Das tat Intel. Wohin die Reise geht, wurde spätestens mit dem Kauf von Altera für 15,8 Mrd. Dollar im Jahr 2015 klar: Aus der Sicht von Intel handelt es sich bei der programmierbaren Logik um Beschleunigungsmaschinen, die die Prozessoren ergänzen und mit deren Hilfe sich Subsysteme aufbauen lassen, die auf die jeweiligen Marktsegmente optimiert sind.
Im Mai 2017 gab Intel die Übernahme von Mobileye für rund 15 Mrd. Dollar bekannt, die Computer-Vision ins Auto brachte und so essenziell für das autonome Fahren wurde. Damit wollte Intel in ein Gebiet vorstoßen, das bisher von Firmen wie Nvidia besetzt wurde. Zusammen sollten beide Unternehmen nahtlose Systeme vom Auto (aus dieser Sicht ein Ding im IoT) bis in die Cloud entwickeln – zu der im Auto geforderten Qualität und dem erforderlichen Preisniveau. Das Wissen beider Firmen auf den Gebieten der Chips und Sensorfusion bis hin zu den erforderlichen Entwicklungsumgebungen und Simulationen auf Systemebene und den für die Systeme benötigten Datenzentren und High-Performance-Computing-Plattformen sollte sich zu ganz neuen Produkten und Geschäftsmodellen kombinieren lassen.
Vor zwei Jahren kam Nervana Systems hinzu, ein damals zwei Jahre altes KI-Startup, über den sich Intel Zugang zur Deep-Learning-Technik und KI verschafft hat. Denn dass sich die bisherige Architektur in KI-Zeiten nicht wie bisher einfach fortsetzen lässt, dürfte kein Geheimnis mehr sein. Unter diesem Aspekt ist auch der Zukauf von eASIC im Juli 2018 zu sehen, der weitere Programmierbarkeit in die Systeme bringen sollte. Dazu passt auch die jüngste Übernahme des kleinen KI-Startups Vertex. Im Grunde handelt es sich auch hier wieder um Beschleunigungsmaschinen, auf deren Basis Intel eigene KI-Systeme entwickeln will.
Genauso wichtig in dem neuen Umfeld sind neben KI-Prozessoren die Speicher-ICs, die an die neuen Prozessorarchitekturen angepasst werden müssen. Weil die Anforderungen an Prozessoren und Speicher oft divergent sind, können sie nicht durchgehend monolithisch integriert werden. Die Speicherelemente sollten aber dennoch so nah wie möglich an den Prozessorelementen sitzen, was die Packaging-Technik ins Spiel bringt. Techniken wie TSV werden hier eine entscheidende Rolle spielen. HBM und die Anbindung von Ternary Content Adressable Memories sind entsprechende Beispiele.
5G muss auf die Straße – denn ohne Connectivity ist alles nichts
Besonderen Wert legt Intel dabei auf die Entwicklung von 5G-Systemen, sowohl auf der Seite der Modems als auch der Infrastruktur bis zu den dazu erforderlichen Datenzentren und dem High-Performance-Computing. »Connectivity spielt in der künftigen KI-Welt eine entscheidende Rolle«, so Hannes Schwaderer. Denn nur so können die Dinge im IoT die Daten weiterleiten und der weiteren Analyse zugänglich machen. Ein Kompetenzzentrum von Intel für 5G befindet sich nach der Übernahme des Baseband-Prozessorgeschäfts von Infineon im deutschsprachigen Raum. Damals hatte Intel rund 1900 Mitarbeiter übernommen. »Dass daraus in der Zwischenzeit rund 2500 Mitarbeiter geworden sind, unterstreicht die Bedeutung, die Intel diesem Sektor beimisst«, so Schwaderer. Weil die Bedeutung so hoch ist, steuert Intel die weltweiten 5G-Aktivitäten zwar vom Firmensitz in den USA aus, doch bietet gerade Deutschland mit seinen vielfältigen Aktivitäten rund um Industrie 4.0 und Automotive ein ideales Umfeld, um Entwicklungen voranzutreiben.
Und damit zurück zur datenzentrierten Strategie. Was Datenwachstum über die kommenden Jahre heißt, macht Schwaderer an einigen weiteren Beispielen klar: Für das Jahr 2020 schätzt Intel, dass ein einziges autonom fahrendes Fahrzeug pro Tag 4 TB an Daten generiert. Ein Flugzeug wird es vermutlich auf 5 TB bringen, was gemessen an der Tatsache, dass ein einziges Düsentriebwerk heute schon pro Flug 1 TB an Daten produziert, eher konservativ geschätzt sein dürfte. Die Smart Factory des Jahres 2020 wird das sogar noch in den Schatten stellen, rund 1 PB an Daten dürfte sie produzieren. Und das Cloud-Video-Processing dürfte mit 750 PB pro Tag diesen Wert noch einmal um ein Vielfaches übertreffen.
»Wenn wir den Markt jetzt aus datenzentrierter Sicht einschätzen und nicht nur auf die Prozessoren blicken, die in die Datenzentren wandern, sondern auch die übrigen Komponenten mit einbeziehen, also Beschleuniger, die Komponenten für die Konnektivität, die Speicher-ICs und das Networking, dann können wir den TAM sehr weit nach oben korrigieren«, erklärt Schwaderer weiter. Im Jahr 2022 werden dann nach der Schätzung von Intel Halbleiter im Wert von rund 90 Mrd. Dollar in Netzwerken, in Speichersystemen, in der Konnektivität und der KI arbeiten. Den TAM für nichtflüchtige Speicher schätzt er für 2022 auf 75 Mrd. Dollar, für ICs in ADS, Industrie, Video-Retail und AI, also alles, was mit IoT zu tun hat, auf 33 Mrd. Dollar und für FPGAs alleine auf 8 Mrd. Dollar. Insgesamt winkt ein TAM für Halbleiter von über 200 Mrd. Dollar; die Wachstumsrate zwischen 2017 und 2022 dürfte bei 9 Prozent liegen.
Heute erzielt Intel zwar noch etwas über die Hälfte des Umsatzes mit Client-Systemen und Servern/Datenzentren, das werde sich aber schon bald in Richtung der Data-centric World umkehren. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich Intel tatsächlich zu einer datenzentriert denkenden Firma wandelt und dass die vielen interessanten übernommenen Firmen effektiv ins Unternehmen integriert werden können. Wenn dies gelingt, dann dürfte Intel von der neuen KI-Welt stark profitieren – würde dann aber auch kaum noch an die Prozessorfirma für PCs und Server von einst erinnern. Daran arbeitet die Gruppe um Hannes Schwaderer mit Hochdruck.