Mit welchen Trends und Herausforderungen müssen Unternehmen in den Bereichen Robotik, Automatisierung und Maschinenbau 2023 rechnen? Nikolai Ensslen, Gründer und Geschäftsführer von Synapticon, gibt eine Einschätzung.
Als Experte für Integrated Motion entwickelt und produziert Synapticon Soft- und Hardware für die anspruchsvolle Motion Control in Robotik, Automatisierung und Maschinenbau. Damit ist das Unternehmen aus Schönaich bei Böblingen stets eng einbezogen in die Entwicklungen und Pläne der Unternehmen dieser Branchen.
Eine Beobachtung aus dem Jahr 2022, deren Folgen noch lange zu spüren sein werden, waren und sind die massiven Supply-Chain-Probleme in der Halbleiterindustrie. Diese haben fast jeden Betrieb, der etwas mit Elektronik zu tun hat, ausgebremst. Wie hart ein Unternehmen getroffen wurde und wie massiv die Folgen heute noch sind, hängt auch davon ab, ob und wie Maßnahmen im Bereich des Produktvarianten-, Produktlebenszyklus- und Supply-Chain-Managements ergriffen wurden. Zum Glück sehen wir nun aber auch eine Aufhellung der Situation bei den Halbleiterherstellern.
Dass die Unternehmen unterschiedlich hart getroffen wurden, hängt auch mit einem Tiering auf Seiten der Halbleiterhersteller zusammen. Die Branchen IT und Consumer Electronics, die von den Halbleiterherstellern mit Prio 1 bedacht wurden, haben in den letzten Monaten extrem nachgegeben und teils über 25 Prozent Rückgang beim Absatz vermeldet. Dadurch wurde zunächst die Prio 2 der Hersteller, die Automobilbranche, wieder besser versorgt, und auch hier ging die Kundennachfrage bereits zurück. In der Folge verbessert sich die Situation für die Industrieelektronik, mutmaßlich Prio-Gruppe 3 für die Halbleiterindustrie.
Ein weiterer harter Faktor für die Unternehmen in den Bereichen Robotik, Automatisierung und Maschinenbau waren die sprunghaft gestiegenen Strom- und Energiekosten. Diese haben in vielen Betrieben einen hohen Einfluss auf die Betriebs- und damit Herstellungskosten. Hier muss man sich die Frage stellen, ob und wie die Mehrkosten sich auf die Produktpreise niederschlagen. Perspektivisch könnte dieser Aspekt noch stärker an Bedeutung gewinnen, denn die meisten Versorger haben ihre Preise, besonders beim Strom, erst zum 1. Januar 2023 erhöht.
Ebenfalls gestiegen und somit ein Faktor, der die Kosten treibt, sind die Zinsen. Die langfristigen Folgen sind hier jedoch noch abzuwarten und werden zumindest aktuell von den gestiegenen Materialkosten durch die Verwerfungen in den Supply Chains übertönt. Nicht wenige Unternehmen müssen seit Monaten zu 100 Prozent Mehrkosten produzieren, weil sich wichtige Bauteile massiv verteuert haben bzw. deren Beschaffung sehr aufwendig geworden ist.
Ein Thema von globaler Dimension, das entsprechend auch die Wirtschaft in Atem halten wird, sind die wirtschaftlichen Beziehungen zu China. Gerade im Bereich Robotik, Automatisierung und Maschinenbau sind die Beziehungen sehr eng. Die Abhängigkeit vom chinesischen Markt und das Verhältnis zu Investoren aus China sind einerseits Fragen, die die Politik und zugleich auch jedes Unternehmen im Rahmen seiner Möglichkeiten für sich selbst klären muss. Die politischen Signale gehen hier in zwei Richtungen: das Verhältnis zwischen Europa und China scheint sich zu entspannen, zwischen den USA und China dagegen wird der Ton rauer. Wie sich 2023 für die Unternehmen der Branche entwickelt, wird daher auch stark davon abhängen, was auf der politischen Weltbühne geschieht.
Das Thema Investoren ist aber auch ohne die »China-Frage« vor allem für junge Unternehmen ein zunehmend heikles, und ich erwarte für 2023 hier eher eine Verschärfung denn eine Entspannung. Vor allem die zweite Hälfte des vergangenen Jahres war sehr schwierig für Tech-Startups und ihre Finanzierungsrunden. Mit einem krassen Kontrast zum »Unicorn-Wahnsinns-Jahr« 2021, in dem so viel Kapital zu hohen Bewertungen wie nie zuvor floss, auch von einer extremen Anzahl neuer VC-Fonds, vor allem natürlich in den klassischen VC-Märkten SaaS, Fintech und Plattformen.
Für Hardware-bezogene Startups hat sich die Situation auch dadurch enorm gegenüber 2021 verschlechtert, dass damals einige unerfahrene Investoren plötzlich in Robotik-Themen investiert haben. Der Hype ist dann jedoch wieder rasch abgeflaut, weil viele Investoren erst dann verstanden haben, dass dies eine Branche mit hohem Entwicklungsaufwand und langen Sales-Zyklen ist. Folglich wurden die Themen Robotik und Maschinenbau schon 2022 wieder in die Kategorie »schwierigere HW-Thematik« einsortiert, und nur wenige Investoren wagen sich hier ins Risiko – was eindeutig ein Fehler ist. Hier muss 2023 wieder mehr passieren, denn die erfolgreichen Gegenbeispiele zeigen, dass hier wirklich vieles möglich ist, wenn man etwas Atem mitbringt.
Was möglich ist, das war zu Beginn des Jahres unter anderem auf der CES zu sehen, wenn man sich für das Thema der Serviceroboter und der humanoiden Roboter interessiert. Sicherlich ist hier noch nicht alles Gold, was glänzt, aber die Unternehmen liefern vermehrt spannende Entwicklungen, die durchaus wegweisend sind. Hier befruchten sich Innovationen aus dem B2B-Umfeld und dem B2C-Markt gegenseitig.
Zu guter Letzt ist es wohl unmöglich, über die Entwicklungen in der Tech-Industrie zu sprechen, ohne an OpenAI und die Aufregung rund um ChatGPT zu denken. Vor allem ChatGPT hat in manchen Kreisen fast grenzenlose Euphorie ausgelöst. In welchem Umfang sich die Technologie in der Praxis im Einsatz bei Unternehmen etablieren wird, bleibt abzuwarten, aber es gibt durchaus Aufgaben, bei denen sich ChatGPT mit hoher Wahrscheinlichkeit durchsetzen wird. Ich bin bereits überzeugt, dass Sprachmodelle in absehbarer Zeit sicher ihren Weg in die Programmierung von Roboter- und Automatisierungslösungen finden. Die klassische SPS- und Roboterprogrammierung ist danach endgültig tot.