Die SMI-Technik bildet auch die Basis für das dritte Element, den »4D-SMI-Ranger«, eine Art Radarsystem. Warum ist er für Augmented Reality so wichtig?
Wer virtuelle Information mit der realen Welt verbinden will und dem nur ein begrenztes Gesichtsfeld zur Verfügung steht, muss unbedingt rasch und präzise wissen, wo er sich in der realen Welt befindet und welche Objekte sich mit welcher Geschwindigkeit in welche Richtung bewegen. Das gilt nicht nur für Menschen, die mit Smart Glasses durch die Gegend laufen, das gilt auch für Fahrzeuge, Roboter und Maschinen aller Art. 4D heißt dabei, dass sich nicht nur die drei Raumrichtungen – also 3D – erfassen lassen, sondern zusätzlich die Geschwindigkeit der Bewegung – daher 4D.
Diese sogenannte Odometrie gibt es schon lange, aber sie ist aufwendig und störanfällig. Denken Sie an Kameras, an TOF, Radar oder kapazitive Sensorik. Unser Ziel war es, ein kompaktes, preiswertes und störunempfindliches optisches System zu entwickeln, das auch bei sehr hellem Tageslicht funktioniert. Das Ergebnis ist der 4D-SMI-Ranger. Er ist nur wenige Millimeter groß, sehr effizient, sehr kostengünstig und einfach in ein System mit digitaler Schnittstelle einzubinden. Überall, wo Menschen oder Maschinen navigieren und über die Umgebung Bescheid wissen müssen, findet er Einsatz und sorgt für »Content Awareness«.
Wie ist er aufgebaut?
Der Sensor besteht aus einem Feld von Lasern, beispielsweise ein 4x4-Laser, der nur 5 mm × 5 mm groß ist. Seine 16 VCSELs senden kohärentes Infrarotlicht aus, je nach Anwendungsfall mit unterschiedlicher Leistung für unterschiedliche Entfernungen. Dieses Licht wird wieder in den Laser zurückgeworfen und moduliert den Laser. Jetzt nutzen wir das SMI-Prinzip: Der Laser kann entweder im Gleichstrom-Modus betrieben werden, dann zählen wir die Beugungsringe (Fringe-Counting). Oder der Laser wird mit einer Dreiecksmodulation des Treiberstroms angesteuert. Damit ändert sich die Wellenlänge des VCSEL (Dopplereffekt) und im Interferenz-Signal sieht man die ursprüngliche Modulation (Beat Frequency) und hat somit unmittelbar die absolute Distanzmessung sowie den Geschwindigkeitsvektor in jedem Datenpunkt. Wenn Sie so wollen, eine Art FMCW-Radar mit sehr hoher Ortsauflösung.
Dann wird auch hier die KI wieder Einsatz finden?
Ja, der Durchbruch gelang wie beim Eye-Tracking nur mithilfe der Edge-AI. Die Verbindung von moderner Sensorik mit künstlicher Intelligenz ermöglicht diese sogenannten Edge-AI-powered Sensor-Modules, die uns derzeit in vielen Bereichen die Türen zu neuen Anwendungen in allen unseren Marktsegmenten aufstoßen.
Auf welche Entfernungen funktioniert der 4D-SMI-Ranger und wo liegen die Vorteile?
Wir zielen auf eine Entfernung von 3 bis 5 m ab, wahrscheinlich wird die Methode sogar bis 10 m funktionieren. Bisherige Verfahren benötigen Kameras, wie bereits am Beispiel des Eye-Tracking zu sehen war. Hier gelten die gleichen Vorteile. Auch ToF-Module finden in der Objekterkennung Einsatz, sie sind aber sehr rechenintensiv und lassen sich durch schwierige Lichtverhältnisse stören. Das passiert beim 4D-SMI-Ranger deutlich weniger. Denn das Signal kehrt immer zu dem Laser zurück, von dem es ausging, und es genügt, wenn nur ein Bruchteil des ausgesendeten Lichts ankommt. Und dabei besteht der Coherent-Ranger lediglich aus einem VCSEL-Array, einer Treiber-Elektronik und einem neuronalen Netzwerk mit wenigen Knoten.
