Die Gehaltsformel der Elektronik

Kultur schlägt Gehalt

17. November 2022, 9:21 Uhr | Corinne Schindlbeck
Geld
Ein gutes Gehalt, Work–Life Balance, Weiterbildung – all das sind wichtige Faktoren, um neue Mitarbeiter zu locken. Einer Glassdoor-Umfrage aus dem Jahr 2019 zufolge spielen aber auch die Kultur und das Leitbild eines Unternehmens eine entscheidende Rolle.
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In anonymen Mitarbeiterbefragungen wollen Arbeitgeber oft wissen, ob man den eigenen Betrieb einem Freund, einer Freundin weiterempfehlen würde. Das zeigt, wie wichtig die Unternehmenskultur im Gesamtpaket der Attraktivität eines Jobs ist. Nicht selten deklassiert sie sogar das Gehalt.

Viele Mythen ranken sich um die umworbene junge Generation Z: Sie kommen und gehen, wann sie wollen. Sie zeigen keine Leistungsbereitschaft und favorisieren »Quiet Quitting – Dienst nach Vorschrift«. Sie lehnen Autoritäten und Hierarchien ab und wünschen sich stattdessen Flexibilität. So das schnelle Urteil.

Ob man die Generation Z damit über einen Kamm scheren kann? Tobias Leisgang ist Leiter Innovationsmanagement bei der Brose-Gruppe und etwas älter als Generation Z. An der Relevanz von Unternehmenskultur aber lässt auch er keinen Zweifel: »Wenn die Unternehmenskultur nicht im Einklang mit meinen eigenen Werten und Prinzipien ist, dann kostet das ordentlich Energie.«

Auch dass die Unternehmenskultur eine wichtige Rolle spielt, um Mitarbeiter zu finden und auch zu halten, dürfte unstrittig sein. Beispiel Personalmarketing: In anonymen Mitarbeiterbefragungen wird am Ende gerne die Frage gestellt, ob man den eigenen Betrieb einem Freund, einer Freundin weiterempfehlen würde. »Egal was vorher geantwortet wurde, hier kommt noch einmal die ganze Wahrheit zum Vorschein«, schreibt Robert Frischbier, Berater und Auditor für familienfreundliche Arbeitgeber, Unternehmenskultur und Qualitätsmanagement auf LinkedIn. Wer mit dem eigenen Arbeitgeber zufrieden sei, erzähle das natürlich auch im Freundes- und Bekanntenkreis weiter. »Und hier gilt: Gute Fachkräfte kennen andere gute Fachkräfte«, so Frischbier. Und natürlich werde so auch ein schlechtes Betriebsklima schnell Thema unter Freunden.

Seit Jahren herrscht in der Elektronik ein Arbeitnehmermarkt. Ein gutes Gehalt, Work–Life Balance, Weiterbildung – all das sind wichtige Faktoren, um neue Mitarbeiter zu locken. Einer Glassdoor-Umfrage aus dem Jahr 2019 zufolge spielen aber auch die Kultur und das Leitbild eines Unternehmens eine entscheidende Rolle. In der internationalen Studie befragte die Bewertungsplattform ihre Nutzer, darunter 1020 Deutsche. Ergebnis: Mehr als drei Viertel der Befragten gaben an, sich vor einer Bewerbung genau mit der Unternehmenskultur des potenziellen Arbeitgebers auseinanderzusetzen. Mehr als jeder zweite Teilnehmer hält die Kultur sogar für wichtiger für die Arbeitszufriedenheit als das Gehalt.

Gerade für mittelständische Familienunternehmen ist dieser Umstand ein Pfund, mit dem sie wuchern können. Auch und gerade in Krisenzeiten. Patriarchen meistern Krisen oft anders als Konzerne. Weil sie nicht in Quartalszahlen denken und keine Berichte an den Finanzmarkt abgeben müssen, können sie weitsichtiger und nachhaltiger planen, wenn nötig auch mal die Order zum »Zusammenrücken« geben. Oft unabhängig von Banken, wirtschaften sie mit eigenem Geld. Dieser hohe fürsorgende, werteorientierte Anteil zeichnet die Familienunternehmer aus. »Wir beschäftigen unsere Mitarbeiter am liebsten bis zur Rente« – dieser Satz von Würth Elektronik steht stellvertretend auch für andere Familienunternehmen.

