Sie sind ja öfter in China unterwegs. Worin unterscheiden sich die Ingenieure hier zu denen in Deutschland?
Ohne das zu dramatisieren: Ja, es gibt eine kulturelle Divergenz. Bei einem Kundenbesuch in Deutschland spielt es kaum eine Rolle, wer spricht – solange die Qualifikation gegeben ist. Trete ich persönlich an, dann nimmt man mich als den Modulexperten von Infineon wahr. Ich habe ein gewisses Alter erreicht, bin zehn Jahre dabei; da spricht man mir in der Regel eine gewisse Kompetenz zu.
Asiatische Kunden hingegen nehmen den Besucher beim ersten Mal nur wahr, beim zweiten kennen sie ihn dann schon. Erst beim dritten Mal fangen sie an, wirklich mit ihm zu reden. Ich habe einige asiatische Unternehmen sogar schon fünf Mal besucht, aber Interaktion findet trotzdem nur sehr verhalten statt. Es wird sehr zurückhaltend gefragt, in großen Gruppen so gut wie gar nicht. Hier scheint noch die Vorstellung vorzuherrschen, Fragen beweisen, dass der Fragesteller eine Wissenslücke hat. In Deutschland ist das ganz anders. Dort sagt man sich: Hier ist jemanden mit Expertise; den frage ich, weil ich’s wissen will. In Asien dagegen muss man zu dem Ingenieur erst ein persönliches Verhältnis aufbauen, ihn also immer und immer wieder besuchen. Hat man das geschafft, kann man auf technische Details eingehen. Bei einem deutschen Kollegen werde ich schon beim ersten Besuch gleich mit Detailfragen konfrontiert. Aber nach einer Dienstreise in Asien passiert es immer wieder, dass ich in meinem Postfach eine E-Mail vorfinde, in der man sich für den Besuch bedankt und dann noch eine Frage nachschiebt. So wächst das persönliche Verhältnis, und der Fragesteller weiß dann, mit wem er reden kann und vor allem darf.
Chinesische Kollegen, die im westlichen Ausland studiert haben, sind im Vergleich ähnlich veranlagt wie wir. Ich glaube allerdings, dass dieser beschriebene Unterschied sich nicht mehr lange halten wird. Denn das alte Prinzip »Kaufen und dann kopieren« gehört in China inzwischen weitgehend der Vergangenheit an. Das macht es erforderlich, sich Know-how auch durch gezielte Fragen anzueignen.
Ist die PCIM Asia vergleichbar mit der PCIM Europe?
Ich denke, da wären wir bei einem Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Schon allein bei der Besucherzahl gibt es erhebliche Unterschieden; im Mai waren es in Nürnberg mehr als 10.000 Besucher, hier sind es geschätzt gut die Hälfte. Man sieht auch an der Präsenz der Hersteller, die Messe hier hat einen ganz anderen Stellenwert. Dies hier ist eher ein »Meet & Greet« für die lokalen chinesischen Organisationen, es geht um das Thema »Local Business China«.
Neben der Anzahl der Besucher sieht man schon an der Größe der Stände und den Konferenzbeiträgen, dass die PCIM Asia einen anderen Stellenwert hat als die PCIM Europe.
Das soll aber keine qualitative Wertung sein. Die PCIM Asia ist gut und richtig für den chinesischen Markt. Unternehmen, die als Lieferanten in China ernst genommen werden wollen, müssen hier präsent sein. Anders sieht es aber aus Sicht der Besucher aus. Hier ist die vorherrschende Meinung selbst unter Asiaten: Wenn ich als Besucher auf der PCIM Europe war, brauche ich nicht auch noch unbedingt nach Shanghai.
Viele Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ralf Higgelke.