Sie hatten bereits gesagt, dass ams Osram auf MicroLEDs setzt. Gehen Sie davon aus, dass sich die MicroLEDs besser als Laser-Beam-Scanning (LBS), Liquid Crystal on Silicon (LCOS) und OLEDs on Silicon für den Einsatz in AR-Brillen eignen?
Ich möchte mal etwas provokant formulieren: Das MicroLED-Display ist die technisch beste Lösung, allerdings noch nicht serienreif.
Aber ams Osram ist ja auch in den anderen Techniken für AR-Brillen aktiv. Warum?
Weil es noch dauern wird, bis die MicroLEDs in reale Geräte Einzug halten können. Dazu ist noch viel Entwicklungsarbeit erforderlich. Deshalb haben die anderen der genannten Technologien als Überbrückungstechnologien ihre Berechtigung.
Dann sollten Sie die Vor- und Nachteile der verschiedenen Techniken gut kennen. Welche hat derzeit die Nase vorne?
Ja, wir sind in diesem Sektor gut im Markt positioniert, weil wir die verschiedenen Spielarten von Lichtquellen beherrschen. OLEDs und LCOS erreichen nicht die für AR-Brillen erforderliche Leuchtkraft, sie kommen daher als Brückentechnologien in Frage. Wir sind aber auch führend in der Fertigung von Lasern für LBS-Einheiten, und wir sehen diese Technik durchaus als vielversprechend an. Trotzdem, MicroLEDs werden der nächste logische Technologieschritt sein, und den dürfen wir als einer der führenden Hersteller von LEDs nicht verpassen.
Die Hersteller von AR-Brillen hatten ursprünglich damit gerechnet, dass sie MicroLEDs schon jetzt einsetzen können. Doch das war zu optimistisch. Bisher konnten die MicroLEDs nicht in den geforderten keinen Pixel-Größen und zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten gefertigt werden, ihr Einsatz verschiebt sich immer weiter nach hinten. Warum sind Sie überzeugt, dass sie schließlich doch das Rennen machen werden?
Für AR-Brillen benötigen wir Pixel mit Kantenlängen von wenigen Mikrometern, und wir sind auf einem guten Weg, dieses Ziel zu erreichen. Außerdem fertigen wir heute schon LEDs auf 8-Zoll-Wafern, als die weltweit Ersten! Das reduziert die Kosten schon erheblich. Übrigens profitieren auch die herkömmlichen LEDs von den beachtlichen Produktivitäts- und Qualitätsfortschritten durch die Fertigung auf 8-Zoll-Wafern.
Heute ist der Stand der LED-Fabs mit dem der CMOS-Technik vor zehn Jahren vergleichbar. Da ist also noch viel Luft drin. Insgesamt sind MicroLEDs einfach zu integrieren, sie nehmen wenig Leistung auf, sie sind sehr hell und sie lassen sich in den Brillenrahmen integrieren, was zu einem großen Sichtfeld führt (Field of View).
Deshalb werden MicroLED-Displays die Displays der Wahl für Smart Glasses sein, und wir sind als führender Hersteller von LEDs und Sensoren dabei, die physikalischen und technischen Grenzen zu verschieben, um solche Displays zu ermöglichen. Damit wäre dann eine weitere Nuss auf dem Weg zu echten Smart Glasses geknackt. Und dies wiederum ermöglicht viele Systeme für andere Märkte, die sich aus der einzigartigen Kombination von Fähigkeiten im Bereich Lichtquelle, Optik und Sensorik ergeben, beispielsweise um die Fahreraufmerksamkeit oder die Position von Insassen in Fahrzeugen festzustellen.
Wann werden die ersten echten, kommerziellen AR-Brillen, die dann auf Brückentechnologien basieren werden, auf den Markt kommen?
Nach Aussagen der einschlägigen Marktstudien kann man schon in wenigen Jahren damit rechnen.