Wo bleibt die Digitalisierung?

Smart-Meter-Roll-out stockt weiter

5. April 2018, 7:35 Uhr | dpa, Heinz Arnold
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Die Welt ist eben komplex – zumindest in Deutschland

Doch zurück zu den Gateways: Die Haushalte, die mehr als 10.000 KW im Jahr abnehmen, sowie Betreiber von Energieerzeugern wie Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von mehr als 7 kW schon seit 2017 intelligente Messsysteme erhalten. Ab einem Jahresverbrauch von 6.000 kW ist ein Pflichteinbau von 2020 an vorgesehen, was übrigens schon 2015 für Enttäuschung gesorgt hatte: Eine Kosten-Nutzen-Analyse von Ernst & Young hatte nämlich zuvor ergeben, dass Gateways für Haushalte ab einer Jahresabnahme von 4.000 kWh vorteilhaft wäre. Weil im  Eckpapier nur mehr von einem Einbau ab 6.000 kWh die Rede war, hatte dies bedeutet, dass 70 bis 80 Prozent der Verbraucher an die moderne Infrastruktur gar nicht angeschlossen würden, auch wenn die Möglichkeit besteht, bei einem geringeren Jahresverbrauch den Einbau eines intelligenten Messsystems beantragen.

Doch noch hat keiner der Zugänge, die die Daten übertragen sollen, die Zertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erhalten. Neun Hersteller haben ihre Geräte eingereicht, teils schon vor Jahren. Das BSI schweigt, woran die Verzögerung liegt. »Aus Gründen der Vertraulichkeit kann das BSI keine Auskunft zum voraussichtlichen Abschluss der Zertifizierungsverfahren für die Smart Meter Gateways erteilen«, sagt ein Sprecher.

Die Sicherheitsanforderungen an die Zugänge sind deshalb hoch, weil im Zuge der Energiewende die Zahl der Schalthandlungen im Netz stark ansteigt. Um Transparenz besonders in die Nieder- und Mittelspannungsnetze zu bringen, sollten die Gateways eine wichtige Rolle spielen. Um zu verhindern, dass Hacker die Netze manipulieren und im Extremfall den Strom abschalten könnten, sowie den Datenschutz für die Verbraucher zu gewährleisten, hatte das BSI über viele Jahre das Schutzprofil entwickelt. Es bietet theoretisch ein sehr hohes Sicherheitsniveau.

Was die Sache aber auch kompliziert macht. »Der Zertifizierungsprozess ist komplex und anspruchsvoll. Sowohl das BSI als auch die Hersteller betreten Neuland«, sagt Nikolaus Starzacher vom Gerätehersteller Discovergy. »Das BSI nimmt seine Aufgabe zu Recht sehr ernst und lässt sehr gründlich prüfen.« Discovergy hat seinen Antrag später als andere Hersteller eingereicht und rechnet mit einer Genehmigung bis Ende des Jahres. Erst wenn das BSI Geräte von drei voneinander unabhängigen Herstellern zertifiziert hat, kann die Auslieferung beginnen.

Auch die großen Stromkonzerne warten auf die Entscheidung des BSI. Der Versorger Eon hat bereits 16.000 Gateways für einen kleinen Teil seiner rund 6 Millionen Kunden geordert und erwartete die Zertifizierung bis zum Ende des ersten Quartals 2017 – vergebens.

Für die Großen der Branche wäre es wichtig, zumindest eine kleinen Teil der der Kunden mit den intelligenten Messsystemen auszustatten, um unter realen Bedingungen, die über die bisherigen Pilotversuche hinausgehen, festzustellen, inwieweit sich neue Tarifierungsmöglichkeiten bieten, auf denen sie neue Geschäftsmodelle aufsetzen könnten.

Was ebenfalls bemerkenswert ist: Der Rollout geschieht nach den Vorgaben zunächst nach Kundengruppen – nicht regional in die Fläche. Andererseits haben Versorger, die schnell die Effizienzpotenziale heben wollen, die Freiheit, regional auch in der Fläche auszurollen und schnell in Stückzahlen zu kommen, die wiederum Voraussetzung für die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle wären und zu Skaleneffekten bei den Herstellern der Gateways sorgen könnten. Eine BSI-Zertifizierung wäre dafür sicherlich erfreulich.

 


  1. Smart-Meter-Roll-out stockt weiter
  2. Die Welt ist eben komplex – zumindest in Deutschland

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu elektroniknet

Weitere Artikel zu Metering

Weitere Artikel zu Energietechnik

Weitere Artikel zu Netze (Smart Grid)