Wege zur Einhaltung von EMV-Standards

EMV-Prüfstrategien für elektrische Antriebsstränge

4. November 2025, 14:36 Uhr | Dieter Fröhlich, CSA Group
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Der Wandel zu elektrischen Antriebssystemen bringt neue EMV-Herausforderungen: Hochfrequente Störquellen erzeugen komplexe Emissionen, die sicher beherrscht werden müssen. Doch welche Normen gelten überhaupt? Welche Prüfungen sind nötig? Welche Trends treiben die Entwicklung von Elektrofahrzeugen?

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Antworten darauf gibt Dieter Fröhlich, Managing Director, CSA Group

Mit der zunehmenden Beliebtheit von Elektrofahrzeugen (EVs) verändern sich auch die Antriebssysteme: Statt größtenteils mechanischer Komponenten stehen nun hochintegrierte Hochspannungssysteme im Mittelpunkt. Während elektromagnetische Interferenzen (EMI) in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren aufgrund zahlreicher Störquellen wie Zündsystemen, Komponenten oder Lichtmaschinen bereits seit Langem eine Rolle spielen, bringen die elektrischen Antriebsstränge von Elektrofahrzeugen zusätzlich neue Hochfrequenzquellen mit sich. Dazu gehören Wechselrichter, Elektromotoren, DC-DC-Wandler, Batteriemanagementsysteme (BMS) und Bordladegeräte. Prüfungen auf elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) sind unerlässlich, um sicherzustellen, dass die durch diesen Prozess erzeugten Emissionen keine anderen kritischen Fahrzeugsysteme beeinträchtigen.

Keine Fahrzeugzulassung ohne EMV-Prüfung

In den Hochspannungssystemen von Elektrofahrzeugen, die oftmals Spannungen von 400 V bis 800 V oder mehr und Ströme über 500 A aufweisen, entstehen durch die Nutzung schnell schaltender Halbleiter wie Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN) erhebliche Spannungs- und Stromtransienten. Diese Transienten erzeugen ein breites Spektrum an elektromagnetischen Störungen in Form von leitungsgebundenen und abgestrahlten Emissionen. Durch geeignete Maßnahmen wird sichergestellt, dass diese Störung die Kommunikation zwischen den Bussen, die Motorsteuerung und Systeme wie Bremsen und Lenkung nicht beeinträchtigt. Die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) zu gewährleisten, ist essenziell, um sicherzustellen, dass der Antriebsstrang sowohl die gesetzlichen Grenzwerte für elektromagnetische Emissionen einhält als auch robust gegenüber externen Störeinflüssen bleibt. Dies ist nicht nur eine Voraussetzung für die Fahrzeugzulassung, sondern auch ein zentraler Bestandteil der funktionalen Sicherheit. Besonders mit der zunehmend stärkeren Vernetzung und Software-Definition der Teilsysteme in modernen Fahrzeugen gewinnt die EMV-Prüfung an Bedeutung.

Geleitete Emissionen: Analyse der elektrischen Störungen in den Leitungen

Ein zentraler Aspekt der EMV-Prüfung ist die Analyse leitungsgebundener Emissionen. Hierbei wird ermittelt, wie viel unerwünschte elektromagnetische Energie über Strom- und Signalleitungen abgegeben wird. Während für behördliche Zulassungsverfahren – beispielsweise durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) – in der Regel Störspannungsmessungen am Netzzugang im Ladebetrieb vorgeschrieben sind, gehen viele Fahrzeughersteller deutlich weiter. Auf Basis spezifischer OEM-Standards werden umfassendere Prüfungen gefordert. Dabei werden mithilfe von Netznachbildungen (Line Impedance Stabilization Networks, LISNs) und Stromzangen hochfrequente Störsignale gemessen, die von zentralen Komponenten wie Wechselrichtern, DC-DC-Wandlern und Batteriemanagementsystemen (BMS) ausgehen.

Diese Messungen erfolgen typischerweise in Schirmkabinen oder Absorberhallen, wobei die relevanten Komponenten unter realitätsnahen Betriebsbedingungen betrieben werden. Ziel ist es, die Einhaltung der regulatorischen Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit sicherzustellen – insbesondere im Hinblick auf die ECE-Regelung Nr. 10 (ECE R 10), die als Grundlage für die Typgenehmigung durch Behörden wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) dient. Dieses Regelwerk verweist dabei auf international anerkannte Normen wie CISPR 25 und ISO 7637, die ihrerseits häufig auch Bestandteil spezifischer OEM-Vorgaben sind. Werden die vorgegebenen Grenzwerte überschritten, können Hersteller zu Gegenmaßnahmen wie der Integration von Filtern oder zur Optimierung des Schaltungsdesigns greifen, um die Störungen direkt an ihrer Quelle zu minimieren.

Gestrahlte Emissionen: Untersuchung von elektromagnetischen Abstrahlungen

Nach der Analyse der leitungsgebundenen Störungen steht die Bewertung der abgestrahlten Emissionen an. Diese Messungen erfolgen in Absorberhallen (reflexionsarmen Räumen) mithilfe von Breitbandantennen und Spektrumanalysatoren oder Messempfängern, um festzustellen, wie viel elektromagnetische Energie von den Bauteilen in die Umgebung abgegeben wird. Die Prüfungen konzentrieren sich dabei in erster Linie auf die Kabel, in Hochspannungssystemen insbesondere auf die Kabel zwischen Batterie, Wechselrichter und Elektromotor, da sie sich wie Antennen verhalten können.

