Die Fachkräftenachfrage verläuft weiterhin als Berg- und Talfahrt. Zuerst ging es zwei Quartale bergauf, jetzt signifikant bergab. Das zeigt der aktuelle Arbeitsmarkt-Report von Hays. Der Rückgang zeigt sich über alle Berufsgruppen hinweg.
Der Hays-Fachkräfte-Index fällt mit einer Reduktion von 52 Prozentpunkten auf 108 Prozent und unterschreitet damit sogar den Tiefstwert aus dem Vorjahr (Q3/2023: 109 Punkte). Dies ist der niedrigste Wert seit Q3/2021. Während die Fachkräftenachfrage in den letzten beiden Quartalen scheinbar unbeeinflusst von der unsicheren Wirtschaftslage blieb, zeigt die wirtschaftliche Stagnation nun deutliche Auswirkungen auf die Rekrutierung.
Eine deutliche Kehrtwende zeigt sich bei der Nachfrage nach HR-Fachkräften: Die Stellengesuche sinken um 92 Prozentpunkte auf 175 Punkte und fallen damit, verglichen mit anderen Berufsgruppen, besonders stark zurück – auf das Niveau von 2021. Besonders drastisch ist der Rückgang bei den stark vertretenen HR-Business-Partnern (-221 Punkte), den Recruitern (-115 Punkte) und den HR-Managern (-105 Punkte).
Unternehmen zeigen wie in den vergangenen Quartalen eine allgemeine Zurückhaltung bei Stellenausschreibungen, was sich naturgemäß besonders auf die Berufsgruppe der Personaler auswirke, wie Florian Wagner, Bereichsleiter HR Interim & Projects bei Hays, zusammenfasst: "Das Personalwesen legt aktuell einen klaren Fokus auf die Transformation der Organisation. Bisher vorgesehene Planstellen sowie angedachte Projekte wurden im vergangenen Quartal flächendeckend reduziert. Das zeigt sich vor allem am massiven Rückgang der HR-Business-Partner und HR-Manager.“
Für IT-Fachkräfte markiert das zweite Jahresviertel eine erneute Zäsur: Nach Q3/2023 sinkt die Zahl der Stellenausschreibungen erneut unter 100.000 gesuchte Positionen und fällt um 53 Prozentpunkte auf 120 Prozent.
Besonders erstaunlich sei die Entwicklung bei IT-Security-Experten, da die Nachfrage trotz anstehender EU-Regularien um 119 Prozentpunkte gesunken ist – nach einem deutlichen Anstieg im Vorquartal. Dennoch bleibt das Suchvolumen mit 525 Prozent auf einem hohen Niveau. Auch bei Entwicklern von Embedded Services (-84 Punkte), IT-Supportern (-67 Punkte) und IT-Architekten (-64 Punkte) zeigt sich ein merklicher Rückgang. Andreas Sauer, Bereichsleiter Technology bei Hays, erklärt: „Viele Unternehmen haben auf die anhaltend herausfordernde wirtschaftliche Situation mit Umstrukturierungen und Sparmaßnahmen reagiert, denen auch neu geplante Stellen zum Opfer gefallen sind.“
Auch bei den Finanz-Experten zeigen sich die Unternehmen in Q2 zurückhaltender als zuletzt. Verglichen mit anderen Berufsgruppen fällt der Rückgang von 32 Prozentpunkten in diesem Bereich am geringsten aus. Dennoch erreicht das Suchvolumen mit 141 Prozent den dritthöchsten Wert seit Beginn der Erhebung.
