Sensorik

Kapazitive Sicherheitssensoren für Industrie 4.0

20. August 2014, 14:21 Uhr | Von Dr.-Ing. Luer Luetkens
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Fortsetzung des Artikels von Teil 4

Informationslieferant für Airbagauslösegeräte in Kraftfahrzeugen

Die Anforderungen an Kraftfahrzeugelektronik bilden eine Herausforderung, allein schon auf Grund von Temperaturen von –40 °C bis zu 100 °C – je nach Einbauort. Üblicherweise gilt der Einbau am Motor als die schwierigste Situation: Bei dauernder Volllastfahrt auf der Autobahn den Motor abzustellen, womit also die Kühlung ausfällt, treibt die Temperatur auf über 100 °C. Aber eine unter einem schwarzen Dach angebrachte Elektronik hat es bei stehendem Fahrzeug mit Sonneneinstrahlung auch nicht leicht. Eine theoretische Temperatur-Obergrenze sind 175 °C, bei der reines Silizium eigenleitend wird. Bei dotiertem Silizium liegt die Grenze tiefer, ca. bei 135 °C. Aber natürlich sind auch Lötverbindungen ab etwa 80 °C mechanisch eher schwierig. Kondensatoren sind ein weiteres Thema. All dieses sind Temperaturen am Ort des Geschehens, z.B. den Dice der Halbleiter. Wegen der verbrauchten Leistung liegt die zulässige Umgebungstemperatur des Geräts tiefer.

Airbagauslösegeräte müssen noch höhere Anforderungen erfüllen. Sie müssen jederzeit innerhalb von Millisekunden genau reagieren und können kein intaktes Fahrzeug voraussetzen. Die Anforderung steigen dabei stetig. Moderne Fahrzeuge haben eine große Anzahl von Airbags. Anfangs brachte man ein Auslösegerät mit einem Beschleunigungssensor an einer repräsentativen Stelle des Fahrzeugs an. Das war zwischen Fahrer- und Beifahrersitz am „Tunnel“, und zwar unterhalb und außen. In einem durch die Geschwindigkeit bestimmten Zeitraum nach einer gemessenen negativen Beschleunigung des Fahrzeugs wurden die Frontalairbags ausgelöst. Inzwischen muss ein Auslösegerät wegen der zahlreichen Sensoren viel mehr Entscheidungen treffen. Wesentlich hierbei ist die tatsächliche Entfernung eines Insassen von ihn gefährdenden Strukturen des Fahrzeugs. Es gilt tatsächliche Bedrohung zu ermitteln: Denken Sie etwa an einen PKW, der unter ein Hindernis fährt. Dabei prallt das Fahrzeug gegen ein Hindernis, das z.B. die A-Säule verbiegt, bevor das gesamte Fahrzeug nennenswert abgebremst wird. In solchen Situationen braucht man Sensoren an verschiedenen kritischen Positionen des Fahrzeugs.

Airbags stellen durchaus eine Gefahr dar, wenn sie unter ungeeigneten Umständen ausgelöst werden. Früher – und physikalisch sind sie es auch heute noch – waren die sichersten Kindersitze die, in denen die Kinder mit dem Rücken zur Fahrtrichtung saßen. Ein Airbag würde das Kind töten. Aber auch ein Fahrgast oder ein Fahrer, der sich weit vorgebeugt hat, lebt bei einem Unfall doppelt gefährlich. Ein ausgelöster Airbag kann ihm leicht das Genick brechen. In den USA sind deshalb Vorrichtungen vorgeschrieben, die erkennen, ob ein zu schützender Passagier seinen Sicherheitsgurt angelegt hat. Die Forderungen gehen aber weiter. Im Prinzip wird die absolut sinnvolle Information gefordert, die Position der zu schützenden Personen zu kennen und zu berücksichtigen.

Technisch gesehen ist diese Anforderung insofern harmlos, als sich diese Information relativ langsam ändert. Kein Mensch verändert seine Position innerhalb von Millisekunden nennenswert – außer bei einem Crash. Wenn wir uns die Geometrie in einem Auto vorstellen, sind 10 cm durchaus ein Maß. Weiter weg ist unser Kopf oft nicht von soliden Strukturen des Autos. Viele Autos können 250 km/h schnell fahren, manche schneller. Wenn es auch extreme Forderungen wären, müsste ein Airbag nach 1,4 ms seine Schutzwirkung entfalten. Er müsste dazu schon aufgeblasen sein. Der Prozessor im Auslösegerät wäre wohl überfordert, wenn er die Positionsdaten aller Insassen in dieser Zeit verarbeiten müsste. Kapazitive Sensoren können zunächst die Größe der Insassen ermitteln. Je nach der Größe der Insassen kommen diese Informationen von Sensoren im Fahrzeughimmel oder von den Rückenlehnen oder den Kopfstützen der Sitze. Diese Informationen können über einen längeren Zeitraum nach Start des Fahrzeugs gewonnen werden. Das Verhalten der Insassen – vorgebeugt, nach links gelehnt? – wird ebenso längerfristig erkannt und dem Auslösegerät mitgeteilt. Dieses greift aus Tabellen die passende Reaktion ab. Die räumlichen Informationen kann der beschriebene kapazitive Sensor besser als alle Alternativen liefern. Allein etwa die Größe eines Fahrgastes zu bestimmen, ist mit anderen Sensoren kaum möglich, wenn man an Frisuren und Kopfbedeckungen denkt.

Die Sicherheitsanforderung an den Sensor sind so zu beschreiben: Wenn bei einem Unfall das Dach des Autos beschädigt wird, unter dem der Sensor angebracht ist, stehen dessen Informationen zum Zeitpunkt des Unfalls nicht mehr zur Verfügung. Das Auslösegerät muss also sinnvolle Entscheidungen treffen auf Grund von Informationen, die ihm vorher zur Verfügung gestanden haben. Die Informationen, die der kapazitive Sensor sicher liefert, müssen also nicht aktuell sein, jedenfalls nicht innerhalb von Mikro- oder Millisekunden. Selbst wenn sie generell fehlten, würde das Auslösegerät noch so gut reagieren wie bisher. Und zwar allein durch die Aufzeichnung des kapazitiven Sensors vor dem Crash.

Der vorgestellte Sensor wurde von Dr.-Ing. Luer Luetkens entwickelt und durch drei Patente geschützt. Die Patente beziehen sich vor allem auf das Sicherheitskonzept sowie die wichtigsten Schaltungsmerkmale.

Literatur

[1] BG RCI, Fachausschuss Chemie: Neue Walzwerke mit einem Walzendurchmesser < 400 mm – Sicherheitskonzepte für Walzeneinzugstellen. 01.06.2010.

 

Der Autor

Dr.-Ing. Luer Luetkens 
studierte Physik an den Technischen Hochschulen in Darmstadt und München und promovierte in Aachen. Nach seiner Tätigkeit als Leiter der Software-Abteilung von CalComp entwickelte und vermarktete er als Geschäftsführer von Harms und Wende in Hamburg die weltweit erste Maschinensteuerung mit einem Mikrocontroller. Nach seiner Zeit als Entwicklungsleiter bei der Robert Bosch AG gründete er ein Ingenieurbüro für Industrieatomation. Den beschriebenen Sensor hat Luetkens selbst entwickelt.


  1. Kapazitive Sicherheitssensoren für Industrie 4.0
  2. Stabile und genau dosierbare Rückkopplung
  3. Sensoren in einer vernetzten Welt
  4. Walzwerke, Kalander, Coil-Wickler
  5. Informationslieferant für Airbagauslösegeräte in Kraftfahrzeugen

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