Daten spielen in sämtlichen Stufen des autonomen Fahrens eine entscheidende Rolle. Eine zentrale Bedeutung hat dabei der effektive Schutz der Daten – ganz gleich, ob sie aus der persönlichen Sphäre der Nutzer rühren oder zum geistigen Eigentum der Automobilhersteller zählen
Die Entwicklung hin zum autonomen Fahren macht stetig Fortschritte. Fahrer und Fahrerinnen profitieren von den vielfältigen Funktionen moderner Assistenzsysteme wie Spurhalteassistent oder adaptiver Geschwindigkeitsregelung – und möchten diese nicht mehr missen. So bringen diese Technologien ein deutliches Plus an Sicherheit und Fahrkomfort mit sich. Eine zentrale Herausforderung ergibt sich aus dem richtigen Umgang mit den enormen Datenmengen, die im Kontext der verschiedenen Stufen des autonomen Fahrens – vom assistierten über das teilautomatisierte und automatisierte bis hin zum autonomen Fahren – entstehen.
Laut einer aktuellen Studie des Marktforschungsunternehmens Gartner produziert ein modernes, vernetztes Fahrzeug pro Jahr im Durchschnitt etwa 280 Petabyte an Daten. Diese entspringen aus verschiedensten Quellen, unter anderem aus einer Vielzahl von Sensoren und Kameras, die an unterschiedlichen Stellen im Fahrzeug verbaut sind und die Umgebung wahrnehmen.
Ob Sensoren für Regen, Licht oder Abstandsmessung, Front-, Seiten- und Rückfahrkameras – sie alle erfassen und sammeln unüberschaubare Datenmengen. Diese werden in Echtzeit vom Fahrerassistenzsystem verarbeitet und für Entscheidungen bezüglich eines Eingriffs in das Fahrverhalten genutzt. Bei autonomen Fahrzeugen der Stufe 5 dienen solche Daten in Zukunft zur kompletten Steuerung. Erfassen Frontkamera und Lidar-Sensor beispielsweise ein Hindernis auf der Straße, kann das Fahrzeug also automatisch bremsen oder ausweichen.
Zudem müssen Fahrzeuge in der Lage sein, Informationen über den momentanen Status kontinuierlich zu verarbeiten und adäquat darauf zu reagieren. Ist etwa der Tank oder die Batterie bald leer, muss die nächste Tankstelle oder Ladestation angefahren werden. Auch Informationen über die aktuelle Verkehrssituation, bevorstehende Staus oder sich verändernde Witterungs- und Lichtverhältnisse muss das System wahrnehmen, verarbeiten und zur Anpassung des Fahrprozesses nutzen. Ebenso ist es unerlässlich, dass Verkehrsschilder, Fahrspuren, Fahrbahnmarkierungen, Leitplanken und weitere Dinge in der unmittelbaren Umgebung automatisiert erkannt werden.
Empfehlenswert ist dabei, die aus den Sensoren und Kameras erfassten Daten mit digitalem Kartenmaterial wie etwa der HD Live Map von Here Technologies zu kombinieren. Erst so wird eine ganzheitliche und vollständige Erfassung der Umgebungsbedingungen möglich. Zudem lassen sich über einen solchen dynamischen Dienst auch Informationen aus anderen Fahrzeugen empfangen oder eigene Daten mit diesen teilen. In Smart Cities werden Fahrzeuge zukünftig sogar direkt mit intelligenten Verkehrszeichen oder Ampeln kommunizieren und Informationen austauschen. Diese Funktionen tragen letztlich dazu bei, sowohl den Komfort als auch die Sicherheit im Straßenverkehr auf ein neues Niveau zu heben.
Im Kontext des assistierten, teilautomatisierten oder autonomen Fahrens auch eine große Menge an Daten über die Nutzerinnen und Nutzer erfasst und gesammelt. So »weiß« beispielsweise das System, welche Routen die Fahrerinnen und Fahrer bevorzugen, ob sie lieber Landstraßen oder Autobahnen nutzen, wo sie tanken, welche Geschäfte sie anfahren, welchen Freizeitaktivitäten sie nachgehen – und vieles mehr. Gerade bei solchen persönlichen Daten ist es unerlässlich, diese absolut vertraulich zu behandeln. Dritte dürfen keinesfalls die Informationen sichten, auswerten und für eigene Zwecke wie etwa Marketing nutzen.
Von hoher Bedeutung ist es daher, entsprechende Daten lückenlos zu anonymisieren. Zu diesem Zweck stellt Here Technologies eine Lösung namens Anonymizer bereit. Damit lassen sich besonders sensible, historische und in Echtzeit erfasste Standortdaten komplett anonymisiert verarbeiten. So ist es möglich, den Geschäftswert dieser Informationen in vollem Umfang auszuschöpfen und gleichzeitig die Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer zu schützen und einschlägige Datenschutzbestimmungen wie die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verlässlich einzuhalten.
Dies schafft ein stimmiges Gleichgewicht zwischen dem Nutzwert und dem erforderlichen Schutzniveau der Informationen. Anonymisierte Daten von Fahrzeugen lassen sich beispielsweise verwenden, um vernetzte Dienste für die Optimierung und Sicherheit des Straßenverkehrs einschließlich Gefahrenwarnungen und Leitsystemen für Rettungsdienste zu erstellen. Dabei lässt sich das Tool auch im Rahmen von selbst gehosteten Cloud- und Hybridumgebungen nutzen, sodass Unternehmen anonymisierte Daten nahtlos in ihre Workflows und Anwendungen integrieren können.
