»Die Verbraucher sollen nicht den Zähler wollen, sondern die darauf basierenden Dienstleistungen«, sagt Daniel Böhm von DNV GL Energy im Gespräch mit Energie & Technik. Deshalb sei es dringend erforderlich, das Thema Smart Metering losgelöst von den Geräten und in einem größeren Kontext zu betrachten.
Energie & Technik: Die Kosten-Nutzen-Analyse, die Ernst & Young im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt und im Sommer letzten Jahres vorgelegt hatte, schlug die verbindliche Installation von intelligenten Messsystemen ab einem Verbrauch von 6000 kWh pro Jahr vor. Jetzt gibt es Bestrebungen, die Schwelle anzuheben. Welche Folgen hätte das?
Daniel Böhm, Head of Section Smart Grid Technology von DNV GL Energy: Die KNA hat die bereits im EnWG festgelegte Grenze von 6.000 kWh Jahresverbrauch bestätigt und unterstellt, dass ab diesem Verbrauch ein Potential zur Endenergieeinsparung mit Hilfe intelligenter Messsysteme gegeben ist. Die aktuell im EnWG festgelegten Einbauverpflichtungen entsprechen in Abhängigkeit vom jeweiligen Verteilnetz in etwa einer Verbreitung von Messsystemen in der Größenordnung von etwa 15-18 Prozent aller Messstellen.
Je größer der Energieverbrauch umso größer ist das Potential, ihn zu verringern. Einige Energieversorgungsunternehmen und Verbände hegen Zweifel, dass bei einem Jahresverbrauch von 6.000 kWh ein ausreichend großes Potential zu Energieeinsparung gegeben ist, das sich durch den Einsatz intelligenter Messsysteme heben ließe.
Deswegen wird der Vorschlag unterbreitet, diese Grenze auf 10.000 kWh anzuheben. Dies hätte zur Folge, dass wesentlich weniger Endkunden vom Einbau intelligenter Messsysteme betroffen wären. Wir gehen hier aktuell von einem niedrigen einstelligen Prozentsatz aus. Messstellenbetreiber müssten demzufolge weniger Geräte beschaffen.
Das würde also zu einer Senkung der Anschaffungskosten führen?
Auf den auf den ersten Blick könnte dies zu einer Senkung der Anschaffungskosten zumindest für Geräte führen. Es ist allerdings auch davon auszugehen, dass die spezifischen Gerätepreise durch den geringeren Absatz steigen werden. Die Anschaffungs- und Implementierungskosten für die zentralen IT-Systeme sowie die Kosten für die Anpassung der Prozesse und Implementierung der Kommunikationsinfrastruktur dürften davon erstmal unberührt bleiben. Unternehmen, die vorher vielleicht noch mit dem Gedanken gespielt haben, den Roll Out intelligenter Messsysteme selber durchzuführen, dürften in dem neuen Szenario eher auf ein Kooperations- bzw. Outsourcing Modell zurückgreifen.
Auf der E-World in Essen im Februar dieses Jahres waren die Hersteller von Zählern und Gateways noch optimistisch, dass große Pilotprojekte im kommenden Jahr starten und der Roll-out dann 2016 loslegen würde. Ist der Zeitplan noch zu halten?
Messstellenbetreiber richten ihre Planungen in aktuellen Vorbereitungsprojekten zumindest auf diesen Zeitraum aus. In diesen Projekten wird aber deutlich, dass es nach wie vor eine große Abhängigkeit von externen Rahmenbedingungen gibt. So ist rechtlich noch nicht klar, was wieviel bis wann ausgerollt werden soll. Dies wird vermutlich im Verordnungspaket »intelligente Netze« des BMWi festgelegt werden. Dieses Verordnungspaket ist für Q3/Q4 dieses Jahres vorgesehen. Regulatorisch steht noch nicht fest, welche Kosten dem Messstellenbetreiber oder EVU anerkannt werden.
Welche Kosten kommen überhaupt auf die Messstellenbetreiber und EVUs zu?
Die Kostendiskussion dreht sich immer stark um Zähler und Gateway. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass insbesondere in der IT und den Prozessen auch Aufwendungen und damit hohe Kosten stecken. Ein weiterer großer offener Punkt sind die anzupassenden Marktprozesse. Die Wechselprozesse im Messwesen (WiM) fokussieren heute ausschließlich auf den Wechsel des Messstellenbetreibers und/oder Messdienstleisters. Zukünftig müssen diese auch den Wechsel eines Smart Meter Gateway-Administrators abdecken können. Dies ist insbesondere bei Konzessionsübernahmen und -abgaben relevant. Neben rechtlichen und regulatorischen Fragestellungen sind außerdem noch technische Punkte offen. Bevor Geräte standardmäßig, also nicht nur im Rahmen von Pilotprojekten, verbaut werden, sollten diese zertifiziert sein. Hier sind insbesondere die Zertifizierungen durch den FNN MeKo für Protokoll- und Funktionskonformität und durch das BSI für Sicherheitsaspekte zu nennen.
Nimmt man all diese Punkte zusammen und bedenkt, dass dieses sehr komplexe Gebilde reibungslos und massengeschäftstauglich funktionieren muss, halte ich den Rollout im Jahr 2016 zumindest für sehr optimistisch.