Schutzlos sind wir nicht

Der Drohung der Drohnen begegnen

4. Februar 2021, 16:06 Uhr | Heinz Arnold
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50 Mio. Euro reichen für den Schutz der deutschen Flughäfen

Das Drohnendetektionssystem AARTOS von Aaronia.
Das Drohnendetektionssystem AARTOS von Aaronia.
© Aaronia

Nur in Europa scheinen im Moment viele andere Themen wichtiger zu sein. Mit einem Aufwand von 50 Mio. Euro ließen sich alle großen Flughäfen in Deutschland überwachen, so Chmielus. Im Moment will das aber offensichtlich keiner. Dafür zieht das Geschäft in Asien, insbesondere China wieder an. Die Flugbewegungen sind laut Chmielus dort schon wieder auf dem vor Corona Niveau angekommen und werden weiter steigen. Auch die Nachfrage aus dem arabischen Raum wachse erfreulich an.

Drohnenschutz – bei weitem nicht nur für Flughäfen

Das lenkt den Blick auf weitere interessante Märkte. Schließlich lohnt es sich nicht nur, Flughäfen zu überwachen. Die möglichen Einsatzfälle für Erkennungssysteme von Drohnen reichen von der Grenzüberwachung, der Überwachung von Schiffshäfen und Schiffen über viele weitere sensible Infrastrukturen (Firmengelände, Atomkraftwerke) bis zum Personenschutz und Schutz von Anwesen, die sich Paparazzi-Drohnen zu erwehren haben.  Auch Autohersteller wollen ungern Fotos von neuen Modellen in den Medien sehen, solange sie noch unter großer Geheimhaltung getestet werden. Alles für die jeweils Betroffenen interessante Einsatzfälle und für Aaronia lukrativ.

Das Geschäft floriert jedenfalls. Rund 90 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet das Unternehmen inzwischen mit den Drohnen-Detektionssystemen. Über die nächsten drei bis vier Jahren rechnet Chmielus mit einem Wachstum von 50 bis 100 Prozent pro Jahr. Deshalb expandiert Aaronia: Von derzeit 35 Mitarbeiter am Stammsitz soll die Zahl auf über 50 steigen, die in einem neuen Gebäude arbeiten werden, das sich gerade in Bau befinden. Außerdem investiert das Unternehmen in Produktionen im Ausland, um dort Teile vorzuproduzieren oder komplette Systeme zu fertigen.  

Absurde Abwehrmethoden

Und wie sieht es mit der Überwachung der Infrastruktur in Deutschland aus? »Wie gesagt, an Flughäfen wird in Deutschland derzeit gar nichts installiert«, antwortet Chmielus. Dass an einigen Flughäfen Tests mit alternativen Systemen durchgeführt werden oder Forschungsgelder für die Entwicklung eines Drohnendetektionssystems in Millionenhöhe fließen, hält er für absurd und reine Zeit und Geldverschwendung. »Wir müssen das Rad doch nicht immer wieder neu erfinden. Das Rad gibt es schon und es rollt prächtig: Es gibt kein anderes System, das auch nur ansatzweise die bisher geforderte Mindestreichweite von 20 km für Flughäfen erreichen kann, da kann solange getestet werden, wie es beliebt. Ich kann nach den bisherigen Testergebnissen dieser Systeme nur hoffen, dass die Anforderungsprofile für Flughäfen deshalb nicht aufgeweicht werden, nur weil andere Hersteller z.B. keine ordentliche Reichweite anbieten können. Das wäre unverantwortlich.«

Absurdes passiert aber nicht nur rund um Flughäfen. Inzwischen ist es überall auf der Welt und auch in Deutschland zu Zwischenfällen mit Drohnen in Justizvollzugsanstalten gekommen. Über Drohnen können etwa Waffen, Handys und Rauschgift hinter die Gefängnismauern geschmuggelt werden.  

Kürzlich hat der bayerische Justizminister Georg Eisenreich entschieden, ein Abwehrsystem des Schweizer Herstellers Droptec anzuschaffen. Es handelt sich um Netzpistolen. Die Wachbeamten in Gefängnissen können nun mit der Pistole auf sich annähernde Drohnen schießen. Wenn sie treffen, senkt sich das abgeschossene Netz auf die Drohnen, um sie unschädlich zu machen. Auf bis zu 35 m Distanz soll das funktionieren. Das hat offenbar überzeugt, 15 Netzpistolen von Droptec werden nun angeschafft, um das System in acht JVAs in Bayern im Rahmen eines Pilotprojekts zu erproben. »Mit dem neuen Abwehrsystem können wir Drohnen mithilfe eines Fangnetzes gezielt zum Absturz bringen. Mit diesem System machen wir unsere bayerischen Justizvollzugsanstalten noch sicherer«, sagte Eisenreich im Oktober 2020 in der JVA Stadelheim, wo das System der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Da kann Chmielus sich nur wundern: »Mit 5000 Euro pro System sind die 15 Pistolen vergleichsweise kostengünstig und man kann sagen, dass man etwas tut.« Er fragt sich allerdings, ob dies tatsächlich ernst gemeint ist. Einen effektiven Schutz vor Drohnen könne ein solches System wohl kaum gewähren. Ein echtes Abwehrsystem für eine JVA würde zwischen 1 und 2 Mio. Euro kosten. Das wäre gemessen an den Kosten für die Sicherheitseinrichtungen insgesamt durchaus verkraftbar, erkläre aber wohl die Begeisterung von Ministern über netzverschießende Pistolen, die angeblich auf 35 m Entfernung Drohnen einzufangen versprechen.  

Eine weitere Idee mit Netz wurde an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg entwickelt: Zwei Drohnen fangen eine gegnerische Drohne ab, indem sie zwischen sich ein Netz aufspannen in die sie die Drohnen einzuwickeln gedenken. Ziel des im Rahmen von MIDRAS (Mikro-Drohnen-Abwehr-System) entwickelten Projekts: Störsender blockieren die Steuerung der gegnerischen Drohne oder zwingen sie sogar auf einen bestimmten Kurs. Dann fangen die beiden Würzburger Abfangdrohnen die gegnerische Drohne mit dem Netz ein. Das hält Chmielus bei dem derzeitigen Entwicklungsstand noch für praxisfremd. »Da muss noch viel passieren, bis solche Systeme eingesetzt und genehmigt werden können, doch dann wären sie sicherlich eine der Bausteine für eine echte Abwehr«, so Chmielus.

»Wir sehen in dem Netz die einzige Möglichkeit, Drohnen bis zu 5 kg sicher vom Himmel zu holen, ohne dass sie Schaden anrichten können«, erklärte dagegen Julian Rothe von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg im Interview mit Markt&Technik.

 

 


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