SPICE versus IBIS

Welche Simulationsmodelle eignen sich besser?

22. Juli 2024, 6:00 Uhr | May Anne Porley, Jermaine Lim-Abrogueña und Mar Christian Lacida
© Umar – stock.adobe.com

SPICE- und IBIS-Modelle gelten als die am häufigsten genutzten Simulationsmodelle. Sie unterscheiden sich erheblich und bieten spezifische Vorteile. Ob das SPICE- oder das IBIS-Modell sich besser eignet, hängt von der jeweiligen Schaltung ab – wie Beispiele mit LTspice und HyperLynx zeigen.

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Im digitalen Zeitalter, in dem der rasante technische Fortschritt unübersehbar ist, entwickeln die Elektronikhersteller kontinuierlich wichtige Komponenten und Werkzeuge, die die Branche zur Unterstützung dieses Digitalisierungstrends benötigt. In der Welt der Simulation bedeutet dies die Verfügbarkeit von geeigneten Modellen, die Entwickler bei der Überprüfung ihres Systementwurfs verwenden können, um die Funktion ihrer Entwürfe zu gewährleisten, bevor die Entwicklung des Leiterplattenlayouts beginnt. Zwei der gebräuchlichsten Simulationsmodelle, die für die Prüfung eines Schaltungsentwurfs vor der Fertigung verwendet werden, sind die SPICE- und IBIS-Modelle. Obwohl es sich bei diesen beiden Modellen um Verhaltensmodelle handelt, gibt es Empfehlungen, wie sie bei welcher Simulation verwendet werden sollten.

Simulationsmodelle bieten Vorteile

Im Allgemeinen helfen Simulationsmodelle den Systementwicklern bei der Simulation des Schaltungsentwurfs vor der Erstellung von Prototypen. Bei der Verwendung von IBIS- und SPICE-Simulationsmodellen ist das Ziel, nicht nur die Simulation, sondern auch das Erkennen von Problemen im Zusammenhang mit der Signalintegrität bis hin zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Schaltungsentwurfs. Diese Probleme werden häufig durch die Eigenschaften des Leiterplattendesigns einschließlich des Leiterbahnlayouts verursacht, können aber auch durch die Funktion der Komponenten bedingt sein.

Ein IBIS-Modell stellt nicht nur das Klemmverhalten und die Treiberstärke der Komponenten dar, sondern auch die Impedanzen der digitalen Eingangs-/Ausgangstreiber, einschließlich der Ausgangs- und Eingangsimpedanzen des Treibers und/oder Empfängers. Diese werden zwar nicht direkt im Modell angegeben, sind aber bereits in den I-U-Daten enthalten, die das Verhalten der Komponenten beschreiben. Die Treiberimpedanzen müssen bei der Simulation unbedingt bestimmt werden, da sie für die Lösung von Signalintegritätsproblemen wie Übersprechen und Reflexionen von entscheidender Bedeutung sind. Übersprechen ist ein unerwünschtes Störsignal, das auftritt, wenn das auf einer Leiterbahn geführte Signal auf eine benachbarte Leiterbahn gekoppelt wird und dort das Signal beeinträchtigt. Andererseits sind Reflexionen eines der häufigsten Probleme, die bei Signalintegritätssimulationen vor der Leiterplattenherstellung auftreten, und zwar dann, wenn eine Fehlanpassung zwischen der Impedanz des Eingangs- oder Ausgangstreibers und der charakteristischen Impedanz der Leiterbahn besteht.

Im Idealfall sollten angelegte Signale sich entlang der Leiterbahnen ausbreiten und das andere Ende der Leiterbahn ohne jegliche Störung erreichen. In der Realität ist dieses Szenario jedoch nicht immer gegeben. Aufgrund der Impedanzfehlanpassung ist die Signalintegrität beeinträchtigt. Bei der Reflexion kommt es normalerweise dazu, dass ein Teil des Signals, das sich entlang der Übertragungsleitung ausbreitet, am Leitungsende reflektiert wird. Die Lösung dieses Problems ist das Hinzufügen eines Abschlusses am Treiber. Die Konstrukteure nutzen die Impedanzfunktion des IBIS-Modells, um die für die Terminierung erforderlichen Serien-Widerstände zu berechnen, die Impedanzen zwischen dem Eingang und der Übertragungsleitung anzupassen und Signalreflexionen zu berücksichtigen.

