Eine Änderung, die mit der neuen EMV-Richtlinie verbunden ist, besteht darin, dass Empfänger, zum Beispiel Rundfunkempfangsgeräte, die bisher in den Geltungsbereich der EMV-Richtlinie fielen, zukünftig von der Funkgeräte-Richtlinie erfasst werden. Während die EMV-Richtlinie die eingangs erwähnten zwei wesentlichen Schutzziele enthält, kommen im Rahmen der Funkgeräte-Richtlinie weitere Anforderungen hinzu. Diese dienen der effizienten Nutzung des Funkspektrums sowie dem Schutz der Datensicherheit und der Privatsphäre der Personen, die ein Empfangsgerät betreiben. (Das weiterhin in der Funkgeräte-Richtlinie verankerte Ziel der Sicherheit von Personen in elektromagnetischen Feldern wurde in Bezug auf z.B. Rundfunkempfänger bisher durch die Niederspannungsrichtlinie abgedeckt.)
Offenbar versprechen sich die zuständigen Behörden, dass durch die Übernahme von Rundfunkempfängern in den Geltungsbereich der Funkgeräte-Richtlinie das Empfängerverhalten reguliert werden kann. So sollten Empfänger „ein Leistungsniveau“ aufweisen, das „für die bestimmungsgemäße Verwendung geeignet … und bei dem das Gerät gegen funktechnische Störungen – insbesondere in Bezug auf gemeinsame oder benachbarte Kanäle – abgeschirmt ist und auf diese Weise zur Verbesserung der effizienten Nutzung gemeinsamer oder benachbarter Kanäle beiträgt“. Den Empfangsfähigkeiten kommt „eine immer größere Bedeutung für die effektive Nutzung von Funkfrequenzen durch größere Störfestigkeit der Empfänger gegen funktechnische Störungen und unerwünschte Signale … zu“ [7]. Die entsprechenden normativen Festlegungen zur Umsetzung der über die EMV-Richtlinie hinausgehenden Anforderungen der Funkgeräte-Richtlinie an Empfangsgeräte müssen noch geschaffen werden. Hierfür eilt die Zeit, weil die Funkgeräte-Richtlinie am 13. Juni 2016 in Kraft treten soll. Es ist zu hoffen, dass bis zu diesem Zeitpunkt die benötigten harmonisierten europäischen Normen im Europäischen Amtsblatt gelistet sind, was die an der europäischen Normung Beteiligten jedoch vor erhöhte Herausforderungen stellt.
EMV-Risikoanalyse
Im Rahmen der Neufassung der EMV-Richtlinie wird die Durchführung einer Risikoanalyse und -bewertung im Anhang II und III der EMV-Richtlinie ausdrücklich erwähnt. Der Hersteller wird durch die Neufassung der EMV-Richtlinie aufgefordert, im Rahmen der Ermittlung der Konformität seines Produkts mit den Anforderungen der Richtlinie eine geeignete Risikoanalyse und -bewertung in Bezug auf die elektromagnetische Verträglichkeit durchzuführen, es sei denn, er hat die zutreffenden harmonisierten europäischen EMV-Normen angewandt und diese decken die Risikobewertung bereits ab und ihre Fundstellen sind im Amtsblatt der Europäischen Union gelistet (Verwaltungsverordnung). Die Anwendung entsprechender harmonisierter Normen kann somit auch an dieser Stelle einen großen Vorteil bieten.
Detailliertere Anforderungen an benannte Stellen
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, werden in der neuen EMV-Richtlinie die Kriterien an die benannten Stellen detaillierter formuliert. Für diese Maßnahme gibt die Richtlinie als Begründung an: »Die Erfahrung hat gezeigt, dass die in der Richtlinie 2004/108/EU enthaltenen Kriterien, die von den Konformitätsbewertungsstellen zu erfüllen sind, damit sie der Kommission benannt werden können, nicht dafür ausreichen, unionsweit ein einheitlich hohes Leistungsniveau … zu gewährleisten. Es ist aber besonders wichtig, dass alle notifizierten Stellen ihre Aufgaben auf gleichermaßen hohem Niveau und unter fairen Wettbewerbsbedingungen erfüllen. Dies erfordert die Festlegung von verbindlichen Anforderungen…«[8].
