Interview mit Harald Kröger, SiMa.ai

Die richtige KI für automatisiertes Fahren

1. Februar 2024, 13:34 Uhr | Heinz Arnold
Harald Kröger, Sima.ai: »Wir haben den besten KI-Chip von Nvidia mit Abstand zweimal geschlagen und wir erreichen eine um mindestens den Faktor 10 bessere Performance pro Watt als alles, was es derzeit auf dem Markt gibt.«
© SiMa.ai

KI und ML sehr einfach ohne Spezialwissen in die Edge zu bringen – dieser Ansatz des Startups Sima.ai hat Auto-Experte Harald Krüger begeistert. Im Interview erklärt er, warum Sima künftig beim autonomen Fahren ein gewichtiges Wort mitsprechen wird.

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Markt&Technik: Sie sind seit einem Jahr Präsident des Automotive-Bereichs und Global Leader Sales von Sima.ai, einem Unternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, eine durchgängige KI-Umgebung zu schaffen, von der Software bis zu den darauf optimierten KI-Chips, ein bisher einzigartiger Ansatz, wie Sima.ai behauptet. Was ist das Besondre daran?

Harald Kröger, Mitglied des Aufsichtsrats und President Automotive Business von SiMa.ai: Wir sehen uns als Solution-Architects, wir schmeißen den Interessenten nicht einfach einen KI-Chip über den Zaun und sie müssen sehen, wie sie sich damit zurechtfinden und wo sie die entsprechende Software für ihren jeweiligen Anwendungsfall herbekommen, um ihn erfolgreich in die Realität umsetzen zu können. Die meisten Interessenten haben bisher ja nicht sehr viel Erfahrung auf dem Gebiet der KI in der Industrie gemacht, wie wir immer wieder feststellen. Wir sind also mit unseren Entwicklungsteams in erster Linie Berater, liefern aber auch die gesamte erforderliche Software, die wir auf die Anwendungsfälle anpassen. Vor allem haben wir auch den darauf optimierten KI-Chip in Silizium realisiert – beides, Hard- und Software, müssen Hand in Hand gehen. Das Ergebnis: Mit unserer »Palette«- und »Palette Edgematic«-Software können die Anwender ihre KI-Systeme auf ein breites Spektrum an hochspezialisierten Anwendungen in Edge-Geräten einfach anpassen, testen und optimieren. Modelle und ganze Computer-Vision-Systeme lassen sich so in Minuten statt wie bisher in Monaten erstellen. Dann können die Anwender sie auf den Entwicklungs- und Production-Boards von SiMa.ai installieren und ausführen.

Sima.ai ist also überzeugt davon, dass Software und Hardware aufeinander abgestimmt sein müssen, um wirklich die Performance-Vorteile bringen zu können, die die Installation eines KI-Systems tatsächlich rechtfertigen würde?

Davon sind wir überzeugt, und das hat sich ja auch objektiv bestätigt: Anerkannte, neutrale Benchmark-Tests haben ergeben, dass wir den besten KI-Chip von Nvidia mit Abstand zweimal geschlagen haben. Dass dies einem vor wenigen Jahren gegründeten Startup-Unternehmen gelingen konnte, zeigt, dass der Ansatz, die Hardware, also die KI-Chips, und die Software gemeinsam und aufeinander optimiert zu entwickeln, genau der richtige Weg war. Sonst hätten wir diesen Benchmark-Durchbruch niemals geschafft.

Dass wir auf dem richtigen Weg sind, zeigt auch, dass wir gerade von der Global Semiconductor Associaton (GSA) mit dem diesjährigen GSA Award in der Kategorie »Start-up to Watch« ausgezeichnet wurden. Die gute Botschaft für alle KI-Interessenten lautet: Wir verfügen jetzt über alle Voraussetzungen, die sie benötigen, um nun in der KI anzukommen.

Welche Zielmärkte visiert Sima.ai an?

Ich komme aus der Automotive-Industrie, und deshalb bin ich auch bei Sima.ai dabei: Wir wollen KI in die ADAS-Systeme bringen, und zwar auf einer Performance-Ebene, die bisher nicht erreicht werden konnte. Wir zielen aber auch auf den Industriesektor im Allgemeinen ab: Denn wir können hochperformante KI-Chips, die sich durch eine bisher unerreicht geringe Stromaufnahme auszeichnen, in die Edge-Geräte bringen. Wir erreichen eine um mindestens den Faktor 10 bessere Performance pro Watt als alles, was es derzeit auf dem Markt gibt.

Können Sie ein Beispiel dafür geben, wie die hohe Performance der Chips auf Systemebene durchschlägt?

Wir installieren Kameras und können jedes Pixel als Datenpunkt nutzen, weil wir ohne Kühlung extrem leistungsfähig sind. Das erlaubt es, sehr tiefgehende Qualitätsanalysen durchzuführen, indem wir etwa zwei Kameras unter verschiedenen Winkeln aufstellen. Das liefert riesige Datenströme pro Sekunde. Dies hohe Leistungsfähigkeit stand den Kunden bisher einfach nicht zur Verfügung. Da war bei 200 bis 300 Bildern pro Sekunde Schluss, was vollkommen ungenügend für relevante reale Einsatzfälle ist. Wir dagegen schaffen 4000 Bilder pro Sekunde.

Mit welchen Unternehmen steht Sima.ai in Kontakt, mit den OEMs selber oder den Zulieferern?