Das SPICE-Modell spielt eine wichtige Rolle bei der effizienten Nutzung von Zeit und Kosten, indem es das Verhalten von Schaltungen vorhersagt, so dass mögliche Probleme erkannt, berücksichtigt und gelöst werden können, bevor ein Prototyp aufgebaut wird. Kosten und Geschwindigkeit sind zwei der Hauptvorteile der SPICE-Modellsimulation. So lassen sich Schaltungsfehler bereits in einem frühen Stadium des Prozesses vermeiden. Teure und zeitaufwändige Nachbearbeitung des Prototyps und Neubestellung und -bestückung von Bauteilen entfallen. Simulationsmodelle sind heutzutage fortgeschritten und bieten eine genaue Annäherung an die Komponenten. Entwickler können in der Simulation Komponenten leicht austauschen, um Schaltungsentwürfe mit unterschiedlicher Bestückung zu bewerten. Gleichzeitig sparen Entwickler viel Zeit, da sie weniger Prototypschaltungen aufbauen müssen – und im Falle eines Fehlers keine Komponenten auslöten und nachbestellen müssen.

Was ist ein SPICE Modell?

SPICE ist ein Akronym für Simulation Program with Integrated Circuit Emphasis (Simulationsprogramm mit Schwerpunkt auf integrierte Schaltungen), ein allgemeiner Schaltungssimulator, der eine textbasierte Netzliste, die die Schaltungselemente –

 Transistoren, Widerstände und Kondensatoren – und ihre Verbindungen beschreibt, mit Hilfe der Knotenanalyse in mathematische Gleichungen übersetzt und diese löst. Ein SPICE-Modell ist ein textbasiertes Verhaltensmodell, das von SPICE-Simulatoren verwendet wird, um das Verhalten eines Bauteils unter verschiedenen Bedingungen mathematisch vorherzusagen.

Was ist ein IBIS Modell?

IBIS ist ein Akronym für Input/Output Buffer Information Specification (Spezifikation der Eingangs-/Ausgangspufferinformationen). Es handelt sich ebenfalls um ein textbasiertes Verhaltensmodell, das beschreibt, wie sich die digitalen Eingangs- und Ausgangstreiber eines Geräts als analoges Bauteil verhalten. Es besteht aus Tabellen, die die Strom-Spannungs-Kennlinien (I-U) der Komponenten in den digitalen Treibern sowie die Spannungs-Zeit-Kennlinien (U-t) der Ausgangs- oder E/A-Treiber beschreiben. IBIS-Modelle werden für die Signalintegritätsanalyse von elektronischen Baugruppen vor der Herstellung verwendet. Sie werden in einfachen ASCII-Textdaten dargestellt und sie geben keine proprietären Informationen preis, da IBIS-Modelle wie ein Black-Box-Modell sind, das keine internen Informationen enthält.

Wie sehen die Modelle aus?

SPICE-Datei (.cir) links und rechts eine IBIS-Datei (.ibs)
Bild 1. Links eine SPICE-Datei (.cir) mit LTspice und rechts eine IBIS-Datei (.ibs) mit HyperLynx von Siemens.
© Analog Devices

Sowohl IBIS- als auch SPICE-Modelle sind textbasierte Verhaltensmodelle, wie in Bild 1 dargestellt, deren Inhalt mit einem einfachen Tool wie Notepad angezeigt werden kann. Für eine bequemere Betrachtung der Modelle wird jedoch empfohlen, das Programm Model Integrity von Cadence oder das Programm HyperLynx von Siemens zu verwenden, um eine IBIS-Datei anzuzeigen. Andererseits kann ein SPICE-Modell in einer breiten Palette von SPICE-Simulationswerkzeugen geöffnet und installiert werden, wie z.B. in LTspice, NI Multisim, OrCAD PSpice oder anderen SPICE-Simulatoren.