Das hohe Datenschutzbedürfnis besteht nicht nur bezüglich der Privatsphäre der Fahrzeugnutzerinnen und -nutzer, sondern auch für Automobilhersteller und Anbieter von Fahrerassistenzsystemen und sonstigen Technologien für autonomes Fahren. Diese Unternehmen nutzen die im Fahrzeug gesammelten Informationen zur Entwicklung und Optimierung ihrer Lösungen. Die Daten sind als deren geistiges Eigentum zu betrachten. Das bedeutet, dass sie geteilt werden dürfen. Dabei gilt es, das Bedürfnis nach Datenschutz und Privatsphäre mit wirtschaftlichen und letztlich auch sicherheitsrelevanten Überlegungen in Einklang zu bringen.
Wenn der EU Data Act 2025 wie geplant in Kraft tritt, müssen Daten entsprechend geteilt werden. Dies soll unter anderem dazu beitragen, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen. Dabei sind Möglichkeiten für Rückschlüsse auf einzelne Personen, ihren Aufenthaltsort oder ihre Bewegungsprofile zu unterbinden.
Daher ist ein wirkungsvoller Schutz dieser großen Datenmengen von zentraler Bedeutung. Dabei sind die Informationen in der Regel über verschiedene Systeme und Plattformen mehrerer Anbieter verteilt. Somit ist es wichtig, dass die OEMs ihre eigenen Daten mit denen von Partnern wie beispielsweise Lieferanten von digitalem Kartenmaterial optimal in Einklang bringen. Nur so können die Technologien in vernetzten Fahrzeugen ihr volles Potenzial und vielfältige Vorteile für die Anwender entfalten.
Hierbei ist es sinnvoll, dass OEMs und Systemanbieter die Daten aus den digitalen Karten mit verschiedenen zusätzlichen Schichten anreichern. So lässt sich die Relevanz der Daten optimal an die jeweils spezifischen Anforderungen anpassen. Wichtig dabei: Diese Szenarien der Datennutzung im Kontext des autonomen Fahrens sind nicht ausschließlich auf das Pkw-Segment beschränkt. Auch die gesamte Logistik- und Transportbranche profitiert in hohem Maße von dem Potenzial, das sich aus den großen Datenmengen ergibt.
Wie lässt sich nun dieser unerschöpfliche Datenschatz konkret im Rahmen von digitalen Karteninhalten verwenden und für den Automotive- und Logistiksektor nutzbar machen? Hierfür hat Here Technologies in enger Zusammenarbeit mit Partnern wie der BMW Group die Technologie UniMap entwickelt. Dabei handelt es sich um eine weltweit führende Technologie zur schnellen, hochautomatisierten Erstellung digitaler Karten und sonstiger ortsbezogener Lösungen.
Mit dieser Technologie lassen sich große Datenmengen aus verschiedensten Quellen wie Fahrzeugkameras, Lidar-Systemen, sonstigen Sensoren, dem Internet of Things (IoT) und Satelliten rasch zu einer konsistenten und einheitlichen globalen Karte zusammenführen und in einer zentralen Umgebung speichern. Dies ermöglicht ein bisher unerreichtes Maß an Aktualität, Qualität und Genauigkeit des Kartenmaterials. Dieses können Anwender flexibel mit eigenen, privaten Inhalten anreichern und so blitzschnell individuelle Karten und maßgeschneiderte Ortungsdienste erstellen.
Dabei nutzt die Technologie fortschrittliche Modelle, die auf künstlicher Intelligenz basieren. Dadurch lassen sich pro Stunde Sensordaten von 500 Millionen Kilometern automatisiert verarbeiten, Kartenmerkmale wie die 2D- und 3D-Positionierung von Verkehrsschildern extrahieren, Geschwindigkeitsbegrenzungen validieren und fehlende Straßengeometrien vervollständigen. Die Lösung kombiniert verschiedenste Datentypen, stimmt diese aufeinander ab und wandelt Informationen aus einer Vielzahl von Quellen in Karteninhalte um. Dadurch entsteht ein semantisch konsistentes, digitales Abbild der Realität. Darin erkannte Änderungen werden innerhalb von 24 Stunden in der Karte sichtbar.
Vom assistierten bis hin zum komplett autonomen Fahren sind alle Technologiestufen durch die Entstehung großer Datenmengen in verschiedensten Formaten gekennzeichnet. Sie sind nötig, um sowohl die Sicherheit und Funktionalität autonomer Fahrzeuge als auch ein optimales Fahrerlebnis zu gewährleisten. Die Daten müssen in jedem Fall verantwortungsbewusst geschützt werden – gleichwohl, ob es sich um persönliche Informationen der Autofahrer oder um geistiges Eigentum der Hersteller handelt. Dabei sorgen die richtigen Techno- logien dafür, dass die Informationen trotz hinreichendem Datenschutz ihr maximales Potenzial entfalten können.
Severin Bredahl-Banovic
ist Vice President & Global Head of Business Solutions bei Here Technologies. Bredahl-Banovic verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Entwicklung und Innovation von Softwareprodukten in mehreren Ländern und Kontinenten. Er hat einen Abschluss des Copenhagen Business College, wo er Data und Software Engineering studiert hat. Zu seinen beruflichen Interessensschwerpunkten gehören Innovationen und technologische Fortschritte im Bereich Location Intelligence für autonomes Fahren und Logistikautomatisierung