Der Vortrag, den Sie hier auf der PCIM Asia halten, dreht sich um Herausforderungen für Leistungshalbleiter bei Heavy-Duty-Anwendungen. Was sind das für Herausforderungen?
Ein Pkw ist für eine Betriebsdauer von etwa 8000 Stunden ausgelegt. Das klingt nicht viel, reicht aber für zwanzig Jahre aus. Denn im weltweiten Durchschnitt fährt ein Pkw gerade mal eine Stunde pro Tag. Bei Minenfahrzeugen und Bussen sieht die Sache ganz anders aus. Damit ein Bus Geld erwirtschaftet, muss er 10 bis 15 Stunden am Tag laufen. Damit kommt er auf 3000 bis 5000 Stunden pro Jahr – ein ganzes Pkw-Leben in zwei Jahren! Die Erwartungshaltung aber ist, dass die Leistungselektronik in solchen Fahrzeugen ebenfalls etwa 15 bis 20 Jahre hält – und zwar wartungsfrei.
Bei Leistungshalbleitern ist die Zahl an thermischen Zyklen der lebensbegrenzende Parameter. Wenn Sie sich nun überlegen, dass ein Bus an jeder Haltestelle abbremsen und wieder beschleunigen muss, dann sind das gleich zwei thermische Zyklen pro Haltestelle. Und dann kommt noch das Abbremsen und Beschleunigen an Ampeln hinzu. Die Anzahl thermischer Zyklen, welche die Elektronik aushalten muss, ist also sehr hoch. Für einen Halbleiterhersteller wie Infineon ist das eine Herausforderung.
Und wie schafft es Infineon, Bausteine herzustellen, die so viele thermische Zyklen klaglos überstehen?
Ein Leistungsmodul hat einen stapelförmigen Aufbau; ganz unten die Bodenplatte aus Kupfer, darauf ist über Trägersubstrat – die DCB – der eigentliche Halbleiterschalter aufgelötet, und ganz oben kommen dann noch die Bonddrähte. Infineon hat vor kurzem die Aufbau- und Verbindungstechnik .XT in Verbindung mit der neuen IGBT5-Generation herausgebracht. Dort haben wir das herkömmliche Weichlöten des IGBTs auf die DCB durch einen Sinterprozess ersetzt, der bekanntermaßen deutlich zuverlässiger ist. Außerdem nutzen wir an der Chipoberfläche nicht mehr Aluminium als Beschichtungsmaterial, sondern Kupfer. Somit gibt es in Verbindung mit den Kupfer-Bonddrähten keine thermischen Fehlanpassungen mehr. Auch das wirkt sich positiv auf die Zyklenfestigkeit aus. Durch Messungen an den Aufbauten konnten wir nachweisen, dass sich dadurch die Lebensdauer gegenüber Modulen mit der herkömmlichen Aufbau- und Verbindungstechnik verzehnfacht.
Dieses Mehr an Zuverlässigkeit, kann der Kunde nun in zwei Richtungen nutzen: entweder in Richtung höhere Lebensdauer oder in Richtung höhere Leistung. Natürlich kann er auch in beide gehen, dann aber muss er natürlich den richtigen Kompromiss finden.
Ist für Sie in Ihrem Bereich das Thema Siliziumkarbid schon aktuell oder liegt das noch in der Zukunft?
Siliziumkarbid ist auf jeden Fall ein Thema, das diskutiert wird. Besonders bei batteriebetriebenen Fahrzeugen ist die Effizienz von herausragender Bedeutung, denn dieser Parameter ist mit ausschlaggebend dafür, wie weit man bei gegebener Batterieladung mit dem Fahrzeug kommt. Aber Effizienz um jeden Preis ist natürlich auch nicht richtig. Es gilt, auch die Zuverlässigkeit und die Kosten im Auge zu behalten. Es müssen alle drei Faktoren passen. Das wird bei Siliziumkarbid sicher früher oder später der Fall sein. Bei Solarumrichtern, Batterieladegeräten und unterbrechungsfreien Stromversorgungen ist das schon heute so, bei CAV-Anwendungen steht SiC derzeit in der Bewertungsphase. SiC wird in nächster Zeit in mehr und mehr Applikationen und Bereichen einen festen Platz erobern.
Silizium ist ebenfalls noch nicht am Ende seiner Entwicklung. Wie sehen Sie das?
Die heutigen Siliziumschalter weiterzuentwickeln ist eine echte Herausforderung. Wir haben, wie bereits erwähnt, kürzlich den IGBT5 mit .XT herausgebracht. Auch wenn wir mit Recht behaupten können, er sei effizienter als die Vorgängergeneration IGBT4, liegt der große Wurf dort in der Erhöhung der Lebensdauer und der Zuverlässigkeit durch die neue Aufbau- und Verbindungstechnik .XT.
Die Entwicklungskurve des IGBT ist sehr weit fortgeschritten. Und betrachtet man den einzelnen Schalter, dann sind wir bei Wirkungsgraden jenseits der 99 Prozent – besonders im Hochleistungsbereich. Dort mit viel Entwicklungsaufwand und Geld noch um Zehntelprozentpunkte kämpfen zu wollen wird schwierig. Deshalb muss die faire Frage gestellt werden, ob sich diese Investitionen in Millionenhöhe wirklich lohnen, oder ob es nicht besser ist, in die Entwicklung neuer Materialien wie Siliziumkarbid zu investieren. Auch in dessen Weiterentwicklung: zum Beispiel in Richtung höherer Sperrspannungen. Infineon ist kürzlich mit 1200-Volt-MOSFETs aus Siliziumkarbid angetreten, aber prinzipiell eignet sich dieses Material auch für höhere Sperrspannungen. Ich bin ebenfalls so gespannt wie Sie, was da noch kommen wird. Wenn Sie zu SiC mehr wissen wollen, fragen Sie Herrn Dr. Peter Friedrichs, Senior Director bei Infineon für dieses Thema. Auch er ist aber nicht gefeit vor Neuerungen beim Silizium.