Sowohl SPICE- als auch IBIS-Modelle sind nicht ausführbare Dateien, sondern textbasierte Beschreibungsdateien. Beide Modelle bestehen meist aus drei Hauptteilen:

  • Header-Datei: enthält eine kurze Beschreibung oder allgemeine Informationen über das Modell, das Bauteil, die Revisionshistorie, modellspezifische Anmerkungen und die Firma oder Marke des modellierten Bauteils.
  • Modellname/Titel: gibt im Wesentlichen den Bauteilnamen, die Pinbelegung und/oder die Pin-zu-Treiber-Zuordnung an. In SPICE wird eine Zeile im folgenden Format verwendet: dot subcircuit <space> Modellname (.subckt ADGxx)<space> pinouts. In IBIS wird dafür die Form [Component] ADGxx genutzt.
  • Modellstruktur: ist die textbasierte Darstellung des Modells. SPICE-Modelle bestehen aus verschiedenen Blöcken, die jeden Parameter eines Bauteils darstellen, einschließlich Pin-Funktionen, die aus primitiven und nativen Komponenten wie Kondensatoren, Widerständen, Dioden, Spannungs- und Stromcharakteristiken bestehen können. IBIS-Modelle dagegen bestehen aus I/U- und U/T-Datentabellen, die jeden digitalen E/A-Treiber modellieren.

Woher bekommt ein Entwickler die Modelle?

SPICE- (links) und IBIS-Modellen (rechts)
Bild 2. Eine große Auswahl an SPICE- (links) und IBIS-Modellen (rechts) von der Analog-Devices-Website.
© Analog Devices

SPICE- und IBIS-Modelle befinden sich meist auf den Webseiten der einzelnen Halbleiterhersteller. Diese entwickeln heute eigene Simulationsmodelle, um ihre Produkte zu beschreiben und gleichzeitig die Integration, den Aufbau, die Genauigkeit und die Modellunterstützung zu gewährleisten. Die Website von Analog Devices zum Beispiel bietet eine große Auswahl an SPICE- und IBIS-Modellen von den eigenen Produkten, wie in Bild 2 dargestellt.

Beispiel für eine SPICE-Modellbibliothek
Bild 3. Ein Beispiel für eine umfassende Bibliothek von SPICE-Modellen in LTspice.
© Analog Devices

Andere SPICE-Modelle können in der Bibliothek des SPICE-Simulators des jeweiligen Herstellers gefunden werden. Bild 3 zeigt die Schalter-Bibliothek von LTspice, sie enthält die meisten Schalter-ICs von Analog Devices. Für einen einfacheren Simulationsansatz wäre es von Vorteil, einen SPICE-Simulator zu wählen, der über eine breite Palette an SPICE-Modellbibliotheken verfügt.

Zusätzliche Dateien

IBIS-Symbol für einen Ausgangspuffer
Bild 4. Ein IBIS-Symbol für einen Ausgangspuffer dargestellt mit HyperLynx (links) und Advanced Design System (rechts).
© Analog Devices

Sowohl SPICE- als auch IBIS-Modelle benötigen eine Symboldatei, um in einem Simulator verwendet werden zu können. IBIS-Modelle liegen in der Regel in Form von textbasierten Darstellungsdaten vor. Um sie jedoch mit Werkzeugen zur Automatisierung des Elektronikentwurfs zu simulieren, werden sie in eine Symboldatei eingefügt, in der externe Komponenten angeschlossen werden. Ähnlich wie IBIS-Modelle benötigen auch SPICE-Modelle eine Symboldatei, die in der Regel im dot-Symbol-Format (.asy) vorliegt und gleichzeitig in der Bibliothek des SPICE-Simulators installiert werden muss. Nachdem sowohl das Modell als auch die Symboldatei zur Bibliothek hinzugefügt/eingestellt wurden, kann der Entwickler das Modell nun in seiner Schaltungssimulation verwenden. Die Bilder 4 und 5 zeigen ein Beispiel für Symboldateien, die in IBIS- und SPICE-Modellen verwendet werden.

SPICE-Symboldatei für einen 3-Pin-Operationsverstärker
Bild 5. Eine SPICE-Symboldatei (rechts) als Vorlage für einen einfachen 3-Pin-Operationsverstärker und sein Äquivalenzsymbol (links), das in einer Schaltungssimulation in LTspice verwendet wird.
© Analog Devices

Sowohl für IBIS als auch für SPICE werden von den Herstellern keine Symboldateien zur Verfügung gestellt, aber die meisten Simulatoren verfügen über Vorlagensymbole, die je nach Anzahl der Anschlüsse oder des Bauteiltyps verwendet werden können. Für SPICE können Symboldateien auch automatisch erzeugt werden, wobei diese Funktion vom jeweiligen SPICE-Simulator abhängt.


  1. Welche Simulationsmodelle eignen sich besser?
  2. Vergleich der Modelle
  3. Simulationswerkzeuge
  4. Literatur

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