ams Osram erhält im Rahmen der IPCEI-Förderung über 300 Mio. Euro, die das Unternehmen in den Ausbau der Entwicklungs- und Produktionskapaziät in Regensburg stecken wird. Über 400 Arbeitsplätze werden entstehen – mit einem enormen Hebel.
In der Region würde laut Aldo Kamper, CEO von ams Osram, in weiteren Branchen die sechsfache Zahl an Arbeitsplätzen unterstützt.
Besonders freut ihn, dass jetzt ein spezieller, sehr zukunftsträchtiger Teilbereich der Halbleiterindustrie gefördert werde: die optoelektronischen Halbleiter. Dazu gehören Bauelemente, die Licht aussenden wie LEDs und Laser, sowie Sensoren, die auf Licht reagieren. In Regensburg ist – seit den Anfängen in Siemens’ Werner-Werk vor 50 Jahren – ein nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und weltweit führendes Zentrum für die Optoelektronik entstanden.
Hier entwickelt und fertigt ams Osram LEDs. »Nach wie vor treiben wir in Regensburg die Technologie voran und sind heute die Nummer 2 unter den optoelektronischen Herstellern weltweit, weil wir uns an diesem Standort immer den entscheidenden technologischen Vorsprung sichern konnten, der es uns erlaubt, weiterhin hierzulande zu fertigen und zu produzieren, obwohl wir in Europa gegenüber anderen Weltregionen oft mit hohen Preisen und einer – bisher – weniger ausgeprägten Förderlandschaft in Europa kämpfen mussten«, so Kamper. Doch zumindest das Letztere ist jetzt mit der IPCEI-Förderung vorbei: »Sie erlaubt es uns nun, auf Augenhöhe mit unseren weltweiten Wettbewerbern mitspielen zu können.« Das sieht auch CFO Rainer Irle so: »IPCEI kommt jetzt zur rechten Zeit; mit dieser Förderung ist es wieder sinnvoll, in Europa zu bleiben – trotz einiger Nachteile wie der hohen Energiepreise.«
Was den Standort in Regensburg für Europa so einzigartig macht, ist die enge Verzahnung zwischen Forschung und Entwicklung, dem Design der Bauelemente bis hin zur Produktion und dem Test, der in der integrieren Optoelektronik ebenfalls eine Herausforderung darstellt.
Schon die Prozesstechnik unterscheidet sich stark von der Fertigung von elektronischen ICs, die zumeist auf Silizium-Wafern mithilfe von Standard-CMOS-Prozessen entstehen. Hier kommen »exotischere« Wafer-Substrate zum Einsatz wie GaAs und InP, auf denen dann epitaktisch viele übereinanderliegende Schichten – oft nur eine Atomlage dünn – abgeschieden werden. Das ist ein wichtiges Kern-Know-how eines LED-Herstellers, weil die Schichtabfolge das optische Verhalten einer LED bestimmt, welche Wellenlänge und welche Lichtintensität sie beispielsweise emittiert.
»Deshalb ist es so wichtig, dass die Forschung und Entwicklung, das Design der Komponenten und die Produktion bis hin zum fertigen Chip an einem Standort eng verzahnt ablaufen können«, erklärt Aldo Kamper. Für den Standort spreche außerdem die enge Kooperation mit Partnern und Anwendern, etwa aus der Automotive-Industrie, sowie mit Startups, der Universität Regensburg und weiteren Forschungseinrichtungen.
Das erklärt er am Beispiel eines Entwicklungsprojekts, das ams Osram schon vor längerer Zeit angestoßen hat: der Übergang der Produktion auf Wafer mit einem Durchmesser von 8 Zoll. Zwar produzieren die Hersteller von Logik-ICs auf Basis von Silizium weitgehend bereits auf 12-Zoll-Wafern – der Übergang fand schon vor über 20 Jahren statt –, doch mit den exotischen Verbundhalbleitern wie GaAs ist das nicht so einfach.
Weil sie eben aus verschiedenen Materialien mit verschiedenen Gitterkonstanten bestehen, bauen sich in ihnen mechanische Spannungen auf. Ergebnis: Die Wafer sind sehr spröde und brüchig, was ihr Handling außerordentlich schwierig macht. Außerdem verwölben sie sich, insbesondere wenn sie während des Fertigungsprozesses auch noch Temperaturwechseln ausgesetzt sind, was ihre Weiterverarbeitung ebenfalls erschwert.
Deshalb sind die Substrat- und LED-Hersteller bisher über einen Durchmesser von 6 Zoll nicht hinausgekommen. »Wir dagegen sind überzeugt, dass wir mit 8-Zoll-Wafern ein neues Effizienz-Level erschließen werden, denn wir können mehr LEDs pro Wafer bei niedrigerem Energieaufwand und weniger Ressourcenverbrauch fertigen. Bereits Ende 2024 wollen wir die Fertigung auf 8-Zoll-Wafern aufnehmen, wir sind mit Abstand die ersten, die das machen, und haben uns einen Vorsprung von Jahren herausgearbeitet«, freut sich Kamper. Das verschaffe dem Standort wieder einmal einen der technologischen Vorsprünge, die ihn in der Tradition der vergangenen 50 Jahre kontinuierlich hatten wachsen lassen.
