Industrial Ethernet

Ist OPC UA die richtige Wahl?

7. Dezember 2020, 12:30 Uhr | Tobias Schlichtmeier
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Erfassen und Verarbeiten von Daten

Klassische Industrieprotokolle konzentrierten sich vor allem auf das zuverlässige Übertragen von Rohdaten. Um Rohdaten anschließend in nützliche Informationen umwandeln zu können, mussten Anwender alle eingehenden Datensignale erfassen und verarbeiten, bevor sie diese an die entsprechenden Schnittstellen weitergeleiten konnten. Unter anderem mussten die Daten also genau definiert und die erhaltenen Werte in technische Einheiten übertragen werden – ein sehr aufwendiges Verfahren. Nötig waren die genannten Operationen zum Beispiel zwischen E/A-Signal und Controller, zwischen Controller, HMI und SCADA, zwischen SCADA und MES oder zwischen SCADA oder Controller und Archiv.

Besser ist dagegen das kontextbezogene Erfassen und Verarbeiten der Daten. Hierbei verfügen die Daten über eine inhärente Semantik. Hiermit sind sie unabhängig voneinander sowohl von der SPS als auch von der HMI auszuwerten, somit können keine Informationen verloren gehen. Zudem stehen in dem System allen Nutzern dieselben Ausgangsdaten bereit. Mithilfe der im OPC UA vorgegebenen Analysefunktionen ist eine HMI-Konfiguration mühelos in eine SPS-Konfiguration umzuwandeln. Hierbei bleiben alle Skalierungen und Eigenschaften in jedem Standardformat erhalten. Außerdem unterstützt OPC UA das Erstellen von Datenhierarchien. Geübte Anwender können die Daten in komplexen Baumstrukturen anordnen, wie sie es von ihrem PC gewohnt sind.

Mit dem kontextbezogenen Erfassen und Verarbeiten können Anwender alle Daten aus einem bestimmten Betriebsbereich oder mehreren Betriebsbereichen zentral auf einem OPC-UA-Server ablegen. Über verschiedene Funktionen wie Visualisieren, Analyse oder dem Archiv stehen sie hier den verschiedenen Clients bereit. Alle Zusatzdaten sind in einem strukturierten Format hinterlegt. Etwaige Datenvariablen und besondere Eigenschaften sind so klar definiert, dass sie leicht in Beziehung zu den anderen Daten zu setzen sind.

objektorientierte Techniken
Bild 3. Mithilfe objektorientierter Techniken lassen sich viele Abläufe effizienter und einheitlicher gestalten, da Konstrukteure verschiedene Modelle erstellen, wiederverwenden und miteinander kombinieren können.
© Emerson

Das objektorientierte Programmieren umfasst Methoden, mit deren Hilfe Informationsmodelle erstellt und vermittelbar sind. So sind beispielsweise die in einer Pumpe herrschenden Ein- und Auslasstemperaturen sowie der dort gemessene Druck in einem Modell darstellbar (Bild 3). Außerdem können Anwender Best-Practice-Konfigurationen entwickeln und wiederverwenden. Ein weiterer Vorteil ist, dass alle Objekte ebenso auf andere verweisen oder aus anderen zusammensetzbar sind. Somit trägt das objektorientierte Programmieren dazu bei, viele Vorgänge effizienter zu gestalten und zu vereinheitlichen.

Jedoch ist ein OPC UA-Server mehr als eine einfache Datenbank. Er definiert Dienste, die in sogenannten Service Sets organisiert werden. Zum Beispiel das »Discovery Service Set« zum Auffinden OPC-UA-fähiger Teilnehmer und Eigenschaften, das »Subscription Service Set« zum Erzeugen, Verändern und Löschen von Mitteilungen, das »Query Service Set« zum Auswählen bestimmter Filterkriterien und das »NodeManagement Service Set« zum Hinzufügen, Ändern und Löschen von Knoten. Auf die Weise können Nutzer Objektmodelle erstellen, die von jeder Client-Anwendung nutzbar sind.

Plattformunabhängigkeit

Das frühere Konzept Classic OPC unterlag bestimmten Beschränkungen. So unterstützte es lediglich Microsoft. Um die Abhängigkeit zu überwinden, den gestiegenen Sicherheitsanforderungen gerecht zu werden sowie eine Kommunikation über Firewalls hinweg zu ermöglichen, wurde OPC UA geschaffen. Hierdurch können verteilte Anwendungen nahtlos mit Systemen auf Ebene 2 kommunizieren. Als Beispiele seien hier die Echtzeitbetriebssysteme VxWorks oder QNX genannt, die auf Ebene 1 häufig zur deterministischen Leistung der Hochgeschwindigkeits-SPS/PACs beitragen.

TSN als nächster Schritt

Time sensitive Networking (TSN) ist eine Entwicklung, die das Standard-Ethernet im Bereich Quality of Service (QoS) ergänzt, also ein Priorisieren des Datenverkehrs fördert. So soll es möglich sein, bestimmte Datenbandbreiten für Datenverkehr mit hoher Priorität zu reservieren und den Datentransfer zu synchronisieren. TSN zielt darauf ab, den Determinismus und die Sicherheit von Ethernet-basierten Netzwerken zu verbessern und genügend Bandbreite zu reservieren. Zudem sollen verschiedene Standard- und Echtzeitprotokolle in einem einzigen Netzwerk zusammengeführt werden. Die Kombination von OPC UA und TSN trägt zu einem Weiterentwickeln der industriellen Automatisierung bei, da ein Unternehmen so in den Genuss der Vorteile beider Systeme kommt: das kontextbezogene Erfassen und Verarbeiten von Daten, eine verbesserte Sicherheit und eine garantierte Bandbreite.

OPC UA als Standard für die Industrie

Obwohl das physikalische Ethernet heute weit verbreitet ist, haben Systementwickler und Konstrukteure in der industriellen Automatisierung immer noch die Qual der Wahl, wenn es darum geht, sich für ein bestimmtes Kommunikationsprotokoll zu entscheiden. Welches Protokoll in Frage kommt, hängt davon ab, welches physikalische Netzwerk bereits besteht und ob das Protokoll mit den vorhandenen Geräten in der Produktion kompatibel ist. In jedem Fall muss über die Architektur gewährleistet sein, dass die Kommunikation über die Netzwerke auf Anlagenebene sicher, kontextbezogen und objektorientiert ist. Genau das schafft OPC UA. Das Sicherheitskonzept des Protokolls folgt bewährten, für die IT-Branche geltenden Vorgaben. Mit der Objektorientierung sind die gewünschte Einheitlichkeit und Effizienz sowie die Kompatibilität mit den aktuellen Programmiersprachen gegeben. All diese Vorteile machen OPC UA zum Kommunikationsprotokoll der Wahl.

Vibhoosh Gupta
Vibhoosh Gupta ist verantwortlich für Emersons Geschäftsbereich Maschinenautomationslösungen.
© Emerson

Der Autor

Vibhoosh Gupta verantwortet Emersons Geschäftsbereich Maschinenautomationslösungen. Zu seinen Aufgaben gehören das Erarbeiten und Weiterentwickeln von Steuerungssystemen, Bedienerschnittstellen, Industrie-PCs sowie industriellen IOT-Software- und Hardwareprodukten für die Industrieautomation.


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