Ab dem Jahr 2024 könnte eine Ladeleistung von 1 MW für E-Lkw bereits Industriestandard sein. Doch das reicht für den Schwerlastverkehr nicht aus. Deshalb sind 3 MW Ladeleistung und 15 Minuten Ladezeit das Ziel. Die TU München und MAN Truck and Bus arbeiten daran, dies zu erreichen.
Rund 27 Prozent der vom Verkehr verursachten CO2 Emissionen in der EU gingen laut der Europäischen Umweltagentur im Jahr 2019 auf Schwerlaster zurück. Die Entwicklung elektrischer Antriebe in diesem Bereich wird deshalb stark forciert. Ladeleistungen von bis zu 1 MW ermöglichen vermutlich bald Ladezeiten, die von Speditionsunternehmen problemlos in Fahrpausen mit eingeplant werden können.
Für Langstrecken und den Schichtbetrieb reicht das aber noch nicht aus.
Ein Konsortium aus Wissenschaft und Industrie, darunter die Technische Universität München und MAN Truck and Bus, hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, die Entwicklung von Ladeszenarien schrittweise auf bis zu 3 MW Ladeleistung voranzutreiben. Um dieses Ziel zu erreichen, wird im NEFTON-Forschungsprojekt, das vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird, nun ein Prüfstand entstehen, der alle Komponenten vom Ladestecker bis zum Akku im Fahrzeug abbilden soll.
Bis 2024 rechnen die Forschenden des Konsortiums mit Ladeleistungen von bis zu 1 MW im Realbetrieb, womit sich der Akku eines Lkw während der vorgeschriebenen Lenkpause der Fahrer:innen von 45 Minuten vollständig aufladen ließe. Damit werden je nach Modell, Akkukapazität und Fahrstil zwischen 300 und 500 Kilometer Fahrstrecke möglich.
Jedoch wird 1 MW für eine schnelle Integration der batterieelektrischen Nutzfahrzeuge im großen Maßstab nicht reichen. Bei 3 MW hingegen lassen sich Ladezeiten von etwa 15 Minuten erzielen, sodass ein Zwischenladen kaum noch zu Einschränkungen führen würde. Technologisch gesehen ist das allerdings völliges Neuland, wie Prof. Markus Lienkamp vom Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik an der TUM betont.
Bei Ladevorgängen mit 1 MW nutzt das Fahrzeug selbst eine Betriebsspannung von circa 800 V und einen Strom von 1250 A. Soll aber im Bereich von 3 MW gearbeitet werden, sind es bei 800 V schon 3000 A. Um solche Werte zu realisieren, ist bei einigen Komponenten ein vollständiger Wechsel der Technologie notwendig.
Wie umfangreich dieser Prozess gestaltet werden muss, und in welchen Bereichen neue Ansätze ihre Anwendung finden, soll der neue Teststand der TUM zeigen. Hohe elektrische Ströme, jenseits der 2000 A, lassen sich im Automobilbereich nicht mehr durch klassische Kabel transportieren, da die Kühlung hier eine zu große Herausforderung darstellt. Daher wird im NEFTON-Projekt beispielsweise an Stromschienen oder verschiedenen Geometrien, wie mit Kühlmittel durchflossene oder umströmte Leiter geforscht, die ein deutlich besseres Wärmemanagement ermöglichen.
Auch die Art der Absicherung im Falle einer Störung wird in dem Forschungsprojekt untersucht. Bislang wird hier mit mechanischen Schaltern gearbeitet, die den Stromkreis im Notfall trennen können. Im Bereich von 3 MW Ladeleistung reichen solche Schalter bei weitem nicht mehr aus, weshalb in diesem Fall auch Halbleiter-Technologie Teil der Forschung sein wird.
»Das Laden mit drei Megawatt hat direkte Auswirkungen auf das Fahrzeug, die Ladetechnik und das gesamte Stromnetz. Wir werden für viele Komponenten entlang des Ladepfads neue Technologien einsetzen. In einigen Bereichen wissen wir heute noch gar nicht, wie diese aussehen werden. Hier bietet der neue Prüfstand ideale Bedingungen für die Entwicklung und Optimierung«, kommentiert Prof. Malte Jaensch vom Lehrstuhl für Nachhaltige Mobile Antriebssysteme der TUM.
Bislang wurde auf langen Strecken entweder auf den Einsatz von Elektro-Lkw verzichtet oder auf zusätzliche Ladestopps gesetzt. Enge Zeitpläne im Güterverkehr erlauben aber eigentlich keine zusätzlichen Stopps zum Laden der Akkus. Aus diesem Grund ist das Vorantreiben neuer Technologien im Bereich der Ladetechnik essenziell, um alternative Antriebe für Logistikunternehmen attraktiv zu machen.
Das NEFTON-Projekt
Bereits seit vergangenem Jahr wird mit dem NEFTON-Projekt an einem ganzheitlichen Ansatz für batterieelektrische Lkw geforscht. Bislang stand die Entwicklung eines Gesamtsystems im Vordergrund, das auf Basis des Megawatt-Charging System-Standards (MCS) funktioniert. Es besteht aus den Fahrzeugkomponenten und der Ladetechnik bis ein Megawatt Ladeleistung. Um die Kosten für den Netzanschluss eines solchen MCS niedrig zu halten, wurden im Projekt bereits Pufferspeicher realisiert. Außerdem spielte das Wärmemanagement im Fahrzeug selbst auch bislang schon eine entscheidende Rolle. Die bereits erforschten Ansätze werden nun mit der nächsten Stufe des Projekts weiterentwickelt.
Aber die Entwicklung innovativer Ladesysteme sorgt nicht nur für den lokal emissionsfreien Transport von Gütern. Da das MCS-System bidirektional ausgelegt ist, können die Lastwagen im Stand als Energiespeicher für erneuerbare Energien wie beispielsweise Windkraftanlagen dienen. Solche Anlagen erzeugen auch dann Energie, wenn die Nachfrage gering ist. Die Zwischenspeicherung und spätere Abgabe von Strom mithilfe von Lkw mit großen Akkukapazitäten ermöglicht daher nicht nur das Speichern von Energie, sondern trägt durch das Abfedern von Bedarfsspitzen auch zu einem stabilen Stromnetz bei.
Am Projekt NEFTON (Nutzfahrzeugelektrifizierung für Transportsektor-optimierte Netzanbindung) beteiligt sind: MAN Truck & Bus, AVL Software and Functions, Prettl Electronics, Forschungsstelle für Energiewirtschaft, Technische Hochschule Deggendorf, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Die Projektleitung obliegt der Technischen Universität München. Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Projektträger ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).