Interview mit Sven Gábor Jánszky

»Am besten gleich in China gründen«

20. Februar 2019, 14:31 Uhr | Corinne Schindlbeck
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

China als Standort prüfen

Wie können Unternehmen von den chinesischen Startup-Zentren profitieren?

Deutsche Unternehmen sollten mit ihren Start­ ups und Pilotprojekten China als Standort prüfen. Das ist absolut zu empfehlen. In den Startup-Zentren und Hardware-Accelerators gibt es auch europäische und deutsche Startups mitsamt internationalem Netzwerk. Das sind keine „Closed Shops“. Ich empfehle sogar, am besten gleich in China zu gründen. Oder zumindest schnell nach China zu gehen. Denn die Entwicklungszeit von Produkten ist dort einfach viel, viel schneller als hierzulande. Während man für einen Prototypen hierzulande drei Monate benötigt, braucht man in China eine Woche. Ausgebildete Techniker gibt es in Hülle und Fülle. Vor allem für digitale Geschäftsmodelle ist der einfache Zugang zu Daten ein unschätzbarer Vorteil. Der Datenschutz ist, höflich ausgedrückt, deutlich geringer als in Europa. Deshalb tun sich Entwickler selbstlernender Systeme oder künstlicher Intelligenz wesentlich leichter, weil sie genügend Daten zum Üben haben.

Welche Themen oder Geschäftsmodelle dominieren gerade in China?

Zum einen KI in seinen verschiedenen Spielarten, etwa in Bezug auf selbstfahrende Autos. Es sind 40 neue Autohersteller in China entstanden, ausgestattet mit viel Geld. Zum anderen softwarebasierte Objekt- und Gesichtserkennung, wichtig für autonomes Fahren. Aber auch für die Medizintechnik, Beispiel automatische Auswertung von Röntgenbildern, um Krankheiten zu erkennen. Tests haben gezeigt, dass Lungenkrebs inzwischen mittels Software zwei Jahre schneller und 50 Prozent genauer erkannt wird als von Medizinern. Ein großes Feld ist auch die Genetik, um das Leben des Menschen zu verlängern. Dies wird in China in kleinem wie auch großem Stil vorangetrieben, von der Genanalyse bis zur kompletten menschlichen DNA, um daraus die Wahrscheinlichkeit für Krankheiten zu errechnen und gleich die passenden Gegenmaßnahmen – zum Beispiel individuelle Bakterien-Cocktails für den Darm – zu verabreichen, damit Krankheiten gar nicht erst ausbrechen.

Auch die Blockchain ist ein Thema. Dort sind die chinesischen Unternehmen allerdings widersprüchlich, die einen arbeiten daran, andere halten Blockchain für Unsinn. Die beiden Blockchain-Startups aus dem Bereich Logistik und Sicherheit, die wir besucht hatten, saßen in Shanghai.

Ist Deutschland für Blockchain-Gründer vorteilhafter?

Schwer zu sagen. Blockchain ist auch ein großes Thema in Israel, Estland und im Silicon Valley. In Deutschland gibt es keine verlässliche Regulierung für Blockchain. Die gibt es in China zwar auch nicht, aber die Startups, die wir getroffen haben, sind deshalb nach China gegangen, weil eine solche dort auch am wenigsten zu erwarten ist. Wird es irgendwann eine Regulierung geben, wird sie am offensten in China sein. Zumal Logistik-Ketten hier beginnen.

Sie raten dazu, möglichst schnell nach China zu expandieren, gerade als Gründer. Also nicht mehr zuerst ins Silicon Valley, mit Zugang zum Kapitalmarkt?

Das sind jetzt zwei Kriterien, Kapital und Entwicklungsgeschwindigkeit. Letztere ist in China noch höher als im Silicon Valley. Die Technikaffinität ist ebenbürtig. Jetzt zum Thema Geld. Es gibt in China Unmengen an Geld. Unmengen! Laut den Startups, mit denen wir sprachen, ist es in China momentan wohl einfacher, Geld zu bekommen, als im Silicon Valley. Und natürlich viel, viel einfacher als in Deutschland. Der Nachteil: Es gibt immer noch keine hundertprozentige Rechtssicherheit. Die meisten internationalen Startups wollen daher kein chinesisches Geld, um sich nicht in die Hände und Abhängigkeit chinesischer Investoren zu begeben. Da ist noch kein Vertrauen da, man hat Angst vor Fremdbestimmung, ob das Geld weiter fließt oder plötzlich wieder abgezogen wird, man verkauft, erpresst wird, solche Sachen.

Hat man in China die Chance, amerikanisches Geld zu bekommen?

Ja, das ist sogar ein gerade sehr häufig begangener Weg. Startups gehen mit amerikanischem oder europäischem Venture-Capital nach Shanghai, Guangzhou, Shenzhen, Peking und in andere Millionenstädte mit über 10 Mio. Einwohnern, um dort in hoher Geschwindigkeit zu entwickeln.

Wie sieht es mit Fachkräften aus?

Es wurde uns gespiegelt, dass es überhaupt kein Problem ist, sehr gut ausgebildete Mitarbeiter zu bekommen, es gibt keinen Mangel. Shenzhen hat ein Durchschnittsalter von 32,6 Jahren. Was es allerdings noch selten gibt, sind sogenannte Rulebreaker: Menschen, die ausbrechen und entgegen den etablierten Regeln komplett neue Geschäftsmodelle entwickeln. Querdenker eben. Davon gibt es in China wenige. Deswegen bekommen Deutsche häufig auch sofort Angebote. Es gibt dafür ein Abwerbe-Programm für die hellsten Köpfe. Top-Wissenschaftler aus der Top 10 einer Wissenschaftsdisziplin bekommen in Shenzhen, wenn sie ihren Wohnsitz dorthin verlagern, 8 Mio. Yuan Begrüßungsgeld geschenkt, das ist etwas über eine Million Euro. Plus Haus, 200 Quadratmeter, das macht nochmal eine Million Euro. Für einen ambitionierten Startup-Gründer können es immer noch 300.000 Yuan sein. Geschenkt. Das meine ich mit der großen Konsequenz der Chinesen.


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