Die Aaronia AG aus Strickscheid in der Eifel hat sich mit ihren Hochfrequenz-Messgeräten und Drohnendetektionssystemen weltweit etabliert. Im Interview erklärt Thorsten Chmielus, Gründer und CEO von Aaronia, warum es so wichtig ist, Entwicklung und Produktion nach wie vor in Deutschland zu halten.
Markt&Technik: Herr Chmielus, Sie haben Aaronia 2003 gegründet. Aus dem kleinen, mitten in der Eifel ansässigen Unternehmen ist mittlerweile ein echter Global Player geworden. Eine echte Erfolgsgeschichte…
Thorsten Chmielus: Das stimmt. Bereits vor Gründung der Aaronia AG habe ich mit einem kleinen Team in Frankfurt Geräte zur Magnetfeldmessung sowie Funkfrequenzsignaldetektoren entwickelt und vertrieben. Besonderes Augenmerk lag auf der Entwicklung entsprechender Analysesoftware, denn schnell wurde deutlich, dass neben der Hardware auch die Software der Schlüssel zur Lösung vieler messtechnischer Herausforderungen war. Innerhalb kürzester Zeit wurden unsere Systeme auch außerhalb Deutschlands bekannt, das Unternehmen wuchs. So erfolgte im Jahr 2003 die Umwandlung in die Aaronia AG. 2004 haben wir den ersten Spektrumanalysator produziert und ausgeliefert. 2008 kam die nächste Generation – die V4-Serie – auf den Markt, die mit einer Empfindlichkeit von DANL -170 dBm (Hz) im Handheld-Segment auch gleich einen Weltrekord aufstellte. Seit 2020 ist die 6. Generation der Spectran-Echtzeitanalysatoren auf dem Markt. Mittlerweile hat sich Aaronia als Technologie-Unternehmen mit der Produktion von Spektrumanalysatoren auf Basis patentierter Spektrumanalyse-Prozesse weltweit etabliert.
Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Eines unserer Erfolgsrezepte, wenn man es so nennen möchte, ist die Entwicklung und Fertigung in Deutschland, „High Tech made in Germany“ eben. Ein weiterer Erfolgsbaustein ist das spezialisierte und hochmotivierte Team, das Spaß daran hat, neue Lösungen für neue Anforderungen zu entwickeln, zu konstruieren und letztendlich zu bauen. Somit entstehen nicht selten spezielle, genau auf die Kundenanforderungen hin zugeschnittene Einzellösungen. All das macht uns extrem flexibel, wir können sehr schnell auf sich ändernde Märkte reagieren. Hinzu kommt, dass wir genau darauf achten, was unsere Kunden brauchen und welche Anforderungen sich durch neue Technologien ergeben. So konnten wir beispielsweise mit der neuen Spektrumanalysator-Generation die Messlatte in Sachen Geschwindigkeit ganz hoch legen. Durch Kaskadierung mehrerer Spectran-Geräte lassen sich Echtzeitbandbreiten im Gigahertz-Bereich realisieren. Damit setzt die Spectran-V6-Serie neue Benchmarks in der USB-Kompaktklasse.
Aaronia ist auf Mess-, Ortungs- und Überwachungstechnik spezialisiert. Welches Segment ist aktuell für Sie am wichtigsten? Und wo sehen Sie das größte Wachstumspotential bis 2025?
Neben unserem Drohnen-Detektionssystem Aartos entwickeln und produzieren wir Spektrumanalysatoren und sind Vollsortimenter im Bereich Messtechnik. Der Kunde kann aus zahlreichen Standard-Lösungen wählen, eine der großen Stärken des Unternehmens ist aber die Individualisierung der Produkte. So lassen sich beispielsweise die Spektrumanalysatoren exakt an die Bedürfnisse des Kunden anpassen, indem er aus unterschiedlichen Formfaktoren wählen und anschließend bestimmen kann, welche Hardware in das Gerät eingebaut werden soll. Dieses modulare Vorgehen erlaubt auch das gezielte Nachrüsten zusätzlicher Funktionen, wenn sich die Anforderungen ändern. Unterschiedliche Bauformen von Remote-Spektrumanalysatoren – kurz RSA – wie die Spectran-V6-RSA-Serie erlauben die Montage in 19“-Schränken. Für flächendeckendes 24/7-Spektrum-Monitoring oder jede Art von Messeinsatz an kritischen Standorten dient die Spectran-V6-RODB-Serie. Sie umfasst IP66-zertifizierte Outdoor-Boxen, die mit dem Echtzeit-Spektrumanalysator Spectran V6 und einem PC für die Fernanalyse, das Streaming und/oder die Speicherung von Daten ausgestattet sind.
