KI in ressourcenbeschränkten Produkten

TinyML forciert die Datenanalyse in IoT-Geräten

14. Oktober 2024, 9:00 Uhr | Kjetil Holstad / ak
Der Low-Power-SiP nRF9160 von Nordic Semiconductor unterstützt TinyML des Unternehmens Edge Impulse für Machine Learning vor Ort und ermöglicht eine lange Batterielebensdauer.
© Nordic Semiconductor

TinyML versetzt Mikrocontroller und stromsparende Edge-Geräte in die Lage, Machine Learning durchzuführen. Doch wie lässt sich TinyML implementieren, was kann es leisten und welche technischen Voraussetzungen sind dafür notwendig?

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Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) im IoT – der Fachbegriff hierfür lautet Artificial Intelligence of Things (AIoT) – können eine IoT-Anwendung höchst wertvoll, wenn nicht sogar unentbehrlich machen. Es besteht kein Zweifel, dass KI und ML das IoT intelligenter, nützlicher und leistungsfähiger machen. Neue Kategorien und Klassen von Anwendungen werden möglich, die bisher undenkbar waren.

Aber traditionell bedeuteten KI und ML: Datenverarbeitung – jede Menge Datenverarbeitung. Dafür ist viel Rechenleistung und elektrische Energie erforderlich. Dies hat es bisher fast unmöglich gemacht, KI und ML aller Art mit den ressourcenbeschränkten Geräten und Systemen zu kombinieren, die für das IoT gedacht sind – ganz zu schweigen von batteriebetriebenen Geräten. Die Lösung kommt in Form einer abgespeckten, hochoptimierten Form der KI, die Tiny Machine Learning (TinyML) genannt wird.

TinyML ist nicht ganz neu. Es ist schon überall um uns herum auf dem Vormarsch. TinyML ist beispielsweise ein Leistungsmerkmal digitaler Dienste, die durch »Weckwörter« ausgelöst werden, wie bei den Assistenten Siri und Alexa. Würde man jedoch den Hauptprozessor eines Smartphones dazu verwenden, ständig auf ein Weckwort zu warten, würde dies den Akku stark belasten. Stattdessen bleibt eine separate Einheit mit geringem Stromverbrauch ständig wachsam. Ein TinyML-Algorithmus lauscht auf die spezifischen Klangfrequenzen, die ein Weckwort ausmachen, und aktiviert das Smartphone, sobald er sie hört – das spart laufzeitwichtige Akkuleistung.

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Als Beispiel soll ein Gesundheits- und Fitness-Wearable für Verbraucher dienen. Damit lassen sich Schritte, der Kalorienverbrauch, die Herztätigkeit, das Schlafverhalten und andere physiologisch wichtige Parameter messen. Vor dem Aufkommen von Wearables waren diese Daten noch nie in einem so praktischen und flexiblen Gerät frei verfügbar.

Wird noch KI hinzufügt, erzielt das gleiche Wearable eine völlig neue Dimension an Fähigkeiten und Genauigkeit. Es bildet die Grundlage für ein medizinisches Wearable, das mehrere Vitalparameter gleichzeitig überwachen kann. Eine Kombination aus Sensordaten erkennt medizinische Notfälle und kann sie sogar vorher diagnostizieren. Eine Möglichkeit ist die plötzliche Änderung des Sauerstoffgehalts im Blut, der Herzfrequenz, des Blutdrucks und der Atmung, was auf ein Herzproblem hinweisen kann.

Durch KI verfügen Nutzer plötzlich über ein Wearable, das rund um die Uhr als medizinisches Hilfsmittel dient. Ein solches Gerät ist auch für Ersthelfer von Nutzen, denn damit sind sie für bestimmte Diagnosen gerüstet. Dies kann lebenswichtige Zeit bis zur Bereitstellung intensiverer Pflege sparen.

Durch die Kombination aus stromsparender KI und präziser Datenanalyse ergibt sich somit ein medizinisches Überwachungsprodukt, das die knappen Gesundheitsbudgets optimieren und vor allem Leben retten würde.

Edge-Anwendungen im Fokus

Zu Beginn des IoT gab es die Vorstellung, dass sich alles um Big Data drehen würde: sowohl bei der Erfassung von Millionen von Sensoren als auch bei der Analyse in der Cloud. Es wurde jedoch sehr schnell klar, dass dieser Ansatz technisch und wirtschaftlich nicht durchführbar war.


