Investor Philipp Schoeller ist schon lange Venture Capitalist.
Aber noch nie seien die Zeiten für Investoren und Startups so gut gewesen wie heute. Jede, wirklich jede Branche sei im Umbruch. »Hervorragende Zeiten für Investoren!« Alles, was schlecht für das »Establishment« sei, sei gut für Venture Capital, fasst er zusammen.
»Es gibt einen Silicon-Valley-Spruch: Wenn dein Produkt fehlerfrei ist, hast Du es viel zu spät auf den Markt gebracht!«, ergänzt er.
»Done is better than perfect« - diese entspannte Haltung zu Beta-Versionen, das ist ganz und gar nicht die Haltung deutscher Ingenieure. Hier werden 0-Serien gefahren, bevor das erste Auto überhaupt zum Kunden darf. Bei einem Tesla, so Schoeller, entwickle der Kunde quasi mit und nehme sich als Pionier wahr. Für einen VW-Kunden sei das undenkbar.
Vlad Lata, Elektroingenieur und technischer Leiter vom inzwischen vielfach preisgekrönten Startup Konux macht folgende Erfahrung: »Viele trauen sich nicht, ihr komplexes Geschäftsmodell in Fragen zu stellen, sagen ‘es hat so viel Arbeit gemacht, lass es uns noch ein wenig versuchen!«
Ausprobieren sei in Deutschland nicht sehr beliebt, und wenn dann solle die dazu benötigte Software möglichst umsonst sein. »Dabei ist das vor allem in der Industrie gar nicht der Fall, da sind 100.000 Euro gar nichts!« Etwas mehr Mut würde Lata gerne sehen.
Am Ende aber bricht Philipp A. Schoeller eine Lanze für den deutschen Mittelstand.
»Es gibt viel zu tun, aber es wird besser! Ich baue auf den deutschen Mittelstand, vor allem bei Industrie 4.0! Da sitzt viel Technologie, viel Fleiß. Die ganze Welt schaut auf Deutschland und lechzt nach neuen Geschäftsmodellen.« so Schoeller und zitiert den berühmten deutschstämmigen Investor und Trump-Berater Peter Thiel, der sage, Google und Co. jagten im Silicon Valley im Grunde ja doch nur den Werbedollars hinterher. Deutschland hingegen baue ohne viel Marketing-Getöse gerade mit Industrie 4.0 sein neues Fundament für die Industrie und für weiteren langfristigen Erfolg, »damit sind wir an vorderster Front!«.
Also alles gut?
Lin Kayser mag keine Entwarnung geben. »Ich habe mein ganzes Leben in Startups gearbeitet. Gerade wenn es gut läuft, wird man bequem. So wie Arri, den der späte Vorstoß in Richtung Digitalfilm einst fast das Leben gekostet hätte. Heute ist das Unternehmen zwar wieder erfolgreich. »Aber ich habe die Sorge für Deutschland, das wir diese Kurve vielleicht nicht kriegen«, so Kayser.
Auch in den Konzernen sieht Kayser die gewünschte Innovationsfähigkeit nicht. Auch wenn viele auf Corporate Venture Capital setzten. Warum denn nicht, Lin? (auf das »Du« besteht er): »Disruption in großen Konzernen? Da bin ich skeptisch. Da ist zu viel Trägheit vorhanden, die Kultur eine andere, fundamentale Veränderung zu schwierig.«
»Der Mittelstand könnte eine riesige Venture-Quelle sein«, wirbt Investor Schoeller. Doch der denke zu sehr in Hardware, zu linear und sei im Scheitern zu wenig geübt. »Viele Mittelständler sehen die Gefahr nicht, in der sie sind. Das Bestehende muss aber ständig hinterfragt werden! Die 78 Prozent, die keine Gefahr durch Digitalisierung sehen, sind 78 Prozent zu viel.«
Christopher Meyer-Mölleringhof fasst die anstehende Mammut-Aufgabe zusammen: Die erfolgreiche Verzahnung des Mittelstands mit jungen, innovativen Startups werde eines der wichtigsten Projekte der Zukunft werden. Nur so bekämen etablierte Unternehmen den notwendigen Innovationspush und die richtigen Impulse für Digitalisierung. Und auch nur so könne sichergestellt werden, dass Gründerinnen und Gründer mit ausreichend Ressourcen und Kapital ausgestattet werden, um auch im industriellen Umfeld erfolgreich gründen zu können.