Das flächendeckende 24/7-Spektrum-Monitoring rückt übrigens mehr und mehr in den Fokus. Viele private, aber auch zivile Organisationen in den verschiedenen Ländern brauchen detaillierte Informationen, ob benötigte Frequenzbänder frei sind oder wie hoch in etwa die Verschmutzung mit HF-Signalen in einem bestimmten Bereich ist.
Aaronia hat im Jahr 2013 das weltweit erste Drohnenerkennungssystem entwickelt. Wie hat sich die Nachfrage bzw. der Markt seither entwickelt? Und wie das System selbst?
Generell ist das Interesse am Aartos-DDS-System sehr groß. Die aktuelle geopolitische Situation trägt sicherlich dazu bei, dass die Bedrohungslage auch hier bei uns besser wahrgenommen wird. Wir konnten das System bereits an sehr prominenten Stellen implementieren. Unter anderem kommt es in London Heathrow, dem Singapur Airport und in Muskat im Oman zum Einsatz.
Technisch betrachtet basiert das Drohnendetektionssystem auf den Echtzeit-Spektrumanalysatoren der Spectran-V6-Serien. Hier kommen die gleiche Hardware, die gleichen Antennen und die gleiche Software zum Einsatz wie bei den Messtechnik-Lösungen. Allerdings werden für das Drohnendetektions-System immer deutlich mehr Komponenten zu extrem komplexen Verbundsystemen zusammengeschaltet.
Aktuell sind diverse Peil-, Detektions- und Verifikationsmechanismen in das Aartos-System implementiert. Die modulare RTSA-Suite PRO bietet vollkommen neue Möglichkeiten der Detektion und vor allem der Visualisierung der Ergebnisse. Darüber hinaus lassen sich auch Fremdsensoren vollständig einbinden, was die Arbeit für die Systemoperatoren erheblich vereinfacht. So müssen sie sich nicht in neue Bedieneroberflächen einarbeiten und nutzen dennoch die Vorzüge des derzeit modernsten Aufklärungssystems.
Am Stichwort Künstliche Intelligenz kommt man heutzutage kaum noch vorbei. Setzen Sie bereits KI in Ihren Produkten ein? Gerade im Bereich der Drohnendetektion könnte ich mir das gut vorstellen…
In der Tat spielt die Künstliche Intelligenz bei der Produktentwicklung eine immer größere Rolle. Entsprechend fließt sie auch in das Aartos-System ein. Der AI-Act, den die europäische Kommission jetzt als starkes Fundament für die Regulierung Künstlicher Intelligenz beschlossen hat, bringt das nötige Vertrauen, schafft Akzeptanz für die Technologie und ermöglicht Innovationen „made in Europe“. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass die KI-Systeme von Menschen überwacht werden – nicht von technischen Systemen. Damit bleiben die endgültige Entscheidung und Verantwortung in Menschenhand. Wie und in welchem Umfang Künstliche Intelligenz im Aartos-Drohnendetektionssystem eingesetzt wird, bleibt natürlich unser Firmengeheimnis (lacht).
Ihr Unternehmen hat sich „Made in Germany“ verschrieben. Warum ist das für Sie so wichtig?
„Made in Germany“ ist nach wie vor ein Qualitätsmerkmal höchster Güte. Es steht für Innovation, Zuverlässigkeit, Sicherheit und schafft Vertrauen. Produkte „Made in Germany“ entstehen nach höchsten Qualitätsanforderungen und erfüllen die höchsten Sicherheitsstandards weltweit. Dem hat sich Aaronia mit allen Produkten – Hardware und Software – verschrieben. Darüber hinaus ist es für den Vertrieb in Deutschland und ganz Europa, besonders im Hinblick auf die Thematik Schutz kritischer Infrastrukturen unumgänglich, Produkte in Deutschland entwickeln und zu fertigen.
