Digitalisierung und Elektromobilität sorgen für einen grundlegenden Wandel im Automobilbereich. Wie die Beschäftigten diese Transformationsprozesse wahrnehmen, beleuchtet eine Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg FAU am Beispiel von Volkswagen.
Oft werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Defizite und Ängstlichkeit angesichts der anstehenden Umbrüche unterstellt. Eine breit angelegte empirische Studie mit dem Titel »Arbeit und Qualifizierung 2030« unter der Leitung der FAU kommt zu einem bemerkenswert anderen Ergebnis.
»Die Kernbotschaften unserer Studie sind eindeutig: Bei den Beschäftigten besteht eine hohe Bereitschaft zu Weiterbildung und persönlicher Veränderung, sie haben im Transformationsprozess einen ausgeprägten Gestaltungswillen sowie ein grundsätzliches Vertrauen in sich und das Unternehmen«, erklärt Prof. Dr. Sabine Pfeiffer, Inhaberin des FAU-Lehrstuhls für Soziologie mit dem Schwerpunkt Technik – Arbeit – Gesellschaft. »Dagegen ist das Vertrauen in die Politik in puncto Arbeitsplatzsicherheit und Weiterbildungsperspektiven deutlich angeschlagener.«
Ein zweiter zentraler Fokus der Studie, die auf Initiative des Volkswagen-Nachhaltigkeitsbeirates entstand, liegt auf den Ressourcen der Beschäftigten, die ihnen zur Verfügung stehen, um für den Umbruch gewappnet zu sein.
Auch hier setzt die Untersuchung mit einem anderen Blick als andere Studien an: Statt von Anfang an ein Defizit zu unterstellen, konzentriert sich das Forschungsteam auf übersehene, unterschätzte und im Transformationsprozess erst entstehende Ressourcen, die in diesem auch gezielt fruchtbar gemacht werden können.
»Entgegen der üblichen Sichtweise in der Forschung wollten wir den Fokus nicht darauflegen, was Transformation für die ferne Zukunft des Arbeitsmarktes bedeutet«, betont Prof. Dr. Sabine Pfeiffer. »Uns ging es vielmehr darum, klarzumachen, wieviel Aufwand überhaupt nötig ist, damit der Wandel überhaupt ins Laufen kommt. Wir können zeigen, dass ein Großteil der Transformation bei den normalen Beschäftigten ankommt und von ihnen gestaltet wird.«
Die Studie, an der an der FAU auch Prof. Dr. Karl Wilbers, Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung beteiligt war, eröffnet einen Einblick in die – möglicherweise unterschätzten – Potenziale, die im Unternehmen vorhanden sind und für einen erfolgreichen Wandel systematischer entfaltet werden können.
So wird die Digitalisierung von den Beschäftigten nicht per se als Jobkiller gesehen, vielmehr finden sich sogar erhoffte und willkommene Entlastungserwartungen, die sich an die Digitalisierung richten. Zugleich wird der Wechsel in eine technisch veränderte Welt nicht grundsätzlich als die große Zäsur empfunden, sondern als gewissermaßen bekannte Normalität.
Die Studie klammert aber auch nicht aus, an welchen Stellen die Transformation schmerzliche Einschnitte bedeuten kann – wenn bisherige Expertise beispielsweise plötzlich entwertet, da nicht mehr gebraucht wird.
»Vertrauen und positive Zukunftssichten sind in dynamischen Transformationszeiten alles andere als Selbstläufer, sondern müssen immer wieder neu über Prozesse in der Organisation erarbeitet werden«, unterstreicht Prof. Dr. Sabine Pfeiffer.
Wichtigste Barrieren für den Beginn längerer Weiterbildungsmaßnahmen finden sich laut Studie sehr stark auch im lebensweltlichen Bereich, Stichwort Familie, und durch die Erfahrung, dass die bereits gemachte eigene Weiterbildung oder die anderer sich nicht »rechnete«, also nicht mit einer inhaltlich adäquaten Stelle belohnt wurde.
Das für diese Studie erhobene empirische Material gibt einen einmaligen Einblick in den »Maschinenraum der Transformation« bei Volkswagen. Fast 200 Beschäftigte, Führungskräfte, Expert/-innen und Interessenvertreter/-innen kamen in über 100 qualitativen Interviews und zahlreichen Workshops zu Wort. Mehr als 3.520 Beschäftigte gaben über eine quantitative Befragung Auskunft.
Ergänzt wurde der einmalige quantitative und qualitative Datensatz um eine Online-Erhebung mit über 600 Beschäftigten der Automobilbranche außerhalb von Volkswagen sowie einer Branchenanalyse. Neben der FAU waren beteiligt: die Georg-August-Universität Göttingen, die FernUni Hagen, das Leibniz Universität Hannover,das Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF München), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).