Auch Führungskräfte im Mittelstand zeichnen sich in der Regel durch eine hohe Identifikation mit ihrem Unternehmen und seinen Produkten aus. Aber erst einmal müssen sie den Ansprüchen der Patriarchen genügen – vor allem Nachfolgeregelungen können daher enorm lange dauern.

Zwei von drei Befragten gaben in der Glassdoor-Studie an, dass die Kultur einer der Hauptgründe für den Verbleib beim aktuellen Arbeitgeber sei. Diese hält Mitarbeiter entweder im Unternehmen oder treibt sie heraus. Man muss gut zusammenpassen. Dass sich mehr als Dreiviertel der deutschen Befragten bei einer Jobentscheidung von ihren Werten leiten lassen und sich nicht bei einem Unternehmen bewerben würden, dessen Werte nicht ihren eigenen entsprechen, ist ein weiteres Ergebnis der Glassdoor-Studie. Oder wie es Personalberaterin Renate Schuh-Eder beschreibt: »Es gibt keine schlechten Unternehmen – es gibt nur passende oder nicht passende.« Die Auswertung der Umfrage habe eindeutig gezeigt, schreibt Glassdoor in seiner Bewertung, dass Arbeitssuchende heutzutage ihr Augenmerk nicht mehr ausschließlich auf Vergütung und Zusatzleistungen legten. Sondern sich auch und gerade bei solchen Unternehmen bewerben würden, deren Werte und Firmenphilosophie sich mit den eigenen Werten decken.

»Die Ergebnisse zeigen, dass sich die heutigen Jobsuchenden nicht mehr nur mit dem beschäftigen, was am Ende des Monats auf ihrem Gehaltsscheck steht. Vielmehr suchen sie nach einem Unternehmen, dessen Kultur und Werte ihren eigenen entsprechen und dessen Mission sie voll und ganz unterstützen können«, so Christian Sutherland-Wong, President und COO von Glassdoor. Arbeitgeber, die ihre Personalgewinnung und -bindung verbessern möchten, sollten daher den Aufbau einer starken Unternehmenskultur und eines Wertesystems vorantreiben, die Qualität und Sichtbarkeit ihrer Führungskräfte ausbauen und den Mitarbeitern Karrieremöglichkeiten aufzeigen. 

Bereits im Vorstellungsgespräch lässt sich ausloten, ob man zusammenpasst oder nicht. Allerdings nicht mit der Frage, »welche Kultur denn in dieser Firma herrscht«. Glassdoor rät zu indirekteren Fragen. Etwa wie lange der Gesprächspartner selbst schon im Unternehmen sei. Welche Leistung zuletzt groß gefeiert wurde oder welche Lehren aus großen Herausforderungen gezogen wurden. Bei der Firmenphilosophie gelte es, genau hinzuhören. Denn das Leitbild sei die Seele der Unternehmenskultur. Diese Zielsetzung dürfe nicht im Widerspruch zu den eigenen Absichten stehen. Wie definiert der Arbeitgeber Erfolg? Über harten Wettbewerb und Erfolg um jeden Preis? Gilt Stromlinienförmigkeit mehr als Innovationsfreude? Solche Fragen könnten wesentliche Erkentnisse über die Unternehmenskultur bringen und zeigen, ob und wann die Kultur die persönliche Schmerzgrenze überschreite. Wie viel Wertschätzung wird Kollegen für ihre Arbeit entgegengebracht? Und am Ende zählt auch der vermeintliche Liebling der Generation Z, die Work–Life Balance. Denn sie hat direkten Einfluss auf das Wohlbefinden am Arbeitsplatz und sollte daher vor dem Eintritt in ein Unternehmen sorgfältig geprüft werden.

Verdiene ich genug?

Am Ingenieurarbeitsmarkt steht in Bezug auf Gehaltsstrukturen kein Stein mehr auf dem anderen. In vielen Bereichen explodieren die Gehälter geradezu. Verdienen Sie genug? Werden Sie gerecht bezahlt? Welche anderen Faktoren gilt es in die Beantwortung dieser berechtigten Frage miteinzubeziehen? Gemeinsam mit SchuhEder Consulting hat sich Markt&Technik der Aufgabe gestellt, eine »Gehaltsformel der Elektronik« zu entwickeln. Unter www.mut-job.de/gehaltscheck können Sie sich eintragen. 


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