Familienunternehmen und Globalisierung

» Erfolg der Vergangenheit ist größter Ballast für die Zukunft«

29. Juni 2016, 10:40 Uhr | Heinz Arnold
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Der Zwang zur Größe

Als aber Helmut Rudel sein Unternehmen in Ispringen gründete, war davon noch nichts zu spüren. Was nicht heißt, dass den Gründern damals alles in den Schoß gefallen wäre. Thomas Rudel erinnert sich noch an Zinssätze von 14 Prozent. »Unter diesen Umständen zu investieren, ist nicht einfach: Wenn nur ein ganz klein wenig schiefläuft, ist man weg.« Denn die Banken verhielten sich damals auch nicht lieblicher als heute. Die gute alte Zeit, wie sie im Rückblick oft erscheine, habe es so eigentlich nie gegeben.

Andererseits gab es eine quicklebendige Unternehmerszene: »Hunderte von Bestückern, verlängerte Werkbänke und Lohnfertiger, wie man die EMS-Unternehmen damals nannte, tummelten sich in den Regionen und hatten meist auch nur regionale Bedeutung«, sagt Johann Weber, Vorstandsvorsitzender von Zollner. Damals konnten die Unternehmen aber schon mit einer Investition von 100.000 Mark kräftig loslegen. »Heute geht unter 4 Millionen Euro nichts.« Hinzu kommen weitere hohe Aufwände wie etwa für RoHS und die immer mehr um sich greifende Bürokratie.

Der Zwang zur Größe
 
Damit spricht er einen interessanten Punkt an: den Zwang zur Größe. »Ohne eine kritische Masse ist heute nichts mehr zu machen«, erklärt Thomas Rudel. »Vor 20 Jahren galt ein Distributor mit einem Umsatz von 20 Millionen Mark schon etwas. Heute würde das zum Überleben als Broadliner kaum noch reichen.« Immerhin gelang es Rutronik, selbständig zu bleiben und den Weg in die Globalisierung erfolgreich zu gehen – trotz der ständigen Gefährdungen durch den vorausgegangenen Erfolg. Thomas Rudel kann sich in diesem Zusammenhang durchaus an einige kontroverse Gespräche innerhalb der Familie über die Strategie des Unternehmens erinnern.

Und wie sieht die Zukunft aus? Natürlich birgt die Globalisierung noch weitere Herausforderungen in sich. Auch die Schlagwörter IoT, Industrial IoT und Industrie 4.0 stehen für tiefgreifende Veränderungen, die alle Unternehmen betreffen, vollkommen unabhängig davon, in welcher Branche sie arbeiten. Handlungsanweisungen zu geben, ist genauso unmöglich wie vor 20 oder 30 Jahren. Aber ein wenig Demut dürfte hilfreich sein: Nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruhen, nicht an vermeintlich ewig gültigen Wahrheiten krampfhaft festhalten, sich die kreative Unruhe bewahren, Mut, um vollkommen Neues zu wagen, aber andererseits nicht übermütig werden. Gerade familiengeführte Unternehmen, denen die deutsche Wirtschaftskraft so viel verdankt, zeigen hier oft die richtige Mischung aus Bewahrung und Innovation, Mut und Geduld. Bleibt zu hoffen, dass die Rahmenbedingungen in Deutschland so bleiben, dass kleinere und mittelgroße Familienunternehmen ihre Kreativität auf globaler Ebene umsetzen können.

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