Im Moment zeichnet sich sogar die Möglichkeit ab, dass mit staatlicher Unterstützung in Wales eine Pure-Play Foundry für Verbundhalbleiter-Komponenten gebaut wird, ein Projekt, das ganz im Sinne von Lemos wäre. Denn eine solche Foundry würde das Ecosystem rund um den britischen Compound Semiconductor Cluster in Wales mit Firmen wie IQE, Porotech und den Universitäten in Cardiff und Swansea aufs Schönste ergänzen. Dann müsste IQE auch die in Newport hergestellten Wafer nicht ausschließlich exportieren, sondern könnte die neue Foundry vor der Tür beliefern. Doch das hätte seinen Preis: 1 Mrd. Pfund sollten es schon sein. Doch wäre laut Lemos ein solches Vorhaben weit kostengünstiger, als eine Infrastruktur für Silizium aufzubauen – und das auf einem Markt, in dem der Cluster in Wales technologisch die Nase vorne und der das große Wachstum noch vor sich habe. Eine solche Foundry könnte IQE gänzlich oder zum Teil gehören – vorausgesetzt, die Staatsmittel flössen in ausreichendem Maße, denn eine unterfinanzierte Foundry zu bauen wäre kontraproduktiv. Für ihn jedenfalls liegt auf der Hand, dass eine solche Gelegenheit auf jeden Fall ergriffen werden sollte, je schneller desto besser.
Damit wird etwas klarer, warum der CEO von IQE, die 700 Mitarbeiter beschäftigt und im vergangenen Jahr 145 Mio. Dollar umgesetzt hat, den Vergleich mit TSMC wagt, die fast 20 Mrd. Dollar in den Bau einer einzigen neuen Fab investiert: »Unsere Kunden werden keine eigene Epitaxie mehr benötigen, IQE würde auf dem Gebiet der Verbundhalbleiter das, was TSMC auf dem Gebiet der Silizium-Wafer ist.«
Den Zyklen entgehen
Dabei sei entscheidend, dass IQE – ähnlich wie TSMC – nicht von dem Erfolg einzelner Kunden abhängt, sondern die Chip-Hersteller weltweit beliefert, die ihrerseits wieder miteinander in Wettbewerb stehen und eine breite Vielfalt von Märkten mit ihren unterschiedlichen Produkten anvisieren. »Wir können mit dem Gesamtmarkt wachsen, und der wird sich, wie schon angedeutet, sehr schnell in Richtung Mainstream entwickeln«, freut sich Lemos. »Mit unserer diversifizierten Kundenbasis sind wir insgesamt den Zyklen weniger stark unterworfen.« Er muss es wissen, denn als ehemaliger Manager bei Unternehmen wie Qualcomm, Intel, Texas Instruments und zuletzt GlobalFoundries kennt er die Branche sehr genau, die IQE das angestrebte Wachstum bescheren soll.
Ein Eckstein seiner Strategie ist es, Partnerschaften mit Kunden abzuschließen. Dazu gehören Foundries wie GlobalFoundries genauso wie IDMs. »Gerade die seit 2021 bestehende Zusammenarbeit mit GlobalFoundries auf dem Gebiet der HF-Produkte ist für uns sehr wichtig, weil wir gemeinsam Synergien heben können und uns das Feedback von GlobalFoundries wesentliche Anstöße zur Verbesserung unserer Prozesse und Technologien gibt. Weil das Marktwissen von GlobaFoundries ebenfalls einfließt, können wir unsere Roadmap damit entscheidend verbessern.«
Partnerschaften sind der Schlüssel
Wohin er in Zukunft will, zeigt die erst kürzlich erweiterte Partnerschaft mit Lumentum. Die Vereinbarung sieht vor, dass IQE der bevorzugte Lieferant für Epitaxie-Wafer wird, die die Basis für die VCSEL-Fertigung sind und in Lidar-Systemen von Autos Einsatz finden. Lumentum produziert unterschiedliche optische Komponenten für 3D-Sensorik, Lidar und optische Netzwerke. »Die Partnerschaft mit Lumentum ist Teil unserer Strategie, Kundenbeziehungen zu stärken und langfristige Verträge zur Sicherung der Wafer-Versorgung abzuschließen«, sagt Lemos.
Das hatte er auch im Mai dieses Jahres mit der britischen Porotech erreicht, ein Pionier auf dem Gebieten der µLEDs und der GaN-basierten Halbleitertechnologien. Sie erlaubt es, auf 200- und 300-mm-Wafer µLEDs zu fertigen, die rotes, gelbes und blaues Licht erzeugen können. Das Ziel der Partnerschaft besteht darin, die einzigartige Technologie von Porotech marktreif zu machen. Dazu stellt IQE die eigene GaN-MOCVD-Kapazität (Metall Organic Chemical Vapour Deposition) zur Verfügung und übernimmt die Rolle der Epi-Wafer Foundry für Porotech. Zehn der MOCVD-Anlagen arbeiten derzeit in der Fab in Newport; Platz wäre dort für mindestens 100. Beide Partner wollen jetzt 200-mm-Wafer-Linien aufbauen.
Laut Porotech können mithilfe der »PoroGaN«-Plattform alle sichtbaren Wellenlängen auf Basis von InGaN erzeugt werden. Diese Fähigkeit werde der Fertigung von voll farbfähigen µLED- und Mini-LED-Bildschirmen für den Einsatz in AR/VR-Brillen erst ermöglichen. Das hatte dem Unternehmen im Mai den »Innovation Zone Award Best Prototype Category« auf der diesjährigen Display Week in San Jose für seine »Dynamic Pixel Tuning«-Technik eingebracht, was Lemos in seiner optimistischen Einschätzung für diesen Marktsektor bestärkt: »µLEDs haben das Potenzial, den heutigen Display-Markt mit einem Umsatz von 140 Mrd. Dollar kräftig durcheinanderzuwirbeln.«
Das Ziel von IQE besteht darin, weitere Partnerschaften nach diesem Muster zu etablieren, um damit die eigenen Technologien zu verbessern und die Preise für III-V-Substrate weiter zu reduzieren: »Solche Innovationen werden den µLEDs zum endgültigen Durchbruch verhelfen.«