Die wirtschaftliche Lage vieler mittelständischer Unternehmen scheint zunehmend schwierig. Wie nehmen Sie die Situation aktuell wahr?
Mit unseren neuen Geräten decken wir Bereiche ab, für die es bisher noch keine Lösungen gab. Es zahlt sich also aus, dass wir quasi immer „am Puls der Zeit“ und in unterschiedlichen Marktsegmenten unterwegs sind. Dadurch erwarten wir neue Kunden. Es entwickeln sich aber auch immer neue Geschäftsfelder für uns, entsprechend hoch ist und bleibt auch die Nachfrage nach unseren Lösungen.
Können Sie uns Einblicke in Ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten geben? Wie sieht Ihre Produkt-/Technologie-Roadmap aus?
Wir arbeiten bereits an den nächsten Spectran-Generationen. Mit einem Frequenzbereich bis 110 GHz – modellabhängig – wird der Spectran V6 Xplorer der neue Player im Hochfrequenzbereich. Als kostengünstige Entwicklungsplattform erschließt er aufgrund seiner Leistungsfähigkeit vollkommen neue Anwendungsgebiete.
Immer bedeutender wird auch die Aufzeichnung und Analyse von IQ-Daten. Das große Problem sind hierbei die anfallenden Datenmengen. Das füllt die Massenspeicher mit überflüssigen Daten und erschwert die Suche nach bestimmten Informationen. Wir haben dieses Problem gelöst und ein neues Tool entwickelt, mit dessen Hilfe nur vordefinierte Ereignisse aufgezeichnet werden. So lässt sich zum Beispiel im laufenden Betrieb alles wegschreiben, was bei 2,4 GHz liegt und mit WiFi zu tun hat. Es lassen sich bei Bedarf auch mehrere Ereignisse definieren. Auf diese Weise kann sich der Techniker eine Datenbank aufbauen, die alle Events enthält, aber nur einen Bruchteil an Speicherplatz benötigt. Und weil eben wenig Festplatten-Kapazität benötigt wird, ist es mit diesem Tool auch relativ einfach, ein 24/7 Recording aufzubauen. Die Daten werden lokal auf dem angeschlossenen Computer abgelegt und lassen sich jederzeit wieder aufrufen, um ein Signal detailliert untersuchen zu können. Die Aufzeichnungsdauer wird nur noch durch die Kapazität der verwendeten Speichermedien begrenzt. IQ-Daten sinnvoll aufzuzeichnen und im Nachhinein durchsuchen zu können, ist die unangefochtene Königsdisziplin. Aaronia beherrscht auch diese.
Inwieweit verändern sich die Anforderungen der Kunden?
Die Zeit ist reif für neue Bedienkonzepte. Flexibel kaskadierbaren und benutzerfreundlichen Systemen gehört die Zukunft. Grundsätzlich sehen wir auch eine Verlagerung der Anforderungen in immer höhere Frequenzbereiche, weil die bisherigen Frequenzbänder bereits stark ausgelastet sind. Neue Technologien können beinahe zwangsläufig nur noch in den höheren Frequenzbändern etabliert werden. Entsprechend müssen dort auch Messungen vorgenommen werden – wofür wiederum Messgeräte nötig sind, die immer schnellere und immer größere Echtzeitbandbreiten auch analysieren können. Die aktuelle Technik stößt hier an ihre Grenzen. Unsere Lösung hierfür ist die Kombination mehrerer Spectran V6, wodurch sich die Echtzeitbandbreite beliebig erhöhen lässt. Die Kaskadierung von zehn V6-Geräten beispielsweise erlaubt die lückenlose Echtzeitmessung von etwa 2,5 GHz.
Wagen Sie einen Ausblick: Wo sieht man Aaronia in fünf Jahren? Und in zehn?
Einen Ausblick auf fünf oder zehn Jahre zu geben, ist kaum möglich. Die Innovationszyklen sind extrem kurz, die technologischen Entwicklungen zu schnell. Nichtsdestotrotz sehe ich Aaronia bestens aufgestellt, um für die sich stetig verändernden Märkte und technologischen Anforderungen hocheffiziente Lösungen zu entwickeln.
Die Fragen stellte Nicole Wörner.