Ein gemischtes Bild zeigt sich bei den Positionen: Die Nachfrage nach Tax- und Compliance-Managern, die in Q1 verstärkt gesucht wurden, verzeichnet deutliche Rückgänge (-82 bzw. -71 Punkte). Bei Buchhaltern (-6 Punkte), Risikomanagern (-35 Punkte) und Controllern (-37 Punkte) fällt das Suchvolumen hingegen nur geringfügig. Erich Schwinghammer, Bereichsleiter Finance und HR bei Hays, erläutert: „Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen gibt es im Finanzbereich weniger Rückgang. Das liegt daran, dass das Recruitment von Finanzpositionen weitgehend konjunkturunabhängig verläuft. Was wir allerdings auch feststellen: Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz werden bereits Teile der Aufgabenstellungen im Finanz- und Rechnungswesen übernommen.“
Der Bedarf an Ingenieuren sinkt positionsübergreifend um 47 Prozentpunkte auf 79 Prozent und erreicht damit den niedrigsten Wert seit Q3/2021. Bei den stark vertretenen Berufsgruppen schrumpft die Nachfrage nach Projektingenieuren überdurchschnittlich stark um 65 Prozentpunkte, bei Elektro- und Bauingenieuren liegt sie leicht über (-49 Punkte) bzw. unter dem Mittelwert (-43 Punkte). Chemieingenieure (-11 Punkte) sowie Maschinen-/Anlagenbauingenieure (-16 Punkte) erfahren nur geringe Rückgänge. René Gruner, Bereichsleiter Digital Technology and Engineering bei Hays, erklärt: „Der Rückgang der Nachfrage nach Ingenieuren hat verschiedene Ursachen. Ein wesentlicher Faktor ist die allgemeine wirtschaftliche Unsicherheit, die zu einer Verringerung der Investitionen in neue Projekte führt. Insbesondere der klassische Automotive-Sektor befand sich in den letzten Monaten stark im Abbaumodus.“
Auch bei Sales- und Marketing-Positionen zeigen sich die Unternehmen verhaltener; übergreifend sinkt die Nachfrage um 52 Prozentpunkte auf 81 Prozent. Besonders deutlich reduziert sich die Zahl der Stellengesuche für die im Vorquartal stark nachgefragten Digital-Marketing-Experten. Die Nachfrage nach Social-Media-Managern sinkt um 227 Punkte und nach Content-Managern um 170 Punkte.
Trotz des Rückgangs zeigen die Prozentwerte (630 bzw. 386 Punkte), dass bei diesen Positionen in den letzten drei Jahren eine enorme Steigerung des Suchvolumens verzeichnet wurde. Die großen Berufsgruppen wie Vertriebsmitarbeiter (-47 Punkte), Vertriebs-/Sales-Manager (-48 Punkte) sowie Key-Account-Manager (-36 Punkte) weisen hingegen unterdurchschnittliche Rückgänge auf.
Nach dem Allzeithoch im ersten Quartal erlebt die Nachfrage nach Juristen einen deutlichen Dämpfer und verzeichnet mit -71 Prozentpunkten den zweitgrößten Rückgang im Index. Besonders bei Juristen für Datenschutz und Senior-Juristen sind deutlich weniger Stellen ausgeschrieben (-330 bzw. -218 Punkte). Auch der Bedarf an Spezialisten im Life-Science-Bereich (-63 Punkte) hat merklich nachgelassen. Besonders stark trifft es die Data-Scientists, die nach einem Anstieg im Vorquartal nun um 286 Punkte zurückfallen, gefolgt von Qualitätsmanagern (-85 Punkte).
Über alle Industrien hinweg zeigt sich ein Rückgang der Nachfrage. Besonders deutlich sind diese im Baugewerbe (-64 Punkte), im Bereich Dienstleistungen für Unternehmen (-61 Punkte) sowie im Handel (-56 Punkte). Trotz dieser Rückgänge bleibt das Suchvolumen im Bereich der Öffentlichen Verwaltung (+247 Punkte) und des Baugewerbes (+227 Punkte) überdurchschnittlich hoch, verglichen mit dem Gesamtindex.
Alexander Heise, Hays CEO Deutschland und CEMEA, ordnet die aktuelle Entwicklung ein: „Im Gegensatz zum vorherigen Quartal zeigt sich deutlich, wie stark Unternehmen ihre Investitionen zurückhalten. Viele fokussieren sich auf die technologische und organisatorische Transformation mit vorhandenen Ressourcen. Dabei ist es jetzt wichtig, bisher ungenutzte Beschäftigungsoptionen am Markt zu nutzen, um Potenziale zu heben und wettbewerbsfähig zu bleiben: Hochqualifizierte Bewerbende steigern die Produktivität, flexible Arbeitsmodelle fördern die Vereinbarkeit von Karriere und Familie und vermeiden soziale Ungleichheit.“
In den Hays-Fachkräfte-Index werden für die quartalsweise Auswertung Stellenanzeigen der meistfrequentierten Online-Jobbörsen, Tageszeitungen sowie des Business-Netzwerks Xing herangezogen. Er zeigt die prozentuale Veränderung zum Ausgangswert vom 1. Quartal 2015 an.