KI und Personal

»Am Ende sollte immer noch ein Mensch entscheiden« 

12. September 2023, 13:04 Uhr | Corinne Schindlbeck
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Perfekte Stellenanzeigen schreiben, Karriereseiten verbessern, Fachkräfte finden – KI verspricht, HR-Abteilungen effizienter zu machen. Wie können Personalverantwortliche und Bewerber KI heute schon nutzen? Interview mit Mona Khalil, Data Science Manager beim HR-Software-Anbieter Greenhouse.

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Mona Khalil, Data Science Manager beim HR-Software-Anbieter Greenhouse. "Es ist wichtig, dass KI in einer verantwortungsbewussten und transparenten Weise eingesetzt wird, um faire und inklusive Einstellungsprozesse zu gewährleisten."
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Markt&Technik: Frau Khalil, welche nützlichen KI-Tools gibt es bereits heute für Personalabteilungen? 

Mona Khalil: KI-Tools gibt es im Prinzip für jeden Bereich des Recruiting, sei es zur textlichen Unterstützung von Stellenanzeigen, der Aussendung von online gebuchten Anzeigen über das Sondieren der eingegangenen Bewerbungen als Bestandteil von ATS-Software (Applicant-Tracking-System, Bewerbermanagementsystem, Anm. d. Red.) bis hin zum Onboarding von neuen Mitarbeitenden.

KI kann in der kompletten Recruiting-Journey eingesetzt werden. Sie bietet immer dann einen Vorteil, wenn sie als Vorschlag für eine mögliche Entscheidung herangezogen wird, sollte aber niemals eine Entscheidung vorwegnehmen. Merke: Ein KI-unterstützter Einstellungsprozess ist immer dann gut, wenn dieser Prozess auch ohne die Unterstützung von Technologie bzw. Software strukturiert und unvoreingenommen funktioniert hätte.

Denn KI-gestützte Prozesse sind leider nicht resistent gegen Vorurteile und -annahmen, die aus dem Prozess heraus resultieren können. HR-Verantwortliche müssen sich dieser Gefahr bewusst sein, um sie zu minimieren.

Dann wird es spätestens bei der Personalauswahl kritisch? 

KI lernt durch wiederkehrende Prozesse, und wenn diese Prozesse nicht infrage gestellt werden, replizieren sich diese immer weiter. Das kann im Einstellungsprozess verheerend sein, etwa wenn die KI Bewerberinnen und Bewerber als weniger geeignet bewertet, weil sie falsche Parameter heranzieht, die gar nicht im Zusammenhang mit Befähigung oder Motivation stehen. Wenn Recruiter dafür jedoch sensibilisiert sind und nicht nur in den Einsatz von KI, sondern auch in entsprechende Schulung mit dessen Umgang investiert wird, dann können KI-gestützte Tools insgesamt zeit- und ressourcensparend eingesetzt werden.

Können auch Bewerber KI sinnvoll nutzen? Etwa um ihre Chancen gegenüber Mitbewerbern zu verbessern? 

Jedes Tool, das beispielsweise Wissen zum Unternehmen einfacher zugänglich macht oder auch den Selektionsprozess für potenzielle Arbeitgeber erleichtert, kann auch für Bewerber hilfreich sein.

Es gibt Tools, die den eigenen Lebenslauf mit den Anforderungen der Stellenanzeige so abgleichen, dass beispielsweise relevante Schlüsselwörter enthalten sind, die wiederum beim Unternehmen auch als wichtiger Faktor beim Scan durch das ATS benutzt werden. Freilich nur dann, wenn die Mitbewerber das Tool nicht auch nutzen.

KI-gestützte Bewerbungen bieten nicht immer und automatisch einen Vorteil. Denn wo Menschen arbeiten oder arbeiten möchten, werden auch immer menschliche Entscheidungen getroffen.

Lassen sich auch Bewerbungsunterlagen mit KI optimieren?  

Wenn man ein selbstlernendes Übersetzungs-Tool oder auch Rechtschreibkorrektur mit eingesetzter KI bereits als KI-Tool verstehen will, dann lohnt sich das in jedem Fall.

Darüber hinaus gibt es auch Tools, die die Merkmale der Stellenausschreibung mit dem Lebenslauf abgleichen und daraus ein entsprechendes Anschreiben erstellen. Wichtig ist, dass die HR-Verantwortlichen auf Unternehmensseite mit solchen Tools vertraut sind, fortlaufend weitergebildet werden und solches Wissen dann in dem Bewerbungsprozess Berücksichtigung findet. 

Was bietet KI für Employer-Branding, also sein Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren? 

KI kann beispielsweise dafür genutzt werden, die Stellenausschreibung rhetorisch zu optimieren und auch auf unterschiedlichen Kanälen auszuspielen. Auch personalisierte Inhalte und Informationen für potenzielle Bewerber können mithilfe von KI erstellt werden. KI kann aber auch große Mengen von Daten analysieren, um Erkenntnisse über das Verhalten von Bewerbern, die Wahrnehmung des Unternehmens als Arbeitgeber und die Wirksamkeit von Employer-Branding-Strategien zu gewinnen. Mit diesen Erkenntnissen können Unternehmen dann ihre Ansätze zur Mitarbeitergewinnung und -bindung besser ausrichten.

Hilft KI dabei, potenzielle Mitarbeiter im Netz zu finden? 

KI kann repetitive Aufgaben automatisieren und beschleunigen, wie etwa das Durchsuchen von Lebensläufen und Profilen in Jobportalen und sozialen Netzwerken. Dadurch können Recruiter Zeit sparen. KI kann auch die Profildaten von Kandidatinnen und Kandidaten mit den Anforderungen der Stellenangebote abgleichen, um potenziell passende zu identifizieren.

Auch bei der Kommunikation mit ihnen kann KI helfen, etwa indem sie beim Erstellen von Nachrichten unterstützt oder einfache Fragen beantwortet. Hier zeigen sich aber auch bereits die Grenzen für KI in Prozessen. Ab dem Zeitpunkt, wo es persönlicher wird, sollte anstelle von KI ein realer Gesprächspartner stehen. 

Welche Rolle spielt bei all dem Datenschutz, welche Regulierungen erwarten Sie? 

KI-Systeme greifen oft auf große Mengen von personenbezogenen Daten zu, um effektiv zu arbeiten. Unternehmen müssen sicherstellen, dass diese Daten angemessen geschützt und rechtmäßig verwendet werden. Datenschutzrichtlinien wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in der Europäischen Union legen klare Regeln fest, wie personenbezogene Daten gesammelt und verarbeitet werden dürfen.

Es ist wichtig, dass KI in einer verantwortungsbewussten und transparenten Weise eingesetzt wird, um faire und inklusive Einstellungsprozesse zu gewährleisten. In Summe wird KI die Personalarbeit wieder menschlicher machen, weil zahlreiche operative Aufgaben durch die KI übernommen werden können und der zuständige HR-Mitarbeitende wieder mehr Zeit für die Interaktion mit Bewerberinnen und Bewerbern haben wird.

Und für die Verbesserung der gesamten Prozesse. KI schafft Ressourcen, anstatt sie zu binden. KI wird aus der HR künftig nicht mehr wegzudenken sein, sei es bei der Rekrutierung und dem Bewerbermanagement, der Personalentwicklung und Weiterbildung, der Mitarbeiterbindung, der internen Kommunikation und dem Mitarbeitenden-Support wie auch allgemein der Arbeitsplatzgestaltung.
 

 


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