolle (HTTP u.a.), in der Fertigung Profinet und OPC UA. Die Protokolle nehmen dabei unterschiedliche Aufgaben wahr. Profinet ist für den zyklischen Echtzeitdatenaustausch mit kleinen Telegrammen vorgesehen, also beispielsweise I/O-Daten, während OPC eher bei großen, strukturierten Daten Anwendung findet, etwa Qualitätsdaten oder Rezepten. Die beiden Protokolle bilden also eine sinnvolle Ergänzung und können dank des Kommunikationsprinzips von Profinet über dieselbe Infrastruktur genutzt werden. Das ist es, was wir mit »Profinet, the Backbone for Industrie 4.0« meinen: Kein Tunneln oder andere aufwändige Konfigurationen oder Hardware notwendig.
Wird der Standard eine Übertragung von OPC-UA-Daten in Echtzeit ermöglichen? Ist eine OPC-UA-Datenübertragung in Echtzeit überhaupt nötig bzw. sinnvoll?
Schon immer hat man sich in der industriellen Kommunikation gestritten, was denn nun Echtzeit ist. Sicherlich sind auch für OPC UA Szenarien sinnvoll, bei denen Echtzeitanforderungen zum Tragen kommen. Auch Qualitätsdaten müssen zeitnah aus den entsprechenden Geräten in die MES-Systeme übertragen werden. Die Anforderungen werden hier aber sicherlich nicht so hoch sein wie beispielsweise bei Motion Control. Ein weiterer Grund, warum wir die beiden Systeme in Zukunft parallel im selben Netzwerk sehen.
Wie bewertet Ihre Organisation den kommenden Echtzeit-Ethernet-Standard TSN, und welche Strategie verfolgt sie ihm gegenüber?
Mit TSN steht eine interessante Technologie in den Startlöchern. Wir evaluieren nicht nur diese Technologie, sondern bringen uns seit längerem gezielt in der IEEE ein, damit unsere Anforderungen und Erfahrungen berücksichtigt werden. Auch haben wir innerhalb der PNO eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit den Anforderungen und neuen technologischen Möglichkeiten auseinandersetzt. Für uns essentiell ist ein offenes Konfigurationsprotokoll, so dass sich Echtzeitkanäle herstellerübergreifend reservieren lassen. Wir wollen hier keine proprietäre Technologie. Andernfalls ließen sich die heute üblichen Strukturen mit Komponenten verschiedenster Hersteller nicht realisieren, und TSN würde in der Industrie wohl keine Akzeptanz finden. Momentan erfüllt TSN noch nicht alle Kriterien, die einen problemlosen Einsatz in der Industrie ermöglichen, obwohl manche das so glauben machen. Wir sind aber optimistisch, dass die notwendigen Themen gelöst werden können.