Wir entwickeln unsere Software so weit, dass die Tier-One-Zulieferer sie als Basis für ihre eigenen Systeme wie autonomes Fahren auf Level 3 oder für das automatische Einparken verwenden. Auch hier ist die geringe Stromaufnahme das Hauptargument, das für SiMa.ai spricht.

Insgesamt stehen wir im Industrie-Sektor mit vielen Unternehmen in Kontakt, und zwar aus sehr unterschiedlichen Bereichen. So können wir die unterschiedlichen Domänen kennenlernen und unsere Systeme auf sie anpassen. Das ist der Grundstein für die Skalierung.

Kunden wären also hier beispielsweise Hersteller von Vision-Inspection-Systemen, mit denen die Qualität der Produktion überwacht wird?

Das wäre ein Beispiel; ich gehe davon aus, dass wir in diesem Sektor schon bald etwas konkreter über Anwendungen berichten können.

Erste Kunden sind also schon in Sicht?

Ja, wir sind mit vielen im ernsthaften Gespräch, auch mit den Marktführern, mit denen wir selbstverständlich gerne zusammenarbeiten. Doch es liegt es in der Natur der Sache, dass diese Firmen die Geschäftsbeziehungen vertraulich behandelt haben wollen. Wir können also keine Namen nennen. Das gilt für den Automotive- wie für den Industriemarkt.

Allerdings mahlen die Mühlen im Automotive-Sektor lange …

… was sich allerdings über die letzte Zeit geändert hat. Ich kann mich noch gut erinnern, dass es früher viel länger gedauert hat. Da musste ein Controller fertig auf dem Tisch liegen, damit er die Chance hatte, eindesignt zu werden. Bis das Auto auf den Markt kam, vergingen sechs Jahre. In dieser Beziehung haben sich doch alle OEMs nach meinen Beobachtungen stark geändert, sie sind viel flexibler geworden. Doch grundsätzlich stimmt es, wer im Automotive-Geschäft ist, braucht einen langen Atem. Aber auch im Industriesektor geht es nicht über Nacht. Wir müssen wie gesagt erst die viele Domänen genau kennenlernen, um skalieren und dann in Stückzahlen loslegen zu können.

Wissen das die Investoren auch und ist der Gang an die Börse geplant?

Wir arbeiten im Plan und unsere Investoren sind ganz glücklich damit, so viel kann ich sagen. Der Börsengang dürfte noch ein paar Jahre entfernt sein, darüber möchte ich heute nicht spekulieren.

Sie haben einen tiefen Einblick in die Verhältnisse in Deutschland. Sind wir KI-Entwicklungsland?

Wir haben, wie wir alle wissen, neben den ganz großen Unternehmen dank des starken Mittelstandes eine recht große Zahl an Champions in Deutschland, Firmen, die in ihren speziellen Gebieten globale Marktführer sind. Die Voraussetzung dafür, weiter erfolgreich zu bleiben, ist, dass diese Unternehmen auf KI setzen. Wer das nicht schnell umsetzt, der wird in zehn Jahren nicht mehr am Markt sein. Ich sehe mich als Botschafter für KI in Deutschland: Wir dürfen unsere führende Position nicht verlieren.

Stößt KI in den USA schneller auf Akzeptanz?

Dort, aber auch in Asien schreitet die Entwicklung deutlich schneller voran als in Deutschland. Andere Länder könnten sich einen Vorsprung herausarbeiten. Deshalb lautet mein Apell: KI ist kein vorübergehender Hype, es geht auch nicht um bestimmte Produkte, es geht darum, wie die gesamte Produktion mithilfe von KI effizienter gestaltet werden kann. Nur ein Beispiel: Die Abläufe in Unternehmen, die Leiterplatten mit Komponenten bestücken und wo relativ viele Operators in der Fertigung arbeiten, lassen sich über deterministische Programmierung kaum effektiver gestalten. Für KI-Systeme dagegen ist das kein Problem. Und es gibt Beispiele in der realen Welt, die bereits zeigen, was sich erreichen lässt. So konnte Bosch im Halbleiterbereich den Ausstoß um 10 Prozent erhöhen. Diese Chancen darf die Industrie hierzulande nicht an sich vorbeiziehen lassen!

Harald Kröger

Harald Kröger kann auf eine langjährige Erfahrung in der Automotive-Branche zurückblicken, die er in leitenden Positionen gewonnen hat. Bevor er vor einem Jahr zum Mitglied des Aufsichtsrats und President Automotive Business von Sima.ai berufen wurde, bekleidete er fünf Jahre lang die Position des Präsidenten der Automotive Division von Bosch, derem Aufsichtsrat er auch angehörte. Während dieser Zeit war er für über 100.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von 20 Mrd. Dollar verantwortlich. Dort trieb er den Aufbau der Cross Domain Solution Division von Bosch und den Ausbau des Halbleitergeschäfts voran.

Zuvor verbrachte er 21 Jahre bei Mercedes-Benz, wo er unter anderem Head of Quality und Entwicklungsleiter Batterien, Motoren und Leistungselektronik für rein elektrisch angetriebene Autos und Plug-in-Hybride war. Während dieser Zeit gehörte er für zwei Jahre dem Aufsichtsrat von Tesla an. Im August 2022 ist er in den Aufsichtsrat von Rivian berufen worden. Harald Kröger hat Ingenieurwesen und BWL an der Leibniz-Universität Hannover studiert und hält einen MSEE der Standford University. 


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