Das offizielle DiGA-Verzeichnis des BfArM ist seit letzter Woche 50 Einträge lang. Doch längst nicht alle werden aktiv verschrieben - und manche scheinen auch wenig hilfreich zu sein, wie die ernüchternden Ergebnisse einer neuen Studie zeigen.
Ob Gewichtigsbabnahme, Demenz oder Boarderline-Störung - im DiGA-Verzeichnis findet sich bereits für viele Indikationen eine passende App. Seit letzter Woche ist die DiGA-Liste auf 50 Einträge angewachsen - dennoch sind manche Apps selten genutzt oder vielleicht sogar nutzlos?
Um den Nutzen von DiGAs zu untersuchen, hatte sich ein Forschungsteam der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und des Digitalen Demenzregisters Bayern (digiDEM Bayern) erstmals deutschsprachige Apps für Menschen mit Demenz (MmD) und für pflegende An- und Zugehörige angesehen auf wissenschaftliche Evidenz und Nutzerqualität bewertet. Die Forschenden kamen zu ernüchternden Ergebnissen: Für die meisten Demenz-Apps, die auf dem sogenannten Selbstzahlermarkt zu haben sind, gibt es keine wissenschaftlichen Belege für deren Wirksamkeit.
»Über eine mittelmäßige Gesamtqualität reichen viele der Demenz-Apps nicht hinaus«, sagt Michael Zeiler vom Lehrstuhl für Medizinische Informatik der FAU und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt Digitales Demenzregister Bayern (digiDEM Bayern). Die Beurteilung der Nutzerqualität erfolgte dabei mit dem international anerkannten Bewertungsinstrument MARS-D („Mobile App Rating Scale“, deutsche Version), welche unter anderem Funktionalität, Ästhetik, Informationsgehalt und Fragen zur Patientensicherheit und Güte des therapeutischen Angebots einschließt. »Der Bereich der Patientensicherheit erhielt sogar die niedrigste und damit schlechteste Bewertung«, erläutert der Medizininformatiker Zeiler. »Dies betrifft Fragen zu möglichen Risiken und schädlichen Effekten wie etwa falsche Rückmeldungen und unkorrekte Informationen.«
Des Weiteren untersuchten die Forschenden die wissenschaftliche Evidenz von insgesamt 20 Gesundheits-Apps. Auch hier enttäuschten viele der vermeintlichen digitalen Helfer. »Die Wirksamkeit der meisten Demenz-Apps ist überhaupt nicht wissenschaftlich belegt. Wenn für derartige Demenz-Apps ohne Wirksamkeitsbelege Geld verlangt wird, so ist das ‚digitale Kurpfuscherei‘«, erläutert der Neurologe und Gesundheitsökonom Prof. Dr. Peter Kolominsky-Rabas. Nur zu sechs Apps, also bei 30 Prozent, lagen überhaupt Studien vor. Umgekehrt haben die Wissenschaftler festgestellt: Über Anwendungen, die in der Qualitätsbewertung einen guten Wert erreichten, wurden häufig auch wissenschaftliche Artikel veröffentlicht.
»Je besser Gesundheits-Apps erforscht sind, desto besser gelingt die Gesundheitsversorgung und desto transparenter gestaltet sich der Markt der Digitalen Gesundheitsanwendungen«, weiß Michael Zeiler. Bis auf wenige Ausnahmen zählen Gesundheits-Apps nicht als Medizinprodukte. Eine App muss zunächst ein Prüfverfahren durchlaufen, um vom Bundesamt für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) als Digitale Gesundheitsanwendung in das entsprechende Verzeichnis aufgenommen zu werden. Auf diese Weise soll die Transparenz auf dem Markt gesteigert werden, welche Anwendungen die Anforderungen an Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität, Datenschutz und Datensicherheit tatsächlich erfüllen. »Der positive Versorgungseffekt ist nicht immer nachgewiesen. Wir fordern deshalb dringend, eine regelmäßige Qualitätsüberprüfung der Gesundheits-Apps nach strengen wissenschaftlichen Kriterien gemäß internationaler Standards vorzunehmen«, betont der Co-Autor der Studie, Prof. Dr. Peter Kolominsky-Rabas.
Die an der FAU durchgeführten Studien bezogen nur Demenz-Apps ein, es ist aber anzunehmen, dass sich die Ergebnisse der Studie auch auf die DiGA-Wirksamkeit bei anderen Indikationen übertragen lassen. (uh)