Natürlich weisen Betreiber von EMV- und Funk-Laboren gerne auf einen „gewissen Zwang“ zur Prüfung oder gar Zertifizierung im Rahmen der CE-Kennzeichnung hin, das ist ihr Geschäftsmodell und entspricht den Richtlinienvorgaben und damit den nationalen Gesetzen. Allerdings ist und bleibt eine EU-Konformitätserklärung eine Herstellerselbsterklärung, die in Eigenverantwortung eines jeden Herstellers oder Inverkehrbringers erstellt werden muss. Zumal ein Hersteller ohnehin für seine Produkte immer die volle Verantwortung trägt. So kann ein Hersteller auch auf die schlechte Idee kommen, ohne jegliche Prüfung oder Hinzuziehung von Experten eigenständig zu vermuten, dass er alle gesetzlichen Anforderungen beim in Verkehr bringen seiner Produkte einhält. Nicht zuletzt heißt das Abbilden von Normen auf die Richtlinien ja Konformitätsvermutung. Dieses dokumentiert er dann in der EU-Konformitätserklärung. Diese und auch die damit verbundene CE-Kennzeichnung können somit nicht als Qualitätsnachweis herhalten. Sie dokumentieren nur, dass die darin bezeichneten Produkte den grundlegenden (Mindest-)Anforderungen der genannten Richtlinien entsprechen, im Wesentlichen also „sicher“ sind. Ob die Produkte überhaupt erwartungsgemäß funktionieren, regeln die o.g. Richtlinien nicht.
Zusammengefasst obliegt es der Leitung eines jeden Unternehmens, wie es mit dem Konformitätsbewertungsverfahren umgeht. Jedoch ist es dringend zu empfehlen, dass sich jeder Hersteller und insbesondere alle Personen in Leitungsfunktionen über das Risiko eines solchen Vorgehens im Klaren sind. Eine oft anhand der Unterschriften und Funktionen auf einer EU-Konformitätserklärung erkennbare De-legierung des Problems auf die Ebene der Sachbearbeitung schützt im Produkthaftungsfall weder das Unternehmen, noch alle handelnden natürlichen oder juristischen Personen (Organisationsverschulden). Daher wird dringend empfohlen, die folgende Umsetzung zu beachten.
Umsetzung der Funkanlagenrichtlinie für Produkte
In allen EU-Richtlinien ist das Vorgehen bei der Konformitätsbewertung eindeutig geregelt. Der Hersteller hat eine Konformitätsbewertung durchzuführen und entsprechend zu dokumentieren. Ein wesentlicher Bestandteil des Konformitätsbewertungsverfahrens ist eine Risikobetrachtung mit Blick auf die Einhaltung der wesentlichen Anforderungen der einzelnen Richtlinien für alle erdenklichen Lebenslagen und Variationen eines Produktes.
Für die Umsetzung der Funkanlagenrichtline für ein Produkt ist anzunehmen, dass Funkeinrichtungen normalerweise nicht „einfach“ entfernt werden können. Somit ist das Produkt als kombiniertes Gerät (Combined Equipment) anzusehen, tatsächlich ist es im Sinne der FuARL ein Funkgerät.
Doch welche Vorgehensweisen kann ein Hersteller nun eigentlich wählen? Und welche Vorgabedokumente sind hilfreich?
Ein Hersteller hat nach FuARL grundsätzlich drei Möglichkeiten eine Konformitätsbewertung vorzunehmen:
a) Interne Fertigungskontrolle gemäß Anhang II,
b) EU-Baumusterprüfung und anschließend Prüfung der Konformität mit dem Baumuster auf Grundlage einer internen Fertigungskontrolle gemäß Anhang III,
c) Übereinstimmung aufgrund einer umfassenden Qualitätssicherung gemäß Anhang IV.
Es handelt sich hier um Konformitätsbewertungen, die je nach Vorhandensein harmonisierter Normen entweder im Modul A, allein durch den Hersteller, oder wie in den Modulen B, C und H zusammen mit einer notifizierten Stelle durchgeführt werden können.
Im Rahmen der Module B, C und H folgt die notifizierte Stelle i. d. R. Zertifizierungsvorgaben und sichert durch ihre Bewertung eine EU-Konformitätserklärung mit einer EU-Baumusterprüfbescheinigung für den Hersteller ab. Dieser ist dann verpflichtet, die zugrundeliegende Baumusterprüfbescheinigung in der Konformitätserklärung zu nennen.