Kamper erläutert auch kurz an einer Zahl, was er mit dem Ausdruck »viele LEDs« pro Wafer meint und welchen Sprung der Übergang auf die 8-Zoll-Generation bedeutet: Nicht weniger als 200 Millionen LEDs finden auf einem einzigen 8-Zoll-Wafer Platz.
Das liegt auch daran, dass die LEDs eine sehr geringe Kantenlänge im Bereich von weniger als 25 µm aufweisen. Deshalb werden sie als microLEDs bezeichnet. Womit wir auch schon am nächsten technologischen Umbruch angekommen wären, wie Kamper erläutert: »Nach der allgemeinen Beleuchtung und den LEDs für den Einsatz in Autos, etwa für Frontscheinwerfer, kommt jetzt die dritte Welle: die microLEDs. Da steckt ein riesiges Potenzial dahinter.« Also ist er entschlossen, auf dieser Welle in die Zukunft zu reiten. Einsatz werden microLEDs beispielsweise in großen Bildschirmen und Frontscheinwerfern finden.
Auf den Bildschirmen stellt jede microLED ein eigenes Pixel dar, auf großen Bildschirmen wird es Millionen davon geben. Das erklärt auch, warum ams Osram die Fertigungskapazität so enorm ausbauen will. Der Bedarf an microLEDs wird über die nächsten Jahre stark ansteigen. Das Schöne dabei ist, dass die Pixel nicht eng nebeneinander angeordnet sein müssen, sondern sich ein relativ großer Abstand zwischen ihnen auftut. Genügend Platz, um zusätzliche Elektronik und Funktionalität unterzubringen. Da gibt es also noch sehr viel Raum, um ganz neue Ideen umzusetzen. Das bisher separat im Bildschirm von Smartphones abgesetzte Sensorfeld etwa könnte künftig entfallen.
Eine weitere interessante Anwendung findet sich in Frontscheinwerfern für Autos. Hier werden derzeit 25.000 LEDs auf einem IC für die Steuerung integriert – im Gegensatz zu den Bildschirmen so dicht wie möglich –, sodass sich jedes einzelne Pixel separat ansprechen lässt. 100.000 Pixel sind in Reichweite. Deshalb und weil die einzelnen LEDs hell genug sind, können nun Worte oder Symbole auf die Fahrbahn vor dem Fahrer projiziert werden, was ebenfalls völlig neue Anwendungsfelder ermöglicht, zumal zumindest in Deutschland dazu auch schon der erforderliche gesetzliche Rahmen geschaffen wurde.
Das sind nur zwei Beispiele dafür, welches Potenzial in den microLEDs steckt. Zu den weiteren möglichen neuen Anwendungsfeldern gehören unter anderem AR- und VR-Brillen, an deren elektrooptischen Komponenten ams Osram ebenfalls arbeitet.
Doch auch auf anderen wachstumsträchtigen Feldern sind die Regensburger aktiv, beispielsweise werden UV-C-LEDs zur Desinfektion weiterentwickelt, genauso wie Nahinfrarot-Emitter für Lidar zum autonomen Fahren sowie für den Einsatz in der Industrie 4.0.
Dafür investiert ams Osram jetzt zusätzlich zur IPCEI-Förderung in neue Reinraum- und Laborgebäude für die Forschung, Entwicklung und Pilotproduktion. Wie oben schon angedeutet kommt der Prozesstechnik im Umfeld der integrierten Optoelektronik ein hoher Stellenwert zu. Auch dafür ist der Umstieg auf die 8-Zoll-Fertigung von entscheidender Bedeutung, denn Maschinen für die Fertigung von Halbleitern in hochautomatisierten Umgebungen bieten die Hersteller erst ab einem Durchmesser von 8 Zoll an.
Das ist bei einem Rundgang durch die Reinräume der Fab in Regensburg gut zu sehen: Im Zuge der Umstellung auf die neue Wafer-Größe hat ams Osram bereits eine Vielzahl von 8-Zoll-Maschinen installiert, die auf den ersten Blick an ihren SMIF-Schleusen (SMIF: Standard-Mechanical-Interface) zu erkennen sind – eine der Voraussetzungen für den hohen Automatisierungsgrad. Das ermöglicht es, KI-Systeme in die Produktion einzuführen, die ihrerseits die Effizienz zusätzlich steigern – was dann wiederum erlaubt, kostengünstiger zu fertigen.
Dass jetzt IPCEI-Unterstützung auch für das Zukunftsgebiet der integrierten Optoelektronik frei werde, stärke laut Kamper den Standort und trage in Zeiten geopolitscher Spannungen zur Souveränität und zur Stabilisierung der Lieferketten bei, ein starkes Signal für die europäische Halbleiterindustrie: »Unsere Investitionen in Regensburg sind ein klares Bekenntnis zu Bayern, Deutschland und Europa. Das Herz der optischen Halbleiter schlägt in Regensburg.«