Investitionen

IW warnt vor Deindustrialisierung

28. Juni 2023, 9:38 Uhr | Corinne Schindlbeck

Im schlimmsten Fall sei das der Beginn der Deindustrialisierung: Noch nie seien die Geldabflüsse aus Deutschland so hoch gewesen wie im letzten Jahr, meldet das Institut der Deutschen Wirtschaft. Die Gründe sieht es unter anderem beim Fachkräftemangel.

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Noch nie haben Unternehmen so viel Geld aus Deutschland abgezogen wie im vergangenen Jahr, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), das die Zahlen als "alarmierend" bezeichnet und "im schlimmsten Fall" den Beginn der Deindustrialisierung erkennt.

Rund 132 Milliarden Dollar (125 Milliarden Euro) mehr Direktinvestitionen flossen 2022 aus Deutschland ab, als im gleichen Zeitraum in die Bunderepublik investiert wurden. Damit gemeint ist die Differenz zwischen Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland und ausländischer Unternehmen in Deutschland.

Die Summe stellt die höchsten Netto-Abflüsse dar, die jemals in Deutschland verzeichnet wurden. Vor allem die ausländischen Investitionen in Deutschland sind nach OECD-Zahlen zuletzt fast vollständig eingebrochen: Während die Abflüsse bei fast 135,5 Milliarden Euro lagen, wurden nur noch rund 10,5 Milliarden Euro in Deutschland investiert. Besonders alarmierend dabei ist, dass gerade die Investitionen von europäischen Nachbarn eingebrochen sind. Gleichzeitig flossen fast 70 Prozent der Gelder aus Deutschland in andere europäische Staaten.

Erhebliche Standortnachteile

Die Schuld sieht das IW in drei Entwicklungen, die den Standort Deutschland zunehmend unattraktiv machten:

Erstens, der Fachkräftemangel. Er belaste die Unternehmen enorm. Das IW nennt eine aktuellen Umfrage, wonach 76 Prozent der Unternehmen im industriellen Mittelstand Arbeitskosten und Fachkräftemangel als ihre größte Herausforderung betrachten – noch vor hohen Energiepreisen und "zunehmender Bürokratie". 

Dazu kämen Investitionspakete wie der amerikanische Inflation Reduction Act. Sie  machten Investitionen außerhalb Deutschlands attraktiver. Auch bei europäischen Investitionsoffensiven wie dem NextGenerationEU-Programm fließe das meiste Geld an Deutschland vorbei. Hinzu komme, dass das deutsche Exportmodell bei "wachsendem Protektionismus" nicht mehr so gut funktioniere wie früher.

Drittens, der Strukturwandel der Autoindustrie. Mit dem Wegfall des Verbrennungsmotors verliere die deutsche Wirtschaft ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal in ihrer Schlüsselindustrie.

Das IW bezeichnet "viele Probleme" als " hausgemacht"

Die Investitionsbedingungen in Deutschland hätten sich aufgrund der hohen Energiepreise und dem zunehmenden Fachkräftemangel zuletzt noch einmal verschlechtert, beurteilt IW-Ökonom Christian Rusche. Viele Probleme seien hausgemacht, darunter "hohe Unternehmenssteuern, ausufernde Bürokratie und eine marode Infrastruktur". 
 


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