Eine Ionenfalle alleine macht selbstverständlich noch keinen Quantencomputer aus. Die entsprechenden Laser müssen dazukommen, die Steuerelektronik, die Kryo-Hardware, die Software-Stacks und der Anschluss an die Cloud, sodass die Anwender mit der neuen Technik spielen können, um sich schon einmal mit Quantencomputern vertraut zu machen. Das übernehmen die Hersteller von Quantencomputern, die auf Basis der Ionenfallen funktionieren. »Wir arbeiten mit praktisch allen zusammen«, so Kuncic.
Mit einem führenden dieser Hersteller, Oxford Ionics, hat Infineon jetzt eine umfangreiche Vereinbarung getroffen. Ziel ist es, bis in fünf Jahren eine Quantum Processor Unit zu realisieren, zu der Infineon die Ionenfalle und Oxford Ionics die eigene elektronische Qubit-Steuerung (EQC) beiträgt. Vollintegrierte Versionen mit ausreichend hoher Leistung zur Skalierung auf Hunderte von Qubits sollen in weniger als zwei Jahren verfügbar sein. »Die Rolle von Infineon ist es, die bahnbrechende Arbeit von Oxford Ionics so zu skalieren, dass relevante Qubit-Zahlen und niedrige Fehlerraten erreicht werden«, sagt Schächer.
Vor allem aber entscheidend ist Schächers Meinung nach, dass die Probleme, die nun auf dem Pfad zum Ionenfallen-Rechner zu lösen sind, keine rein wissenschaftlichen mehr sind, sondern typische Ingenieurprobleme: »Was wir machen, hat nichts mehr mit händischer Laborarbeit zu tun. Jetzt geht es um die Skalierung, die wir Oxford Ionics ermöglichen. Die dafür erforderlichen Engineering-Probleme zu lösen, ist unsere Spezialität als Halbleiterhersteller.«
Die wesentliche Aufgabe bestehe jetzt auch darin, die Integration weiter voranzutreiben. Dazu ist der bereits erwähnte Übergang zu höheren Einschlusstiefen nur eine Maßnahme unter vielen. Der nächste logische Schritt bestünde darin, die optischen Elemente zum Auslesen ebenfalls auf dem Chip zu integrieren. Die Leitung des Lichts wird in Zukunft auch auf dem Chip geschehen. Um die photonischen Elemente zu integrieren, werden ähnliche Prozesse verwendet, wie sie von photonischen ICs bekannt sind; »im Detail unterscheiden sie sich jedoch«, so Schächer. Ein weiterer großer Integrationsschritt wäre es, die elektronische Ansteuerung für das Shuttling ebenfalls auf dem Chip zu integrieren.
Doch auch auf der Ebene der Materialwissenschaft gibt es noch einige Luft nach oben. So kommt es beispielsweise auf die sogenannte Heizrate der Ionenfalle an, die möglichst gering sein sollte, damit die Ionen in der Falle nicht zu schnell Bewegungsenergie aufsammeln. Je besser das funktioniert, umso besser wird die Gate-Fidelity (Gattergüte) ausfallen. In diesem Bereich untersucht Infineon nicht nur Silizium, sondern auch andere Materialien. Diese bringen aber teilweise ein typisches Ingenieurproblem, auf das Schächer aufmerksam macht: »Die Materialien sind dann teilweise so transparent, dass die Produktions-Tools sie gar nicht mehr erkennen. Da musste sich unser Team im Schulterschluss mit der Fertigung erstmal eine Lösung einfallen lassen.«
Dass die Ionenfallen-Kompetenz bei der DC/DC-Abteilung von Infineon entwickelt wird, sieht Kuncic noch aus einem anderen Grund als ausgesprochen vorteilhaft an: »Wir sind weltweit führend im Markt der Stromversorgungen in Datenzentren bis hinunter auf das Server-Board. Deshalb haben wir den Kundenzugang, was für die Kommerzialisierung der Quantencomputer von großem Vorteil sein kann.«
Denn die Kommerzialisierung ist das eigentliche Ziel der Anstrengungen. Die Vision: ein Quantencomputer, der nicht größer als ein Umzugskarton ist und den die Betreiber von Datenzentren einfach in ein Server-Rack einschieben, ähnlich wie heutige KI-Beschleuniger.
»Deshalb sind die Partnerschaften mit Universitäten und Forschungsinstituten, Start-ups und Industrieunternehmen so wichtig«, so Kuncic. Die jüngst abgeschlossene Kooperation mit Oxford Ionics sei dafür ein gutes Beispiel. Denn dass in Europa und Deutschland tolle Techniken erfunden würden, die Industrialisierung dann aber in anderen Weltregionen stattfinde, dürfe sich nicht wiederholen. »Unser ambitioniertes Ziel ist es, den ersten sinnvollen Quantencomputer der Welt zu installieren und zu betreiben – auf Basis von Ionenfallen und in Europa. Nur so können wir wettbewerbsfähig bleiben«, so das Fazit von Richard Kuncic