Fab in Kulim steht zur Disposition

microLED-Ausstieg erschüttert ams OSRAM

29. Februar 2024, 7:16 Uhr | Heinz Arnold
Das war die Vision: microLEDs sollten in Milliarden-Stückzahlen in künftigen Augmented-Reality-Brillen dafür sorgen, dass wichtige Informationen dem realen Bild überlagert werden können. Ein Kunde von ams OSRAM hat nun einen Großauftrag zur Fertigung von microLEDs storniert. ams OSRAM will deshalb »die zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten aller zur microLED-Strategie gehörenden Vermögenswerte hinterfragen«.
© ams Osram

Apple hat unerwartet ein microLED-Schlüsselprojekt storniert – deshalb beendet ams OSRAM die Entwicklung von microLEDs, was bis zu 900 Mio. Euro kostet. Sogar die neue Fab in Kulim steht zur Disposition.

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Ein Unternehmen steht unter Schock, wie Aldo Kamper, CEO von ams Osram auf einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz erklärte: »Wir sind sehr enttäuscht, wir haben gute Fortschritte in der microLED-Technologie gemacht und waren der festen Überzeugung, dass es wie geplant weitergeht. Was den Kunden bewogen hat, plötzlich alles zu annullieren, wissen wir nicht.«

OSRAM Aktie stürzt nach diesen News ab

Auch die Börse zeigte sich entsetzt: Auf die Nachricht von gestern Abend hin stürzte der Kurs von ams OSRAM um 45 Prozent ab. Das ist geschehen: Wie der Vorstand von ams OSRAM gestern mitteilte, hat ein Kunde überraschend ein microLED-Schlüsselprojekt storniert. Deshalb hat asm OSRAM entschieden, die microLED-Strategie zu überarbeiten. Die Gespräche mit dem entsprechenden Kunden dauerten laut ams OSRAM an. In Erwartung von großen Aufträgen hatte ams OSRAM eine 800 Mio. Euro teure 8-Zoll-Fab in Kulim/Malaysia gebaut, die in diesem Jahr den Betrieb aufnehmen sollte.

Das »nächste große Ding« kommt erstmal nicht

Auf die microLEDs hatten große Unternehmen wie Apple, Google und Microsoft große Hoffnungen gesetzt. Sie gingen davon aus, dass microLEDs in hohen Stückzahlen in Consumerprodukten wie Smartwatches Einsatz zu finden würden, vor allem aber in Augmented Reality Brillen, die nach Meinung vieler Experten und Analysten die Smartphones ersetzen und als das »nächste große Ding« in Milliarden-Stückzahlen verkauft werden könnten. Deshalb sind Milliarden Dollar in die Entwicklung der microLEDs geflossen.

Welcher Kunde ist abgesprungen?

Doch hatte es in jüngster Vergangenheit immer wieder Zweifel gegeben: Die Kosten in der Fertigung der microLEDs – zu denen es übrigens auch interessante Alternativen wie Laser-Beam-Scaning gibt – liegen nach wie vor hoch, die erhoffte Kostenreduktion hat sich nicht realisieren lassen, das Preisziel für den Einsatz in Consumerprodukten konnten nicht erreicht werden. Ähnliches gilt offenbar auch für die erforderliche Qualität.   Nun hat einer der großen Kunden – mittlerweile ist sicher, dass es ich um Apple handelt – die Reißleine gezogen. ams OSRAM schweigt sich über den Kunden aus. Flossen Milliarden in die falsche Technik?

Nach Apples Ausstieg: Was wird aus der microLED-Technik?

8-Zoll-LED-Fabrik in Kulim wird hinterfragt

Im Zuge der Annullierung des microLED-Schlüsselprojektes wird ams OSRAM die zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten aller zur microLED-Strategie gehörenden Vermögenswerte hinterfragen, insbesondere der neuen 8-Zoll-LED-Fabrik in Kulim, Malaysia. Nach einer ersten Abschätzung erwartet ams OSRAM nicht cash-wirksame Wertberichtigungen der auf microLED bezogene Vermögensgegenstände und Goodwill in Höhe von 600 bis 900 Mio. Euro im ersten Quartal des Fiskaljahres 2024.     
Änderungen in der Kapitalisierung von F&E-Aufwendungen für das microLED-Programm und geringere Zuteilungen von öffentlichen Fördermitteln werden die bereinigte, operative Marge (EBIT) im Fiskaljahr 2024 mit 30 bis 50 Mio. Euro belasten. Die Gruppe erwägt daher zusätzliche Kosteneinsparungen neben dem bereits laufenden Effizienzprogramm »Re-establish the Base« vorzunehmen, um die negativen Auswirkungen auf die Profitabilität im Fiskaljahr zu dämpfen. 

Das laufende Geschäft ist unverändert im Plan und die Gruppe erwartet weiterhin, dass der Umsatz im ersten Quartal auf vergleichbarer Basis auf ein Niveau von 800 bis 900 Mio. wächst. Auch die bereinigte, operative Marge (EBIT), wird voraussichtlich weiterhin in der kommunizierten Spanne von 4 bis 7 Prozent vom Umsatz liegen, wobei die erwähnten Belastungen aufgrund geringerer F&E-Kapitalisierung und geringerer Fördermittel das Ergebnis innerhalb der Spanne belasten werden.   

Die Stornierung des Schlüsselprojekts wird auch zu einem verbesserten Cash-Flow-Profil der Gruppe über den Zeitraum der nächsten 24 Monate führen, etwa aufgrund geringerer Investitionen in Fertigungsausrüstung.

Auswirkungen der News auf das mittelfristige Finanzmodell

Das Unternehmen strebt nun auf vergleichbarer Basis (d.h. ohne das nicht mehr zum Kerngeschäft gehörende Portfolio im Halbleitersegment von 300 bis 400 Mio. Euro Umsatz im Jahr 2023 und ohne die Portfoliobereinigung im Segment Lampen & Systeme im Q1/2023) ein durchschnittliches jährliches Wachstum (CAGR) von 6  bis 8 Prozent an, weil nun nicht mehr mit einem Wachstumsbeitrag aus der 8-Zoll-Wafer-Fabrik in Kulim, Malaysia, im Zeithorizont des mittelfristigen Finanzmodells gerechnet werden kann. Bisher war ein Wachstum von bis zu 8 Prozent angestrebt worden.

ams OSRAM erwartet weiterhin, dass der größte Wachstumsbeitrag von der starken Dynamik in den angestrebten automobilen Halbleiteranwendungen stammt, in denen das Unternehmen klarer Marktführer ist. Zudem werden bedeutende Design-Wins zum Ergebnis beitragen, die ams OSRAM im Bereich der Lichtsensoren für mobile Endgeräte verbuchen konnte. Darüber hinaus werden weitere Wachstumsbeiträge in den Endmärkten Industrie, Medizintechnik und ausgewählter Anwendungen im Bereich Consumer-Endgeräte erwartet.      

Das Unternehmen verzeichnet für das Kern-Halbleiter-Portfolio in den Endmärkten Automotive, Industrie und Medizintechnik einen unverminderten Eingang von Neugeschäft (Design-Wins), das in den nächsten Jahren anlaufen wird.


 

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