Projekt LINCNET

Lichtbasierte Datenautobahn für Industrie 4.0 und Medizintechnik

26. Oktober 2024, 12:30 Uhr | Nicole Wörner
Die Grafik zeigt den typischen LINCNET-Aufbau in der Industrie und im Krankenhaus. Die Daten werden jeweils aus der Stromleitung extrahiert und mit LiFi übertragen.
© Devolo

WLAN-Netzwerke stoßen oft an ihre Grenzen, besonders in industriellen und medizinischen Umgebungen. Das Projekt LINCNET des Fraunhofer HHI setzt auf Licht als Datenkanal und verspricht eine effiziente und sichere Alternative zur Funkübertragung.

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Die Industrie-4.0-Fertigung ist auf ständige Veränderungen ausgerichtet. Bei kurzfristigen Auftragsänderungen müssen sich Maschinen, Roboter und Messgeräte schnell neu platzieren und in umgebaute Fertigungsabläufe integrieren lassen. Ähnliches gilt im Gesundheitswesen.

In beiden Fällen sind herkömmliche Netzwerke, in denen Maschinen und Geräte per WLAN angebunden sind, nicht immer optimal. In Produktionshallen können sich die verschiedenen Funknetzwerke unvorhersehbar stören. In sensiblen Umgebungen wie beispielsweise im Operationssaal eines Krankenhauses sind auch elektromagnetische Emissionen der Funknetzwerke problematisch. Hinzu kommen Risiken für die Datensicherheit. Der Datenverkehr ist zwar verschlüsselt, das Funknetz bleibt für potenzielle Angreifer aber prinzipiell sichtbar.

Licht als Alternative

Forscher vom Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut, HHI in Berlin arbeiten gemeinsam mit Projektpartnern an einem vielversprechenden Ansatz: die Datenübertragung über Licht. Im Projekt LINCNET (das steht für LiFi-enabled 5G for INdustrial and MediCal NETworks, auf Deutsch: LiFi-gestütztes 5G für industrielle und medizintechnische Netzwerke) nutzen die Fraunhofer-Forscher die Möglichkeit, Daten durch Modulation von Lichtimpulsen zu übertragen. Als Lichtquelle dienen handelsübliche LEDs, und als Empfänger kommen Photodioden zum Einsatz.

Kombination von 5G, PLC und LiFi

Das Konzept sieht vor, das schnelle 5G-Datennetz mit der Datenübertragung über das vorhandene Stromnetz (Powerline-Communication, PLC) zu kombinieren, um die Daten in jeden Raum zu bringen und sie dort mittels Licht (LiFi) auf den letzten Metern drahtlos zu übertragen. Die Lichtsignale dringen nicht durch Wände. Das reduziert elektromagnetische Emissionen und ist energieeffizienter. Mit PLC entfällt außerdem die kostspielige Verlegung zusätzlicher Kabel für das Netzwerk. Für die Entwicklung und Optimierung von PLC ist der Konsortialführer von LINCNET, das Aachener Unternehmen Devolo Solutions, zuständig. Die Daten aus dem Stromnetz werden über ein LiFi-Modul in Steuersignale für das Licht umgewandelt. Das Licht wird kontinuierlich heller und dunkler moduliert. Die LEDs senden ihre Daten an Endgeräte, die mit Empfangs- und Sende-Einheiten ausgestattet sind. Die Signaländerungen erfolgen 200 Millionen Mal pro Sekunde und werden vom menschlichen Auge nicht wahrgenommen.

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Fraunhofer HHI
Das Demonstrator-Modul wird direkt an die Steckdose angeschlossen und extrahiert die Daten aus der Stromleitung.
© Fraunhofer HHI

Extrem schnelle, abhörsichere Datenübertragung

Gegenüber der funkbasierten Datenübertragung hat LiFi klare Vorteile. Die Übertragung ist extrem robust und leistungsstark. In lokalen Netzwerken ermöglicht sie Latenzzeiten unter 2 Millisekunden und Übertragungsraten bis zu 1 Gigabit pro Sekunde. Projektleiter Lennert Bober nennt weitere Vorteile: »Licht dringt nicht durch Wände und ist somit abhörsicher. Zudem wird die Datenübertragung nicht von anderen Funknetzwerken oder von Maschinen mit Störstrahlung beeinträchtigt und kann diese auch nicht stören.« Weil die Daten nur innerhalb des Lichtkegels übertragen werden, lassen sich viele Maschinen oder Geräte gleichzeitig mit Daten versorgen, ohne dass die Lichtsignale einander stören.

Deckenmodul verwandelt Daten in Lichtsignale

Das Team des Fraunhofer HHI nutzt seine jahrzehntelange Expertise im Bereich der lichtgestützten Datenübertragung. Das Fraunhofer HHI hat LiFi mitentwickelt und trägt auch maßgeblich zur Standardisierung bei. Für das Projekt LINCNET haben die Forscher ein Deckenmodul mit digitalem Signalprozessor (DSP) entwickelt. Es extrahiert die Daten aus dem Stromfluss und verwandelt diese in die elektrischen Signale für die Modulation der Lichtquelle. Die LED sendet die Daten von der Decke an das im Lichtkegel platzierte Endgerät, also beispielsweise einen Roboter in der Fertigung oder ein Ultraschallgerät in der Klinik. Im Lichtkegel sind die Daten ebenso abgeschottet wie in einem Kabel. »Es ist so sicher und performant wie ein Kabelnetzwerk – nur ohne Kabel«, erklärt Projektleiter Bober.

Fraunhofer HHI
Eine LED an der Oberfläche sendet die Daten durch moduliertes Licht an die Endgeräte im Raum.
© Fraunhofer HHI

Für die Industrie hat Licht einen weiteren entscheidenden Vorteil. Anwender können das Lichtspektrum nach Belieben nutzen, denn die im Funkbereich etablierten Regulierungen gibt es bei Licht nicht. »Sie müssen keine Anträge auf Nutzung einer Frequenz stellen und keine Lizenzgebühren zahlen«, ergänzt Bober.

Hochskalierbare LiFi-Netzwerke

Die Forscher vom Fraunhofer-Institut HHI arbeiten im Projekt parallel bereits an einer weiteren Verbesserung von LiFi-Netzwerken. Statt LiFi via Powerline-Communication mit dem Stromnetz zu verbinden, entwickeln sie auch eine Kombination mit schnellen Ethernet-basierten Netzwerken. Während die Backhaul-Anbindung von Drahtlos-Zugangspunkten über Ethernet üblich ist, findet hier zusätzlich ein zentralisierter Ansatz ähnlich wie in 5G Mobilfunknetzen Anwendung. Als sogenanntes Fronthaul-Netzwerk verbindet Ethernet jedes LiFi-Deckenmodul mit einem zentralen Computer, der LiFi-Übertragungen feingranular koordiniert und somit die Übertragungsleistung deutlich steigert. »Für die Echtzeit-Steuerung von Robotern oder High-End-Szenarien in der Medizin sind hochskalierbare Ethernet-Leitungen im Verbund mit LiFi eine wunderbare Kombination«, sagt Bober.

Für Unternehmen wie auch Krankenhäuser kann LINCNET einen spürbaren Schub für die weitere Digitalisierung geben und durch den Aufbau von Kompetenzen in der optischen Drahtloskommunikation die technologische Souveränität in Deutschland fördern.


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