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Netzteile und ihre Zuverlässigkeit (Teil 2)

15. Februar 2021, 14:00 Uhr | Ron Stull, CUI
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Auswahl der Bauteile und Fertigung

Nach dem Design ist der nächste wichtige Schritt die Auswahl spezifischer Bauelemente und Anbieter. Diese Bauelemente müssen nicht nur die vom Entwickler angegebenen Spezifikationen erfüllen, sondern auch zum Fertigungsprozess kompatibel sein. Dies kann Montagelaschen, ausreichend große Verbindungspunkte, schwere Drahtleitungen sowie gegebenenfalls Schraubklemmen mit einschließen.

Magnetische Komponenten (Transformatoren und Induktivitäten) sind zwar vom Konzept her einfach, erfordern jedoch besondere Aufmerksamkeit. Sind sie nicht richtig konzipiert oder aufgebaut oder sind ihre Kernhälften nicht richtig verklebt, können sie hörbar zu schwingen beginnen. Dies ist nicht nur für Nutzer irritierend, sondern kann auch zu ermüdungsbedingten Ausfällen und Brüchen führen, wobei Bauelemente von der Platine fallen können.

Glaubwürdigkeit und Konformität des Anbieters sind entscheidend. Der Grund dafür ist, dass es zunächst schwierig ist, ein korrekt und konsistent gefertigten Bauteil – beispielsweise einen Kondensator – von einen schlecht gefertigten Bauteil zu unterscheiden. Daher ist es wichtig, mit einem kompetenten Lieferanten zusammenzuarbeiten. Dadurch lässt sich sicherstellen, dass die Materialbeschaffung und Lieferkette, der Herstellungsprozess und die Qualifizierung/Verifizierung ordnungsgemäß dokumentiert und eingehalten werden.

Es gibt auch allgemeine Bauteilfaktoren: Einige Bauteilklassen sind naturgemäß fehleranfälliger als andere. So sind Festwiderstände zuverlässiger als variable Widerstände (Potentiometer) und Filmkondensatoren sind zuverlässiger als Elektrolytkondensatoren.

Selbst wenn das Design solide ist und die Bauteile auf der Stückliste von glaubwürdigen Lieferanten bereitgestellt wird, müssen das Design und die Bauteile so gestaltet sein, dass sie montiert werden können. Bei Bedarf müssen dann Halterungen und Stützen verwendet werden, da viele Bauelemente in Stromversorgungen im Gegensatz zu ICs relativ groß und schwer sind.

Sogar die grundlegenden Lötverfahren beim Aufbau von Netzteilen sind zu berücksichtigen. Die gängigen Reflow-Löttemperaturprofile sind gut etabliert für traditionelle bleihaltige Lote. Die Vorschriften für bleifreie Bauelemente und Lötmittel erfordern jedoch ein etwas anderes Reflow-Lötprofil. So muss die Spitzentemperatur höher sein, um den richtigen Lötfluss, eine Dochtwirkung und eine zuverlässige Verbindung zu gewährleisten. Daher müssen alle verwendeten Bauelemente auch qualifiziert sein, um nach dieser höheren Reflow-Temperatur und Einwirk-/Lötzeit die Spezifikationen zu erfüllen.

Zuverlässigkeit weiter steigern

Neben einem umsichtigen elektrischen Design kann der Zulieferer viele Maßnahmen ergreifen, um die Gesamtzuverlässigkeit zu erhöhen. Darunter fallen verbesserte Bauteile, Redundanz und Derating.

Bauteile, die von Natur aus zuverlässiger sind – aufgrund der Physik, ihres Designs, ihrer Materialien oder ihres Herstellungs- und Testprozesses – können das Gesamtrisiko erheblich reduzieren, erhöhen jedoch die Gesamtkosten. Bei Stromversorgungen sind die Kondensatoren der häufigste Fehlerpunkt. Daher hat die Verwendung von Kondensatoren mit längerer Lebensdauer den größten Effekt.

Bei der Basisredundanz werden nur N identische Stromversorgungen für die Last benötigt, aber N+1 werden parallel verwendet, wobei N so niedrig wie eins sein kann, aber meist eine Zahl zwischen zwei und sechs ist. Fällt eine der N Einheiten aus, können die verbleibenden Einheiten den erforderlichen Ausgangsstrom liefern. Dieser Ansatz funktioniert deshalb, weil die Wahrscheinlichkeit, dass mehr als eine Einheit ausfällt, recht gering ist. Beträgt zum Beispiel die Ausfallwahrscheinlichkeit bei einer einzelnen Stromversorgung zum Beispiel 1 %, dann sinkt diese bei zwei parallelgeschalteten Stromversorgung auf 100 ppm (1 % × 1 %; Bild 3). Natürlich bringt die N+1-Redundanz auch höhere Vorlaufkosten und häufig die Notwendigkeit einer Hot-Swap-Fähigkeit mit sich, um die ausgefallene Versorgung zu ersetzen.

