Der LMG3410 von TI ist das industrieweit erste 600-V-Kombiprodukt aus GaN-Baustein und Treiber. Das Multichip Module (MCM) im 8 × 8 mm² großen QFN-Gehäuse (Quad Flat No-lead) besteht aus einem GaN-FET und einem Treiber mit integriertem 20-V-Serien-FET. Der Gesamt-RDS(on) beträgt 75 mΩ. Bild 4 zeigt ein Blockschaltbild dieses Bausteins. Der Gate-Treiber ermöglicht die direkte Ansteuerung des GaN-FET und enthält einen eingebauten Buck-Boost-Wandler zur Erzeugung der negativen Spannung, die das Abschalten des GaN-FET bewirkt. Der Gate-Treiber arbeitet an einer einzigen Versorgungsspannung von 12 V und erzeugt mit einem eingebauten Low-Dropout-Regler die erforderlichen 5 V für den Treiber und weitere Ansteuerschaltungen. Eine interne UVLO-Schaltung (Undervoltage Lockout) hält den FET sicher im abgeschalteten Zustand, bis die Eingangsspannung die Grenze von 9,5 V überschreitet. Sobald die Einschaltschwelle der UVLO-Schaltung überschritten ist, schaltet der Buck-Boost-Wandler ein und lädt die negative Versorgungsspannung (UNEG). Der Treiber wird aktiviert, sobald die UNEG-Versorgungsspannung den Grenzwert ihrer eigenen UVLO-Schaltung überschreitet.
Die integrierte direkte Ansteuerung des LMG3410 bietet zahlreiche Vorteile gegenüber einer diskreten Lösung aus GaN-Baustein und separatem Treiber. Ein entscheidender Aspekt des Gate-Treibers ist das Kontrollieren der Anstiegsgeschwindigkeit bei harten Schaltvorgängen. Der LMG3410 nutzt deshalb eine programmierbare Stromquelle zum Ansteuern des Gates des GaN-Bausteins. Die Stromquelle besitzt die nötige Impedanz zum Bedämpfen der Gate-Schleife und gibt dem Anwender die Möglichkeit zum kontrollierten Programmieren der Anstiegsgeschwindigkeit auf Werte zwischen 30 V/ns und 100 V/ns, um den parasitären Elementen der Leiterplatte und den EMI-Belangen Rechnung zu tragen.
Die Integration des Serien-FET in das Treiber-IC macht es möglich, mit einem Sense-FET und einer Strommessschaltung einen Überstromschutz für den GaN-Baustein zu realisieren. Das ist ein entscheidendes Feature, von dem die Gesamtzuverlässigkeit profitiert. Bei GaN-Bausteinen vom Anreicherungstyp kommt dieses Strommessverfahren nicht in Betracht. Die Überstrom-Schutzschaltung spricht an, sobald im GaN-FET ein Strom von über 40 A fließt. Der GaN-FET schaltet bei einem Überstrom-Ereignis binnen 60 ns ab und verhindert dadurch ein Überhitzen des Die.
Durch die Unterbringung des Treiber-Die auf einem gemeinsamen Die Attach Pad (DAP) mit dem GaN-FET kann der Leadframe am Treiber-Die die Temperatur des GaN-Bausteins erfassen. Der Treiber kann den Baustein schützen, indem er die Ansteuerung des GaN-Bausteins im Fall eines Übertemperatur-Ereignisses deaktiviert. Der LMG3410 verfügt ferner über einen FAULT-Ausgang, mit dem der Controller informiert wird, dass das Schalten wegen eines Fehlers eingestellt wurde.
Um die Funktionsweise bei direkter Ansteuerung zu überprüfen, bauten die Autoren eine Halbbrücken-Platine und konfigurierten diese als Abwärtswandler (Bild 5). Sie nutzten ferner einen bidirektionalen Pegelumsetzer des Typs ISO7831, um die high-seitigen Treibersignale zuzuführen und umgekehrt das FAULT-Signal herauszuführen.
In Bild 6 schaltet die GaN-Halbbrücken-Konfiguration einen Strom von 1,5 A an einem 480-V-Bus mit einer Anstiegsgeschwindigkeit von 100 V/ns. Die blaue Kurve zeigt die Spannung am Schaltknoten, während es sich bei der violetten Kurve um den Strom in der Induktivität handelt. Das Einschalten im hart schaltenden Betrieb erfolgt sauber mit einem Überschwingen von rund 50 V. Diese Kurve wurde mit einem 1-GHz-Oszilloskop und einem entsprechenden Tastkopf aufgezeichnet, um etwaiges hochfrequentes Schwingen erkennen zu können. Dank der kurzen Einschaltzeiten, der geringeren Kapazitäten und des Wegfalls der Sperrverzögerungsladung kann die GaN-basierte Halbbrücken-Konfiguration auch im hart schaltenden Betrieb einen hohen Wirkungsgrad erzielen.
[1] B.J. Baliga: „Power Semiconductor Device Figure-of-Merit for High Frequency Applications,” IEEE Electron Device Letters, Vol. 10, S. 455-457, 1989.
[2] M. Seeman et al.: „Advantages of GaN in a High-Voltage Resonant LLC Converter,” IEEE APEC, S. 476-483, März 2014.
[3] S. Bahl et al.: „New Electrical Overstress and Energy Loss Mechanism in GaN Cascodes,” APEC 2015.
[4] X. Huang et al.: „Characterization and Enhancement of 600V Cascode GaN Device,” Virginia Tech 2015 CPES Industry Webinar, 11. März 2015.
Paul L. Brohlin
ist Development-Manager der GaN- und NEXT-Produkte bei Texas Instruments. Als solcher ist er verantwortlich für die Entwicklung von GaN-Produkten mit mittleren (50 V bis 200 V) und hohen (600 V) Spannungen. Auch für die nächste Generation der Hochspannungs-Stromversorgungs-Produkte von TI ist er zuständig. Zuvor entwickelte er für TI Produkte in mehreren Gebieten der Leistungselektronik, inklusive Ladegeräten, DC-DC-Wandlern und LDOs. Er hat einen Abschluss in Elektrotechnik der Texas A&M University.
Yogesh K. Ramadass
ist Director of Power Managment R&D und Senior Member Technical Staff im Kilby Lab von Texas Instruments. Er hat einen Doktor in Elektrotechnik des Massachusetts Institute of Technology.
Cetin Kaya
arbeitet seit 1988 für Texas Instruments. Als Power-IC-Designer hat er Erfahrungen mit GaN, Halbleitern mit großer Bandlücke, Leistungsstufen, der Physik von Bauelementen und der Prozessintegration. Er hat einen Doktor in Elektrotechnik der Yale University und hält 37 Patente.