URLLC und Network Slicing sind häufig genannte Begriffe im Zusammenhang mit 5G. Worauf zielen sie konkret ab?
5G entwickelt einige spezielle neue Funktionen, die eine Expansion in neue Branchen und Anwendungsbereiche ermöglichen sollen. Ultra Reliable Low Latency Communication, kurz URLLC, und Network Slicing sind dabei zwei der wichtigsten Funktionen. URLLC ist in die Kategorien „Ultra Reliable“ und „Low Latency“ unterteilt, die entweder separat oder zusammen erforderlich sein können. Ultra Reliable zielt darauf ab, eine Kommunikationsverbindung mit einem Service von mehr als 99,999 Prozent bereitzustellen, sodass sicherheits- oder prozesskritische Kommunikationen mit einer sehr geringen Anzahl von Fehlern oder Datenverlust stattfinden können.
Low Latency bietet eine Funkanbindung mit einer Latenz von weniger als einer Millisekunde, sodass sich Echtzeit- und interaktive Dienste ohne Zeitverzögerungen oder Jitter umsetzen lassen – z.B. die Fernsteuerung von Robotern/Cobots und das Erstellen eines digitalen Zwillings, bei dem der Bediener eine Echtzeit- und Live-Interaktion mit den audiovisuellen Elementen – wie etwa das Eintauchen in die virtuelle Realität – und den mechanischen/sensorischen Elementen – also etwa ein haptisches Feedback – erfahren muss.
Network Slicing ist eine Technik, mit der Netzbetreiber in ihrem Netz einen Dienst anbieten können, der scheinbar auf einem völlig separaten Netz ausgeführt wird. Dies ermöglicht anderen Branchen, die Infrastruktur des bestehenden Netzbetreibers zu nutzen – statt ein eigenes Netz aufzubauen –, aber dennoch weiterhin über einen eigenen Netzzugang, eigene Kapazitäten und die Dienste zu verfügen, die Leistungsfähigkeit und Dienstqualität garantieren. Obwohl das physische Netzwerk mit anderen Nutzern geteilt wird, hat jeder Kunde unter Leistungsgesichtspunkten einen eigenen „Teil“ (Slice) des Netzes, der seine eigenen Leistungsmerkmale und seine eigene Servicequalität aufweist.
Wie geht es mit 5G und den Testanforderungen weiter?
Der erste Schritt ist, Release 16 und neue Branchen mit Techniken wie Network Slicing und URLLC zu unterstützen. Darüber hinaus wurde die Millimeterwellentechnik (FR2) aufgewertet, um das Handover und das Benutzererlebnis zu verbessern. Die Spezifikationen wurden erst im Juni 2020 festgelegt, sodass das Ökosystem die Technik nun umsetzen und mit der Bereitstellung beginnen kann. Release 17 hat zum Ziel, die Arbeit des Release 16 fortzusetzen, die Unterstützung für neue Branchen zu erweitern und zusätzlich nötige Funktionen hinzuzufügen. Der Umfang des Release 17 ist festgelegt, aber der genaue Inhalt und die Funktionen werden derzeit noch von der 3GPP vereinbart. Die Testbranche ist aufgefordert, die Technologie-Protokolle und Funktionen für Netzwerk-, Chipsatz- und Modemtests umzusetzen und neue Testmethoden für diese komplexen und anspruchsvollen Leistungsspezifikationen zu entwickeln. Wichtig ist, dass weder die Benutzerfreundlichkeit noch die Flexibilität verloren gehen.
Zudem wird erwartet, dass Release 18 und Release 19 die 5G-Technik für neue Anwendungen weiterentwickeln und verfeinern sowie die vorhandenen Funktionen verbessern. Dazu werden wohl auch satellitengestützte Netzwerke – die bereits ab Release 17 eingeführt werden – und andere Techniken für eine flexiblere und umfassendere Abdeckung zählen.
Ein Blick in die Zukunft: Wie sieht es mit der nächsten Generation, mit 6G, aus?
Die Forschung hat bereits begonnen, sich mit 6G zu befassen. Dabei geht es um grundlegend neue Netzwerkarchitekturen, neue Frequenzbänder wie etwa Terahertz-Bänder und neue Modulations-/Kodierungsschemata, um eine bessere spektrale Effizienz und noch höhere Datenraten bereitzustellen. Man geht davon aus, dass sich 6G-Konzepte ab dem Jahr 2026 konsolidieren werden – mit der ersten Veröffentlichung einer Spezifikation vielleicht im Jahr 2028 und ersten Netzwerken um 2030. Daher wird sich die Messtechnikbranche parallel zur 6G-Kerntechnik weiterentwickeln und die grundlegenden Technologien wie die Terahertz-Frequenzkomponenten als auch die entsprechenden neuen Testmethoden und -umgebungen entwickeln.
Wie bereitet sich Anritsu sich auf 6G vor?
Natürlich steht 6G erst ganz am Anfang, und es ist zu früh, um genau zu sagen, was da auf uns zukommt. Wir sehen aber einige wichtige Trends in der Kommunikationstechnik, die wir voraussichtlich mit 6G umsetzen werden. Zuerst steht die Umstellung auf noch höhere Frequenzbänder jenseits des 24- bis 52-GHz-Bereichs an, wo 5G erstmals Millimeterwellenbänder eingeführt hat. Ein Aspekt dabei ist die Untersuchung noch höherer Millimeterwellenbänder im Bereich von 100 bis 300 GHz; der andere Aspekt ist die Untersuchung der Terahertz-Bereiche und schließlich die optische Kommunikation im freien Raum.
Der zweite Trend ist der Einsatz künstlicher Intelligenz in den Netzwerken. 5G wurde für ein Cloud-natives Design entwickelt, damit es vollständig virtualisiert und in Cloud-Umgebungen gehostet werden kann. KI wird jetzt auf 5G angewendet, um die Betriebseffizienz und Leistungsfähigkeit zu verbessern. Für 6G können wir ein „KI-natives“ Design erwarten, bei dem die Verwendung von KI in die Architektur und Funktion integriert und nicht erst später angewendet wird. Dadurch lässt sich die volle Leistungsfähigkeit von KI und maschinellem Lernen nutzen, um die Leistungsfähigkeit, Flexibilität und Effizienz funkbasierter Kommunikationsnetze erheblich verbessern. Rund um die Messtechnik besteht dann die Herausforderung, die Prüftechniken so weiterzuentwickeln, dass diese höheren Frequenzbereiche unterstützt werden. Neue Testmethoden sind dann erforderlich, um KI/ML in der Art und Weise mit einzubeziehen, wie wir bisher Bauteile, Komponenten und Systeme testen und validieren.