Das 3. Nominierte Team kommt aus dem Bereich der Medizin und Pharmakologie. Die Forscher entwickelten ein Medikament, das Menschen mit Lungenhochdruck hilft. Bei Sauerstoffarmut, wie sie z.B. in großen Höhen auftritt, fehlt dem Menschen die Eigenschaft, den Lungenkreislauf an die dauerhafte Druckerhöhung anzupassen, z.B. durch eine Verengung der Lungengefäße.
Es gibt fünf verschiedene Formen von Lungenhochdruck, die unterschiedliche Ursachen, aber für die meisten Patienten ähnliche Auswirkungen haben.
Die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) ist eine Form des Lungenhochdrucks, die durch wiederholt eingeschwemmte Blutgerinnsel (sog. Lungenembolien) aus entfernten Körpervenen ausgelöst wird. Anstatt wie üblich durch körpereigene Mechanismen abgebaut zu werden, vernarben diese Gerinnsel und verschließen einen Teil der Lungenarterien dauerhaft. Damit muss Blut aus der rechten Herzkammer zur Sauerstoffaufnahme in der Lunge durch deutlich weniger Blutgefäße gepumpt werden. Die Folge ist ein erhöhter Druck, der letztlich zu Herzversagen und Tod führen kann. Für viele Patienten stellt ein operativer Eingriff, bei dem die verschlossenen Lungenarterienäste chirurgisch wieder eröffnet werden, eine potenzielle Heilung dar. Allerdings kann diese Operation bei 20-40% der CTEPH-Patienten nicht durchgeführt werden, und bei bis zu 35% der Patienten besteht die Krankheit auch nach dem Eingriff noch weiter oder tritt erneut auf.
Bei der pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) kommt es ebenfalls zu einer Druckerhöhung im Lungenkreislauf, jedoch ist hier neben einer Verengung der Arterien eine unkontrollierte Zellwucherung die Ursache der Erkrankung. PAH kann erblich bedingt sein, daneben können Infektionen, bestimmte Giftstoffe, sowie einige Medikamente diese ebenfalls tödliche Form des Lungenhochdrucks auslösen. Obwohl es mehrere zugelassene Medikamente für die Behandlung der PAH gibt, bleibt die Prognose für die Patienten ungünstig und neue Behandlungsoptionen werden benötigt.
Der Wirkstoff Riociguat ist der erste Vertreter einer Substanzklasse, der zur Behandlung der beiden genannten Formen des Lungenhochdrucks zugelassen ist. Auf Basis von Erkenntnissen der 130 Jahre alten Therapie mit Nitroglycerin bei Angina pectoris, einem anfallsartiger Schmerz in der Brust, der durch eine vorübergehende Durchblutungsstörung des Herzens typischerweise im Rahmen einer koronaren Herzkrankheit (KHK) ausgelöst wird, haben die Forscher den neuartigen Wirkmechanismus des Medikaments entdeckt. Im Körper wird aus Nitroglycerin Stickstoffmonoxid (NO) freigesetzt. NO reguliert u.a. Gefäßweite und Blutdruck. Diese Entdeckung wurde im Jahr 1998 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Allerdings wird es sehr schnell abgebaut und ist daher als Dauermedikation nicht geeignet.
Zwar wird NO auch vom Körper selbst gebildet, doch können Patienten mit Lungenhochdruck in ihren Blutgefäßen nicht genügend NO produzieren, was zu einem erhöhten Druck in den Lungenarterien führt. Mit NO einher geht ein Enzym namens »lösliche Guanylatcyclase«, kurz: sGC. Dieses Enzym vermittelt die gefäßerweiternde Wirkung von NO.
Bei Bayer begannen die Forscher 1994 mit der Suche nach Substanzen, die die NO-Synthese verbessern können. Im Jahr 1997 – nach der Synthese und dem Testen von 4000 Substanzen – wurden erste potentielle Wirkstoffe identifiziert. Der Durchbruch erfolgte im Jahr 2000 mit der Herstellung des Wirkstoffes Riociguat. Riociguat stimuliert direkt die sGC und beeinflusst das Enzym gleichzeitig so, dass es auf das körpereigene NO sensibler reagiert.
Zur selben Zeit zeigten Wissenschaftler des Lungenforschungszentrums an der Justus-Liebig-Universität Gießen auf experimenteller Ebene, dass Medikamente, die die Wirkung von NO verstärken oder NO gar ersetzen können, eine hoffnungsvolle neue Therapie für Lungenhochdruck darstellen.
Mittlerweile mehren sich in der Wissenschaft die Anzeichen dafür, dass sGC-Stimulatoren auch bei vielen anderen Herz-Kreislauferkrankungen positive Wirkungen haben können, wenn diese mit einer Störung des NO-sGC-Signalwegs einhergehen. In einer weltweiten strategischen Kooperation arbeitet Bayer mit seinem Partner MSD (in den USA und Kanada bekannt als Merck) an einem umfassenden Studienprogramm zur Untersuchung dieses Potentials.
Das Projekt wurde von acatech, der deutsche Akademie der Technikwissenschaften e.V., vorgeschlagen.