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Bild 3: Bei einer N+1-Redundanz sinkt die Wahrscheinlichkeit eines Systemausfalls.
© CUI

Bauelemente zu verwenden, die weit unter ihren Nennspezifikationen liegt, ist eine einfache Methode, um die Zuverlässigkeit zu steigern. Diese Methode ist als Derating bekannt. Betreibt man beispielsweise ein Bauteil, das für einen zuverlässigen Betrieb bei +85 °C ausgelegt ist, nur bei +55°C, dann steigt die Zuverlässigkeit. Als Faustregel gilt, dass sich die Lebensdauer eines Bauteils bei jedem Temperaturabfall um 10 K verdoppelt. Diese Beziehung zwischen Temperatur und Lebensdauer basiert auf dem theoretischen Rahmen der Arrhenius-Gleichung, die Temperatur und Alterungsbeschleunigung in Beziehung setzt, als auch auf einer erheblichen Menge von Testdaten aus der Branche.

Teststrategie und Wärmemanagement

Gemäß der Ausfallwahrscheinlichkeit ist ein Ausfall in der frühen Phase der Lebensdauer eines Bauteils wahrscheinlicher als während seiner Nutzungsdauer [1]. Durch Burn-in-Tests werden Bauteile ausgesondert, die schon früh im Feld ausgefallen wären und daher die Gesamtzuverlässigkeit herabgesetzt hätten.

Zu beachten ist, dass sich Burn-in-Tests zum Ausmerzen früher Fehler von Tests über eine längere Lebensdauer unterscheiden. Burn-in identifiziert frühe Bauteilausfälle, was besonders hilfreich ist, um ein frühzeitiges Versagen im Feld zu vermeiden. Lebensdauertests durch verlängerte Nutzung des Netzteils sollen die Zuverlässigkeitszahlen bestätigen, sind jedoch kein Ersatz für eine gründliche Designanalyse und Fertigung.

Lebensdauertests sind Teil des langfristigen Produktinspektionsprozesses und können nützliches Feedback zum Design- und Fertigungsprozess geben. Für ein gut konzipiertes und gebautes Netzteil ist die Anzahl der langfristigen Ausfälle relativ gering, und es ist schwierig, aus diesen kleinen Zahlenreihen zu extrapolieren. Kleine Änderungen der zugrunde liegenden Annahmen können zu großen Unterschieden im Ergebnis der numerischen Analyse führen.

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Bild 4: Einfluss der Temperatur auf die projizierte Lebensdauer eines Bauelements. Die Darstellung basiert auf einem Bauteil, das für +85 °C und eine Aktivierungsenergie (Ea) von 1,0 ausgelegt ist.
© CUI

Wie oben unter dem Stichwort Derating angedeutet, wirkt sich die Arbeitstemperatur erheblich auf die Zuverlässigkeit aus (Bild 4). Dieser Effekt basiert auf der Arrhenius-Gleichung, mit der die Beschleunigung der temperaturabhängigen physikalischen Prozesse modelliert wird, die zum Verschleiß führen. Aus der Arrhenius-Gleichung lässt sich schlussfolgern, dass der beste Weg, um die Zuverlässigkeit zu erhöhen, darin besteht, die Höhe des Temperaturanstieg und die Zahl der Temperaturzyklen zu minimieren. Dies erfordert jedoch ein sorgfältig geplantes Wärmemanagement der Kühlung über einen oder mehrere Kühlarten: Konvektion, Leitung und Strahlung.

Da es davon abhängt, wie der Kunde das Netzteil montiert, sind das Gehäuse, zusätzliche Bauteile im Gehäuse, die Umgebungsbedingungen, Verwendung oder Nichtverwendung aktiver Kühlung wie Lüfter und andere Faktoren, häufig außerhalb der direkten Kontrolle des OEM.
 
REFERENZEN

[1] Ron Stull, Netzteile und ihre Zuverlässigkeit (Teil 1), DESIGN&ELEKTRONIK 10/2020 S. 45ff.


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  2. Auswahl der Bauteile und Fertigung

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