Schwerpunkte
07. April 2021, 08:00 Uhr | Achim Engel, Business Development Manager im Bereich Components von Würth Elektronik ICS
Power-Elemente in der Produktion. Zu sehen ist der Abschluss der zerspanenden Bearbeitung.
Durch Ausnahmen in den Umweltvorschriften ist Blei als Material auch heute noch in einer Reihe von Anwendungen zugelassen. Doch es gibt gute Argumente, diese Übergangslösung nicht bis zum bitteren Ende auszureizen, wie das Beispiel der Hochstromkontakte von Würth Elektronik ICS zeigt.
Wer sich in den Feinheiten von RoHS, REACH und ELV wenig auskennt, wird die Bedeutung einer bleifreien Produkvariante vielleicht nicht sofort erkennen. Wie wichtig ein Umstieg jedoch sein kann, zeigt das Beispiel von bleifreien Hochstromkontakten, die zwar noch nicht vorgeschrieben, aber mittlerweile verfügbar sind.
Denn das ist der Stand der Dinge:
Wie zu erwarten war, gingen bei dem zuständigen EU-Ressort zahlreiche Anträge für eine erneute Verlängerung der Ausnahmeregelung ein.
Auf ein „Weiter so“ zu setzen ist für Hersteller elektrischer und elektronischer Geräte oder Baugruppen allerdings keine empfehlenswerte Strategie! Denn je nach Entwicklungsdauer und Produktlebenszyklus besteht die Gefahr, dass ein endgültiges Verbot von Blei in Elektronikbaugruppen ein Redesign einer laufenden Serie erforderlich macht. Die Folge wären ein großer Umstellungsaufwand und hohe Zusatz-Investitionen, die durch weitsichtige Designentscheidungen vermeidbar gewesen wären.
Automotive-Produkt wird überarbeitet
Würth Elektronik ICS ist als Anbieter und Hersteller von leiterplattenbasierten Systemen und Komponenten zur Übertragung von hohen Strömen seit Langem am Markt aktiv. Auf der Suche nach einem besonders robusten Ansatz entwickelte der Hersteller in den 1980er-Jahren Kontakte in Einpresstechnik als Hochstromanschlüsse bis 1000 A an Leiterplatten – die sogenannten Power-Elemente, die sich am Markt in den folgenden Jahren zunehmend durchgesetzt haben.
Gerade in Automotive-Anwendungen müssen Wire-to-Board- und Board-to-Board-Verbindungen möglichst robust und vibrationsbeständig sein. Die Einpresstechnik bietet mit ihren mechanischen und elektrischen Eigenschaften genau dies. Dank der Einpresstechnik zeigen die Power-Elemente zudem ein überlegenes thermisches Verhalten bei hohen Strömen aufgrund des deutlich geringeren Übergangswiderstands zwischen Pin und Leiterplatte.
Die Einpresspins, die durch Kaltverschweißung robuste und gasdichte Verbindungen mit der Leiterplatte ermöglichen, sind aus Messing und werden aus dem Vollen heraus gefräst. Deshalb war CuZn39Pb3 hier bisher das Material der Wahl. Doch bei Würth Elektronik ICS stellte man sich angesichts des früher oder später unvermeidlich kommenden Endes der Ausnahmeregelung 6c die Frage, wie man bei den Power-Elementen frühzeitig aus der Verwendung bleihaltigen Materials aussteigen könnte.
Viele Fragen
Zunächst musste Würth Elektronik ICS in Zusammenarbeit mit etablierten Herstellern von Vormaterialien umfangreiche Grundlagenuntersuchungen zur Entwicklung geeigneter bleifreier Werkstoffe durchführen. Dabei wurde beispielsweise geklärt, wie sich die Bestandteile Silizium, Mangan, Eisen, Nickel, Phosphor und Indium auf mechanische und elektrische Eigenschaften auswirken.
Die Bezeichnung „Zerspanungsmessing“ für das Material, für das eine Alternative gesucht wurde, macht schon deutlich: Entscheidend war die Frage der spanenden Bearbeitung bei der Herstellung von Hochstromkontakten.
Es galt, Produktionsparameter zu erarbeiten und zu validieren, wie etwa die Optimierung der Schnittgeometrien, die Bearbeitungsgeschwindigkeit oder die konkrete Werkzeugwahl – und dies alles unter der Maßgabe der Wirtschaftlichkeit. Ein weiterer Fragenkomplex betraf die Qualifizierung bleifreier Power-Elemente für konkrete Anwendungen, das heißt, die Untersuchung und Bewertung unterschiedlicher bleifreier Werkstoffe mit identischen Bewertungsgrundlagen für die Verarbeitung (Einpress- und Löttechnik) einerseits und den Einsatz andererseits, also die mechanischen und elektrischen Eigenschaften montierter Kontaktelemente. Die Qualifizierung umfasste unter anderem Untersuchungen zu Einpresskräften, Auszugskräften, Lötbarkeit, Drehmomenten und Derating sowie Umwelttests, Schliffbilduntersuchungen und Vibrationsprüfungen.
Vor der Markteinführung der bleifreien Alternativen hat Würth Elektronik ICS die typischen Anwendungsfälle analysiert und ein entsprechendes Standardproduktportfolio an bleifreien Hochstromkontakten zusammengestellt. Das Ergebnis sind Bauteilvarianten, die die Marktbedürfnisse weitestgehend abdecken.
Das Portfolio
Unter dem Motto „Let it be lead-free“ stellte Würth Elektronik ICS Ende 2020 die ersten rund 150 Produkte der neuen Produktlinie „LF“ (Lead Free) vor. Die neuen Produkte entsprechen in allen Eigenschaften den bisherigen – außer beim Drehmoment. Hier erreichen sie laut Herstellerangaben sogar bessere Werte. Das Standard-Produktportfolio ist im Power-Element-Onlineshop von Würth Elektronik ICS erhältlich. Dort finden Interessenten auch technische Informationen zu den bleifreien Produkten und können kostenlose Muster anfordern.