D&E: Eine Möglichkeit scheint die mathematische Beschreibung der überwachten Zustandsgrößen. Kann aus ihrem Zeit- und Dynamikbereich sowie von ihrer Spektralstatistik auf die Performanz einer KI-Methode geschlossen werden?
FS: Aus unserer Sicht ist für die Performanz einer KI-Methode nicht so sehr der Zeit- und Dynamikbereich der Anwendung ausschlaggebend, sondern vielmehr mit welcher Dynamik diese Anwendung abgetastet wird – und damit meine ich sowohl die zeitliche als auch die räumliche Abtastung bei verteilten, physikalischen Systemen.
Zur Verdeutlichung ein kurzes Beispiel aus dem condition-based Monitoring: Detektion und Klassifizierung von Lagerschäden an Motoren. Nehmen wir an, ein Beschleunigungssensor erfasst die Vibration eines Motors, mit einer Abtastrate von 100 Hz. Auch mit dem besten Algorithmus ist es basierend auf diesen Beschleunigungsdaten nicht möglich, Lagerschäden zu detektieren. Hier ist einfach die Dynamik des Motors zu hoch und jener Frequenzbereich der für das Systemverhalten relevant ist, nicht mit den zu niedrig abgetasteten Daten rekonstruierbar. Sie kennen dies aus der Messtechnik – Stichpunkte sind hier das Nyquist-Kriterium und das Shannon-Abtasttheorem. Viel relevanter für die Performanz einer KI-Methode ist, ob die unterlagerten Algorithmen „schnell“ genug sind, um die notwendigen Berechnungen rechtzeitig durchzuführen – Stichpunkt Echtzeitfähigkeit. Dies hängt von vielen Gesichtspunkten, wie den verfügbaren Rechenressourcen und der Berechnungskomplexität der Algorithmen ab.
Bei den modellbasierten Ansätzen - also Ansätzen mit mathematischer Beschreibung der unterlagerten Zustandsgröße - müssen natürlich alle anwendungs-relevanten dynamischen Effekte abgebildet sein.
Ein Beispiel ist die Drehscheibe eines Motors, unter Berücksichtigung von Winkelposition, -geschwindigkeit und –beschleunigung. Ein Anderes eine Temperaturverteilung: das jeweilige Modell muss die räumliche Beschreibung in Form einer Diffusionsgleichung beinhalten.
Werden die Daten und auch die mathematische Beschreibung des unterlagerten Systems zu der eigentlichen KI-Methode gezählt, dann gibt es Methoden wie beispielsweise Nyquist-Kriterium und Shannon-Abtasttheorem, um auf die Performanz zu schließen.
D&E: Wie präzise übertragen sich die Spezifikationen der Zustandsgrößen auf die abstrakten Merkmale? - Beispielsweise, als harter oder weicher Cut-off in Frequenz- oder Zeitdarstellung. Entsprechen Varianzen der Zustandsgrößen auch denen der Merkmale?
FS: Abstrakte Merkmale sind das Ergebnis einer Berechnung basierend auf den Daten, und somit liegt eine mathematische Abbildung zu Grunde. Somit kann die Spezifikation der Zustandsgröße auf die Merkmale übertragen werden; hilfreich hierbei sind auch sogenannte Sensitivitätsanalysen, d.h. wie wirkt sich die Varianz der Zustandsgrößen auf die Varianz der Merkmale aus, oder es können Übertragungsfunktionen berechnet werden.
D&E: Nach welchen Kriterien erfolgt dann die Hardwarewahl: der embedded-Bereich beruht auf deterministischen, ressourcen-beschränkten Systemen. Das für die KI traditionelle IT-Segment hat komplexe, intrinsisch schlecht vorhersagbare Maschinen mit hoher Performanz. Können für die Methode der Wahl im Anwendungsfall, Plattform-Argumente wie Speicherdichte, akzeptable Bit-Fehlerraten, Clock-Rate benannt werden?
DL: Es ist richtig, die embedded-Systeme sind sehr oft ressourcen-beschränkt. Auch in unserer Applikation ist dies der Fall, die Applikation wurde für den geringsten Stromverbrauch optimiert. D.h. die vorhandenen Ressourcen müssen möglichst optimal eingesetzt werden, dafür wurden auch die eigesetzten KI-Methoden optimiert. Z.B. welche Daten bzw. Sensoren sind relevant? Welche Sampling-Rate und wie oft soll die ML rekursive erfolgen. Handelt es sich um einen einfachen Anomalie-Detektor oder soll die KI eine umfassende Fehlerdiagnose durchführen. Oft ist es die Applikation, welche die Hardware definiert und dadurch auch die Beschränkungen für KI-Algorithmen.
D&E: Nimmt die erforderliche Peripherie auch Einfluss auf die Hardwarewahl: beispielsweise bei Robustheitsanforderungen oder wenn die Erfassung nur über eine lizenzierte Schnittstelle möglich ist?
DL: Ja, ein gutes Beispiel wäre drahtlos gegen drahtgebunden, batteriebetrieben gegen permanente Stromversorgung, Schmalbandkommunikation gegen real-time Ethernet, SmartMeshIP als ein extrem robustes und zuverlässiges Kommunikationsprotokoll gegen aus dem Konsumerbereich stammenden BLE. Oft ist es die Wahl der Kommunikation für die Endapplikation, die einen Einfluss auf die Hardwarewahl hat und somit schließlich auch auf die eingesetzte KI-Methode. Ein real-time TSN CbM-System, das fast alle Ethernet-Protokolle wie PROFINET, EtherNet/IP, EtherCAT, POWERLINK unterstützt, bietet für den KI-Einsatz ganz andere Möglichkeiten als eine für ultra-low power und auf dem IEEE 802.15.4e Standard-basierte Lösung.