Wissenschaftler der Universität Shanghai haben die neuartigen Materialien für den Einsatz im menschlichen Körper getestet. Untersucht wurde Zr61Ti2Cu25Al12 BMG, kurz ZT1 genannt – ein amorphes Metall auf Basis von Zirkon – im Vergleich zu Reintitan und Polyetheretherketon.
Ein Vorteil von ZT1 ist, dass das Material mit seinem, verglichen mit anderen Implantatmaterialien, niedrigeren Elastizitätsmodul von 50-89 GPa besser zu dem der Knochen (je nach Knochentyp in der Größenordnung bis 25 GPa) passt als Titan mit ca. 110 GPa.
Die chemischen Messungen der Forscher zeigen, dass ZT1 bezüglich Korrosionsbeständigkeit reinem Titan überlegen ist. Weiter stimuliert ZT1 die Bildung von Knochen und Blutgefäßen; die Konzentration der freigesetzten Cu-Ionen ist so niedrig, dass sie keine schädlichen Entzündungen im Organismus verursachen. Bewegungsanalysen bei Ratten mit ZT1-Implantaten ergaben, dass diese Tiere weniger Schmerzen hatten als solche mit CP-Ti- oder PEEK-Implantaten und allergische Reaktionen und Entzündungen sogar gänzlich ausblieben. Damit sind amorphe Metalllegierungen auf Zirkonbasis geeignete Kandidaten für den Einsatz im menschlichen Körper.
Momentan werden Implantate aus dem Vollen maschinell vorgefertigt. Der klassische Kunststoffspritzguss erfordert teure Formen, die sich nur rentieren, wenn man möglichst viele Implantate damit produzieren kann und die notgedrungen einen Durchschnittspatienten bedienen, den es eigentlich nicht gibt. Metallische Implantate werden dagegen hauptsächlich durch mechanisches Abtragen hergestellt, was einen großen Programmierungsaufwand und lange Bearbeitungszeiten bedingt. Individuell passende Implantate ermöglicht nur der 3D-Druck zusammen mit einer zuverlässigen Scantechnik.
»Derzeit werden z. B. Ersatzteile für Rippen aus einem Stück Metall während der Operation händisch zurechtgebogen und mit Schrauben am noch vorhandenen Knochen fixiert«, erläutert Dr. Anneli-Martina Weinberg, Professorin an der Medizinischen Universität Graz. »Diese Metallrippen können sich jedoch an die ständigen Bewegungen des Brustkorbs nicht anpassen. Früher oder später wird der Druck zu groß und es kommt zu Verformungen oder gar zum Ausreißen aus dem Knochen. Der Patient muss dann nochmals operiert werden.« Implantate müssen flexibel genug sein, um sich den Bewegungen des Brustkorbs anzupassen, aber auch fest genug um dem Druck standzuhalten.
Bis zu einem Viertel aller Knochenbrüche sind distale Radiusfrakturen, bei der die Speiche nahe dem Handgelenk bricht, was in Deutschland etwa 200.000 Fällen jährlich entspricht. Die dafür benötigten, individuellen und sehr kleinen bzw. dünnen Implantatplatten sind schwierig herzustellen. Denn je dünner die Platten sind, umso besser können die Bänder und Sehnen arbeiten. Schon wenige µm zu dick können Schmerzen oder Fehlstellungen verursachen. Aber eine zu dünne Platte ist nicht fest genug. Um eine dauerhafte Fehlstellung der Fragmente zu vermeiden, dürfen sich die Implantate während der Heilungsphase von vier bis sechs Wochen möglichst wenig verformen. Problematisch ist der Übergang zwischen Knochen und Implantat. Hier können Materialermüdungen und/oder eine permanente Verformung die Heilung stören.
»Auch Oberarmbrüche sind häufig schwierig zu behandeln, da dieser durch seinen Ansatz von Muskeln keine plane Fläche aufweist, um die Platten zu fixieren. Daher muss eine vorgefertigte Platte derzeit intraoperativ von Hand entsprechend gebogen und angepasst werden, was zeitaufwendig und mühsam ist – die Passform ist am Ende trotzdem nicht optimal,« unterstreicht Annelie-Martina Weinberg die Problematik. Hier eignet sich der 3D-Druck perfekt und dank der guten mechanischen Eigenschaften von zirkonbasierten amorphen Legierungen läßt sich das Implantatdesign optimal an die Beanspruchung anpassen.
Titanplatten verformen sich zudem bei der Ermüdungsprüfung plastisch viel stärker und schneller als das zirkonbasierte ZR01-Material. »Diese höhere Elastizität und Formstabilität hält auch höheren Belastungen stand und bricht dank der hohen Festigkeit nicht einmal bei Belastungen, bei denen sich vergleichbare kristallinen Werkstoffe plastisch verformten und wegknicken«, so Valeska Melde. Für eine schonende, weniger invasive Behandlung lassen sich Platten aus amorphen Metallen wegen ihrer Festigkeit dünner herstellen. Mittels 3D-Druck kann man die Dicke der Platten individuell lokal anpassen.
Große Knochendefekte nach Tumoren oder Unfällen brauchen passgenaue Gerüste. Aus amorphen Metalllegierungen können diese additiv hergestellt werden und dienen, mit Stammzellen besiedelt, als Knochenersatz im Körper. In Tierversuchen funktionieren alle 3D-gedruckten Implantate aus amorphen Metallen bereits sehr gut, die klinische Erprobung am Menschen ist in Vorbereitung.