Wie gehe ich mit einem Nein um?
Fragen Sie nach. Stellen Sie fest, um was für ein »Nein« es sich handelt, ein informatives oder ein vertröstendes? Selbst beim informativen Nein können Sie noch etwas aushandeln, etwa Weiterbildung, geldwerte Vorteile, Arbeitszeitreduzierung. Wenn Ihr Chef Sie abwürgt, fragen Sie nach, warum. Lassen Sie sich nicht einschüchtern, fokussieren Sie sich auf den Inhalt des Gesagten. Und keine Angst vor Machtmenschen, die wollen Gegner, keine Opfer. Nehmen Sie ein Nein auch niemals persönlich. Handelt es sich um einen entscheidungsschwachen Chef, der sein eigenes Budget noch verhandeln muss, steckt meist ein Vertröstungs-Nein dahinter.
Unterscheiden sich Ingenieure von anderen Angestellten, wenn es um Gehaltsverhandlungen geht?
Das Stereotyp »Ingenieur« denkt und handelt in der Regel strukturiert und lösungsorientiert und argumentiert gewöhnlich vor allem auf der inhaltlichen Ebene nach dem Motto »0« oder »1«. Solche Persönlichkeitstypen erkennen häufig die Beziehungsebene nicht, auf der sich z.B. Machtspiele oder auch Ironie abspielen. Ingenieurtypische Menschen haben aber damit auch Vorteile: Sie gehen das Thema strukturiert und lösungsorientiert an, sobald sie erkannt haben, wo der Fehler liegt – und haben ab dem Zeitpunkt einen Vorteil.
Aber wird ein Vorgesetzter nicht in jedem Fall mehr Übung im Abschmettern von Gehaltsforderungen haben als ich?
Im Abschmettern vielleicht, ja. Aber nicht im Argumentieren. Man darf den Chef auch nicht als Feindbild abstempeln. Er fühlt sich in der Situation auch meist unwohl, es sei denn, er ist so gestrickt, dass er das Machtspiel genießt. Es geht nur miteinander! Führt Ihr Chef 20 Mitarbeiter und hat somit rund 20 Gespräche im Jahr, dann üben Sie einfach mindestens 21-mal, um locker auf Augenhöhe zu kommen.
Wie reagiert man auf rüdes Abweisen?
Versachlichen, das ist immer das allerbeste. Den Wind dadurch aus den Segeln nehmen. Nicht ins Plappern geraten. Gerade Ingenieure neigen dazu, alle inhaltlichen Argumente vollständig anbringen zu wollen, und reden sich dabei um Kopf und Kragen. Atmen! Die Frage hören, hinhören, aktiv zuhören und nur auf die Frage eingehen! Mehr nicht. Natürlich – wie soll es anders sein – gehört auch dazu jede Menge Übung.
Sie unterscheiden vier Persönlichkeitstypen. Ist das nicht schwierig für einen psychologischen Laien?
Ja, das ist natürlich schwierig. Aber auch das kann man üben, im Café, im Unternehmen. Versuchen, die Leute nach Persönlichkeitsmerkmalen einzuteilen, auch Mischtypen zu identifizieren. Machtmenschen kämpfen gerne bis zum bitteren Ende. Aber auch ich kann einen Korb geben und auf Augenhöhe rausgehen.
Gibt es Typen, die zahlenmäßig dominieren?
Mischformen sind weit verbreitet. Und es hängt von der Situation ab, welche Seite man herauskehrt. Nicht jeder Chef ist automatisch ein Machtmensch, der von Haus aus dominieren will. Gerade im Mittelstand und auf der zweiten Führungsebene dominieren Sachorientierte und Beziehungstypen, die nach dem DISG-System als blau oder grün einzuordnen sind. In Konzernen wiederum ist Gehaltsverhandlung meist eine Gehaltsverkündung! Mein Chef verhandelt für mich, er selbst darf oft nicht entscheiden. In solchen Fällen ist es gut, rechtzeitig zu beginnen und meinen Chef mit Argumenten zu präparieren. In Konzernen sind oft im März und April die Gehaltsgespräche, dann sollte ich ab Oktober meine Leistungen und Erwartungen platzieren.
Wie häufig darf man sich denn um eine Gehaltserhöhung bemühen? Einmal pro Jahr?
Immer wenn ich etwas Positives für das Unternehmen erreiche, ein klarer Nutzen für das Unternehmen entsteht: Prozess optimiert, Fehler gefunden, Kunde zufrieden. Ansonsten pauschal einmal im Jahr. Im Konzern lieber alle zwei Jahre, dafür gleich ein größerer Batzen.
Kann man auch überreizen?
Klar können Sie mit einer Forderung überreizen. Und allerschlimmstenfalls werden Sie sie auch erfüllt bekommen. Vorsicht! Wenn Sie Konsequenzen androhen, sollten Sie bereit sein, sie am Ende auch durchzuführen. Es gibt eine Schmerzgrenze. Nach dreimal Nein brauchen Sie ein viertes Mal nicht mehr verhandeln, dann sollten Sie gehen.
Das Gespräch führte Corinne Schindlbeck