So weit wollen die Analysten der Yole Group nicht gehen. Schließlich betreibe ams OSRAM viele profitable Produktlinien. Doch die neue Fab Kulim 2 ist verloren.
Was für ams OSRAM spreche: Das Unternehmen verfüge über eine Bilanzsumme von mehr als 1 Mrd. Euro und habe Zugang zu revolvierenden Kreditlinien in Höhe von mehreren 100 Mio. Euro. ams OSRAM könne also weiter im Geschäft bleiben, schreibt Dr. Zine Bouhamri, Activity Manager Imaging & Display der Yole Group in einer Analyse.
Sofort nachdem Apple das microLED-Projekt storniert hatte, kündigte ams OSRAM eine nicht zahlungswirksame Wertminderung in Höhe von 600 bis 900 Mio. Euro an. Die microLED-Fabrik Kulim 2 steht mit 1,3 Mrd. Euro in den Büchern, einschließlich der Kosten für Forschung und Entwicklung und einer Pilotlinie in Regensburg. Allein die Investitionskosten für die Fabrik belaufen sich bisher auf etwa 1 Mrd. Euro, wobei weitere 150 Mio. Euro für bereits bestellte Anlagen vorgesehen sind. ams OSRAM wird versuchen, diese Zahl mit den Zulieferern herunterzuhandeln, aber die Abschreibungen auf das Gebäude sollten demnächst beginnen.
Kurzfristig ist die Auswirkung auf die Eigenkapitalquote zwar negativ, doch dürfte sich das 2024 positiv auf den Cashflow auswirken, weil die Investitionskosten für die neue Fab entfallen. Zudem könnte ams OSRAM aus Anlagenverkäufen Geld einnehmen und Stornogebühren von Apple erhalten. Außerdem werden die Betriebskosten der Fab sinken, sie kann aber nicht abgeschaltet werden, wenn sie funktionstüchtig bleiben soll, um verkauft zu werden.
Erst im Oktober vergangenen Jahres hatte ams OSRAM eine Sale-and-Lease-Back-Vereinbarung über 420 Mio. Dollar mit einem Pool von drei malaysischen Pensionsfonds unterzeichnet. Das Unternehmen behielt das Eigentum an den Anlagen, verkaufte das Gebäude und leaste es von den Investoren mit der Option zurück, es nach zehn Jahren zurückzukaufen.
Dass die Nachfrage nach microLEDs in absehbarer Zeit anspringt, sei laut Yole nicht zu erwarten, schon gar nicht in dem Umfang, der erforderlich wäre, um die neue Fab zu füllen. Auch die traditionelle LED-Industrie benötige derzeit keine zusätzlichen Kapazitäten. Interessenten für die Fab könnten aus dem Bereich anderer Verbindungshalbleiter wie Power-GaN, RF-GaN oder SiC kommen. Schlicht als Gebäude (Shell) wäre sie auch für andere Halbleiterhersteller geeignet.
ams OSRAM habe – so die Analysten von Yole – über die Zusammenarbeit mit Apple umfangreiche Erfahrungen in der Entwicklung und Fertigung von microLED-Chips gesammelt, insbesondere im Bereich sehr kleiner microLEDs unter 10 µm – die Voraussetzung dafür, dass microLEDs jemals in hochvolumige Consumer-Märkte vordringen können. Außerdem würden für ams OSRAM Beschränkungen und Auflagen aus der Zusammenarbeit mit Apple wegfallen.
Die Analysten der Yole Group sind gerade dabei, die IP-Landschaft rund um microLEDs zu überprüfen. Jetzt stehe schon fest, dass ams OSRAM über ein solides eigenes Portfolio verfüge. Das Unternehmen hatte bereits damit begonnen, Foundry-Dienstleistungen für microLED-Unternehmen anzubieten und kurz davorgestanden, Standard-microLEDs auf den Markt zu bringen.
Doch auch wenn das geschehe, werde Kulim 2 dafür nicht benötigt, so Eric Virey, Principal Analyst Display von Yole. Vorläufig könnte die Nachfrage aus den bestehenden 150-mm-Fabriken in Regensburg und Kulim 1 oder aus der Regensburger 200-mm-microLED-Pilotlinie gedeckt werden, die über Kapazitäten verfügt, die besser für die besonderen Anforderungen der mikroLED-Fertigung geeignet sind.