So wird in den Artikeln 24 bis 26 der Richtlinie unter anderem festgelegt, dass eine benannte Stelle unabhängig sein muss und mit dem Auftraggeber einer Bewertung in keinerlei Verbindung stehen darf. Ferner muss sie mit ausreichender Kompetenz und Gerätschaften ausgestattet sein, damit sie in der Lage ist, alle ihr im Rahmen des Anhangs III der EMV-Richtlinie zufallenden Aufgaben zu erledigen. Auch sollte eine benannte Stelle sich ständig über die Weiterentwicklung des anerkannten Standes der Technik auf dem Laufenden halten. Bei ihrer Bewertung soll sie auch berücksichtigen, ob es sich um Geräte aus der Serienfertigung handelt. (Einige harmonisierte europäische EMV-Normen enthalten über die sogenannte 80%/80%-Regel ein Verfahren zur Ermittlung der Übereinstimmung einer Serie von Produkten mit den Anforderungen der Norm. Hierzu wird eine Stichprobe von Geräten gemessen und mit Hilfe eines statistischen Auswerteverfahrens ermittelt, ob die Messergebnisse bestimmte Kriterien erfüllen.)
Diese Kriterien gelten auch für Unterauftragnehmer und Zweigstellen einer benannten Stelle. Zum Nachweis, dass eine solche Stelle die festgelegten Kriterien erfüllt, sollte bevorzugt das Mittel der Akkreditierung durch eine nationale Akkreditierungsstelle nach Maßgabe der europäischen Verordnung (EG) 765/32008/EU [9] genutzt werden. Das bietet auch die Möglichkeit, eine Stelle turnusmäßig zu überprüfen.
Literatur
[1] Richtlinie 2014/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit (Neufassung), Amtsblatt der Europäischen Union L96/79 vom 29.3.2014
[2] Beschluss Nr. 768/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung des Beschlusses 93/465/EWG des Rates, Amtsblatt der Europäischen Union L218/82 vom 13.8.2008
[3] Europäische Richtlinie 2014/30/EU, Ziffer (19)
[4] Verordnung (EU) Nr. 1025/2012/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Europäischen Normung, zur Änderung der Richtlinien 89/646/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/23/EG und 2009/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des Beschlusses 87/95/EWG des Rates und des Beschlusses 1673/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, Amtsblatt der Europäischen Union L316/12 vom 14.11.2012
[5] Europäische Richtlinie 2014/30/EU, Ziffer (27)
[6] Richtlinie 2014/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung von Funkanlagen auf dem Markt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/5/EG, Amtsblatt der Europäischen Union L153/62 vom 22.5.2014
[7] Europäische Richtlinie 2014/54/EU, Ziffer (10), (11)
[8] Europäische Richtlinie 2014/30/EU, Ziffer (38)
[9] Verordnung (EG) Nr. 765/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG)Nr. 339/93 des Rates, Amtsblatt der Europäischen Union L218/30 vom 13.8.2008
Der Autor
Klaus-Peter Bretz |
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war nach dem Studium der Elektrotechnik an der Technischen Universität Kaiserslautern zunächst als Betreuer der Datenverarbeitungsanlagen und Programmentwickler in einem Büro in Kaiserslautern tätig, bevor er 1987 zur DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik in DIN und VDE e.V.) wechselte und das für die EMV-Normung zuständige Referat übernahm. Er betreut die entsprechenden Normungsgremien unter dem Dach des K 767 und ist ferner auch für das Thema Sicherheit von Personen in elektromagnetischen Feldern zuständig. Letzteres wird im Bereich der DKE vom K 764 bearbeitet. |
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