Darüber hinaus dienen die gesetzliche Vorschriften auch dazu, sicherzustellen, dass andere Fahrzeugkomponenten wie Radar- und Lidar-Systeme oder drahtlose Kommunikationsmodule nicht durch elektromagnetische Störungen in ihrer Funktion beeinträchtigt werden.

Prüfung der Störfestigkeit: Robustheit unter realen Bedingungen gewährleisten

Die Störfestigkeit sicherzustellen ist eine Kernaufgabe der elektromagnetischen Verträglichkeit in modernen Elektrofahrzeugen. Neben der Reduktion von Emissionen ist es entscheidend, dass die Antriebssysteme robust gegenüber externen und internen elektromagnetischen Störungen sind, die während des realen Betriebs auftreten können. Während der Prüfungen werden Komponenten gezielt leitungsgebundenen und abgestrahlten Störquellen ausgesetzt, um ihre Widerstandsfähigkeit unter typischen Einsatzbedingungen zu überprüfen. Dazu gehören Hochfrequenzfelder, die elektromagnetische Belastungen simulieren, sowie transiente Spannungen, die direkt in Leitungen eingespeist werden. Diese Prüfungen decken Szenarien wie elektrostatische Entladungen, Lastabwürfe oder Schaltvorgänge in Relais ab. Schwachstellen, wie unzureichend abgeschirmte Datenleitungen oder mangelhafte Erdungsverbindungen, werden durch diese Prüfungen identifiziert und können durch gezielte Optimierungen behoben werden.

So wird sichergestellt, dass die Systeme bei unterschiedlichsten Betriebsbedingungen stabil und zuverlässig arbeiten, ohne durch externe oder interne Einflüsse beeinträchtigt zu werden. Die Prüfung der Störfestigkeit ist somit ein entscheidender Schritt, um die funktionale Sicherheit und Qualität von Elektrofahrzeug-Antriebssträngen zu gewährleisten.

Entwicklung neuer Normen und zukunftsorientierter Prüfungen

Mit den Fortschritten in der Elektromobilität stoßen die bestehenden EMV-Normen an ihre Grenzen, insbesondere durch den Wechsel von 12/24-V- zu 400/800-V-Architekturen und die Einführung hochfrequenter Halbleitertechnologien. Diese schnell schaltenden Bauteile erzeugen Störsignale mit höheren Frequenzen und steileren Signalflanken, die eine verbesserte Empfindlichkeit und größere Bandbreite der Messgeräte erfordern. Darüber hinaus müssen EMV-Prüfverfahren zunehmend auch Oberschwingungen im Gigahertzbereich sowie komplexe Wellenformen berücksichtigen.

Last but not least bringen neue Technologien wie bidirektionaler Stromfluss (zum Beispiel Vehicle-to-Grid und Vehicle-to-Home) sowie kabelloses Laden zusätzliche Herausforderungen mit sich.

Der EMV-Prüfprozess: Ein essenzieller Bestandteil der Entwicklungsarbeit

EMV-Prüfungen sind demnach essenziell – nicht nur für die Fahrzeugzulassung, sondern auch für einen reibungslosen und sicheren Betrieb von Elektrofahrzeugen. Damit ist sie längst keine bloße Abschlussprüfung vor Produktionsbeginn mehr, sondern hat sich zu einem festen Bestandteil der Fahrzeugentwicklung etabliert. So werden bereits in der Prototypenphase Prüfungen durchgeführt, um Konstruktionsmängel frühzeitig aufzudecken. In der Validierungsphase folgen dann umfassende Konformitätsprüfungen, die durch iterative Verbesserungen von Filtertechniken, Abschirmung und Leiterplattenlayouts unterstützt werden.

In diesem Zusammenhang gewinnen moderne Simulationssoftware und Hardware-in-the-Loop (HIL)-Setups zunehmend an Bedeutung, da sie das elektromagnetische Verhalten bereits in den frühen Designphasen vorhersagen können. Dies beschleunigt den Entwicklungsprozess und reduziert die Notwendigkeit, zahlreiche physische Prototypen zu erstellen.

Fazit: Produktentwicklung mit Blick auf elektromagnetische Verträglichkeit

Da moderne Elektrofahrzeuge immer komplexer werden, ist die elektromagnetischen Verträglichkeit der Antriebssysteme eine unverzichtbare Voraussetzung. In der Hochfrequenz- und Hochspannungsumgebung heutiger Elektrofahrzeuge muss jedes Bauteil – ob Wechselrichter, Kabel oder Sensor – so konzipiert sein, dass es minimale Störungen aussendet und gleichzeitig gegenüber externen Einflüssen unempfindlich bleibt.

Durch sorgfältige EMV-Prüfungen und eine vorausschauende Entwicklungsarbeit können Hersteller garantieren, dass Antriebsstränge von Elektrofahrzeugen unter verschiedenen Betriebsbedingungen effizient, sicher und zuverlässig funktionieren. So wird aus dem einst schwierigen Thema der elektromagnetischen Störungen ein entscheidendes Kriterium für Qualität und Innovation in der Elektromobilität.


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