Dennoch liegt es im Ermessen des Herstellers, das Modul A in alleiniger Verantwortung heranzuziehen, auch wenn er keine harmonisierten Normen anwendet, sondern die Konformität auf andere Weise nachweisen möchte. Wählt also ein Hersteller von kombinierten Geräten das Konformitätsbewertungsverfahren nach Modul A, sollte er zwingend die folgenden Eingangsvoraussetzungen beachten:
• Es muss eine aktuelle und belastbare EU-Konformitätserklärung der Funkeinrichtung vorliegen,
• der Hersteller der Funkeinrichtung muss eine eindeutige Einbauspezifikation vorgeben und
• der Einbau darf die Konformität der eingebauten Funkeinrichtung mit der FuARL nicht negativ beeinflussen.
Sind die ersten beiden Punkte noch relativ einfach zu erfüllen, birgt der dritte Punkt doch gewisse Gefahren der Fehlbeurteilung. Insbesondere werden oft andere Zuleitungen und Antennen verwendet sowie Antenneneinbauten in unmittelbarer Nähe zu metallischen Oberflächen vorgenommen. Gerade bei Industrieprodukten werden die Mobilfunkantennen sicher im Metallgehäuse verbaut. Auch wird die Koexistenz verschiedener, gleichzeitig betriebener Funkeinrichtungen bei bloßer Dokumentenprüfung sicher nicht ausreichend bewertet bzw. ist nicht bewertbar.
Hilfreich ist jetzt der vom Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) als Hilfestellung herausgegebene Leitfaden EG 203 367.
Zu beachten ist, dass derartige Leitfäden nicht unter einer EU-Richtlinie gelistet werden können. Sie können damit nicht wie im Amtsblatt gelistete Normen zur Vermutung der Konformität von Funkanlagen herangezogen werden. Alle den jeweiligen Richtlinien zugeordneten Leitfäden können jedoch, ähnlich wie Auslegungen von Gesetzen durch Präzedenzfälle, zur Bewertung einer sinnvollen Vorgehensweise herangezogen werden. Vergleichsweise formale Sicherheit erhalten Hersteller dennoch nur bei entweder vollständiger Anwendung von harmonisierten Normen (Modul A) oder bei Einbeziehung von notifizierten Stellen.
Weil eine CE-gekennzeichnete Funkeinrichtung für den Einbau verwendet wird, kann sich der Hersteller des Gesamtproduktes auf die Konformitätsbewertung des Herstellers der Funkeinrichtung stützen. Wählt er nun eine Konformitätsbewertung nach Modul A oder das erste Verfahren nach dem ETSI Guide EG 203 367 (FuARL für Funkeinrichtung; EMV-Richtlinie für das ursprüngliche Produkt), so gibt auch der Abschnitt 2.6 des RED Guide sinngemäß folgendes vor:
• Der Hersteller stellt in jedem Fall sicher, dass die in Verkehr gebrachten Funkanlagen richtlinienkonform sind; er bleibt immer für die Konformität des gesamten Produkts verantwortlich;
• bei der Durchführung dieser Bewertung kann ein Hersteller zuvor für Komponenten oder Teile dieser Funkanlage durchgeführte Bewertungen verwenden (FuARL-Zertifizierung der Module mit Einbauspezifikation), diese Bewertungen müssen in die technische Dokumentation aufgenommen werden;
• die Heranziehung der Unterlagen der eingebauten Funkkomponenten zur Bewertung reicht möglicherweise nicht aus, um die Konformität des gesamten Funkproduktes (Combined Equipment) nachzuweisen.
Wie schon angemerkt, kann eine technische Bewertung auf Basis der vom Hersteller der Funkeinrichtung beigestellten, häufig unzureichenden Unterlagen nicht vollumfänglich erfolgen. Zwar sind mittlerweile für die meisten gängigen Funkkommunikationen harmonisierte Normen vorhanden, aber die Aspekte der Veränderung der Antennen und Koexistenz mehrerer Funkeinrichtungen lassen sich so nicht ausreichend bewerten.
Der große Vorteil des ersten Verfahrens nach EG 203 367 ist, dass die EMV für das Grundprodukt nicht nach häufig unangepassten ETSI-Normen bewertet wird, sondern nach den genau auf das Produkt zugeschnittenen EMV-Normen. Allerdings hat auch hier ETSI den Versuch unternommen, mit den Sammelnormen EN 303 446-1 für den Wohnbereich und EN 303 446-2 für eine industrielle Umgebung, harmonisierten Normen für kombinierte Geräte zu etablieren, aber bis heute ist es zu keiner Harmonisierung und Listung dieser Normen unter der Funkanlagenrichtlinie gekommen. Vorteil der Harmonisierung dieser Normen wäre dann immerhin, dass in ihnen zu mindestens einige EMV-Normen (Fachgrundnormen und Produktnormen) gelistet sind, die sich für die Bewertung nach Artikel 3.1(b) der Funkanlagenrichtlinie eignen.