Das Senden riesiger Mengen ungefilterter Rohdaten in die Cloud wäre zeitaufwendig und kostspielig, setzte die Daten unnötigen Datenschutzrisiken aus und beeinträchtigte den Batteriebetrieb. Es wurde bald klar, dass die Lösung darin bestand, die wichtigsten relevanten Daten herauszufiltern und datengesteuerte Entscheidungen »am Netzwerkrand« zu treffen – an der Edge. Edge Computing ermöglichte alle Arten fortschrittlicher und spannender batteriebetriebener IoT-Anwendungen.

Ein Beispiel ist die vorausschauende Wartung und Überwachung des Stromnetzes. Hier müssen die Versorgungsunternehmen so schnell wie möglich über kritische Ereignisse wie Bäume, die auf Überlandleitungen fallen, Brände, starken Wind und Eis informiert werden. Eine TinyML-Lösung kann vor Ort Störungen an den Stromleitungen erkennen, die durch solche Umweltereignisse verursacht werden.

Die Herausforderung besteht darin, die Sensoren mit Strom zu versorgen. Denn Hochspannungs-Freileitungen lassen sich nicht ohne Weiteres für Niederspannungsstrom anzapfen. Die Lösung ist ein batteriebetriebenes NB-IoT-Gerät, das beispielsweise auf einem Low-Power-SiP der Serie nRF91 von Nordic Semiconductor beruht. Es erreicht eine Batterielebensdauer von zehn Jahren oder mehr.

Das Versorgungsunternehmen sieht das elektrische Signal des Netzes fast in Echtzeit und erkennt mithilfe eines TinyML-Modells Fehler wie etwa Blitzeinschläge. Die NB-IoT-Anbindung sendet dann eine Benachrichtigung über wichtige Ereignisse an den Netzbetreiber. Noch besser: Diese Daten lassen sich auch sammeln, um die zugrunde liegenden ML-Modelle kontinuierlich zu trainieren und zu optimieren.

Wo ist die »Killer-KI-App« im IoT?

Beim AIoT geht es auch darum, bekannte Produkte zu verbessern, indem historische Daten genutzt werden, um Anwendungen reaktionsschneller und effizienter zu machen. Ein Beispiel ist der Kühlschrank – das gängige Haushaltsgerät, von dem es weltweit Milliarden gibt und das für etwa 10 bis 12 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich ist.

Was wäre, wenn eine ML- und mobilfunkbasierte IoT-Einheit in die Steuerung des Kühlschranks integriert würde? Die Nutzungsmuster ließen sich überwachen und anpassen, sodass der Kühlschrankkompressor nie länger in Betrieb wäre als es sein müsste. Dies hätte erheblichen Einfluss auf den weltweiten Energieverbrauch.

Ein weiteres Beispiel sind Waschmaschinen. Auch davon gibt es Milliarden weltweit, und auch hier wird Effizienz erwartet. KI und ML könnten Waschmaschinen auf frühe Anzeichen eines Ausfalls überwachen, indem die Vibrationen aufgezeichnet und analysiert werden, die eine Maschine bei anomalem Betrieb erzeugt. Alle Waschmaschinenhersteller wissen, welche Vibrationen auftreten, wenn die Maschine verschleißt. Sie waren bisher nur nicht in der Lage, sie auf eine technologisch und kommerziell sinnvolle Weise zu überwachen.

Trotz aller Diskussionen über AIoT und ML bleibt die IoT-Revolution eher unsichtbar. Sie findet überall um uns herum in zahllosen Anwendungen statt, aber es gab noch nicht die eine »Killeranwendung«, die das Profil der »stillen Revolution« wirklich geschärft hätte – vor allem in der Öffentlichkeit.

Wird es eine solche Killerapplikation geben, die den Markt in Schwung bringt? Das lässt sich nur schwer vorhersagen. Aber Entwickler können AIoT und ML nutzen, um einige der großen Probleme der Welt zu lösen: Klimawandel, Energieeffizienz, Gesundheitswesen, Sozialfürsorge und wirtschaftliche Gleichstellung. Und auch wenn es keine Killeranwendung gibt, wird das IoT dennoch dazu beitragen, die Welt besser, sicherer und effizienter zu machen.

Kjetil Holstad von Nordic-Semiconductor
Kjetil Holstad von Nordic Semiconductor.
© Nordic Semiconductor

 

Der Autor:

Kjetil Holstad ist Executive Vice President Strategy & Product Management bei Nordic Semiconductor.

 


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