Woran liegt es, dass Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben? Am demographischen Wandel? An der zu anspruchsvollen GenZ? Fast die Hälfte der Azubis und Ausbildungsverantwortlichen macht einer Umfrage zufolge eine andere Hauptursache aus.
Im Sommer 2022 waren nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit nicht ganz die Hälfte aller Ausbildungsstellen noch unbesetzt. Der demographische Wandel spielt dabei aus der Sicht von Azubis und Ausbildungsbetrieben aber kaum eine Rolle. Er wird laut einer neuen Studie von nur 12,8% der Azubis und 25,0% der Ausbildungsverantwortlichen als Ursache identifiziert.
Jedes Jahr befragt der Solinger Ausbildungsspezialist u-form Azubis, Schüler:innen und Ausbildungsverantwortliche aus ganz Deutschland für seine Studie „Azubi-Recruiting Trends“; wissenschaftlich begleitet von Prof. Dr. Christoph Beck von der Hochschule Koblenz und dem Studienpartner AUBI-plus. Diesmal wurden in der Online-Umfrage („Azubi-Recruiting Trends 2023“) knapp 4.300 Schüler und Azubis sowie 1.639 Ausbildungsverantwortliche befragt.
Gut die Hälfte der Azubis (49,6%) und 45,3% der Ausbildungsverantwortlichen sieht den Grund für unbesetzte Ausbildungsstellen in mangelnder Berufsorientierung. Aber auch in einer gestiegenen Anspruchshaltung von jungen Leuten, bejahten 40,6 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler und Azubis, hingegen nur 35,3% der Ausbildungsverantwortlichen. Die Gen Z selbst blickt also kritischer auf die eigene Generation als die Angehörigen älterer Jahrgänge.
Aktuell gibt es 324 Ausbildungsberufe. Darunter den „Zerspanungsmechaniker“, den „3-D-Druckexperten“ oder relativ neue wie der/die „Kaufmann/Kauffrau im E-Commerce“ oder der/die „Gestalter/Gestalterin für immersive Medien“, der ab dem 1. August 2023 erstmals angeboten wird. »Das wird für immer mehr Jugendliche zum Orientierungsproblem,« sagt Felicia Ullrich, Studienleiterin für die u-form Testsysteme: »Während der Coronapandemie hat die Berufsorientierung zusätzlich gelitten, weil entsprechende Präsenzangebote weggefallen sind.«
Laut Studie nutzen nur 10,9% der Azubi-Bewerbenden Social Media gezielt für die Suche nach einem Ausbildungsplatz, weitere 39,6% sind im Hinblick auf Social Media Passivsucher: Erhalten sie ein entsprechendes Angebot, schauen sie es sich an, sie suchen jedoch nicht aktiv. Für rund die Hälfte der Azubi-Bewerbenden (49,5%) jedoch spielt Social Media bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz keine Rolle. Von denjenigen Azubi-Bewerbenden, die Social Media gezielt nutzen, informieren sich 51,7% „häufig“ oder „sehr häufig“ auf Instagram. TikTok kommt auf 28,4%.
Während Social Media von den Ausbildungsbetrieben recht umfangreich bespielt wird - allein 88,3% nutzen eigenen Angaben zufolge Instagram -, wird die Luft bei den Kennzahlen zur Steuerung von Azubi-Recruitingprozessen dünn. 66,6% der Ausbildungsverantwortlichen nutzen nach eigenen Angaben keine Kennzahlen im Azubi-Recruiting. Von den wenigen Betrieben, die Kennzahlen verwenden, kann nicht einmal die Hälfte (48,2%) die Frage beantworten, welcher Recruitingkanal zu welchen Kosten qualifizierte Bewerber:innen liefert.
Bei den Ausbildungsverantwortlichen wird mit 54,1% nur ein weiterer Grund häufiger für unbesetzte Ausbildungsplätze genannt als die mangelnde Berufsorientierung: die fehlende Eignung der Jugendlichen. »Eignungsdiagnostisch gesehen sind die aktuellen Azubi-Auswahlverfahren optimierungsfähig,« sagt die zertifizierte Eignungsdiagnostikerin Felicia Ullrich. So hält nur eine Minderheit der Ausbildungsbetriebe eignungsdiagnostische Standards bei den Auswahlgesprächen ein – wie ein einheitliches Fragenset (44,5%), eine schriftlich fixierte Struktur (48,8%), ein schriftlich definiertes Anforderungsprofil als Grundlage (38,6%) oder einen Auswertungsbogen (47,9%).
Die Untersuchung stelle laut eigenen Angaben »die größte mehrperspektivische Studie zur dualen Ausbildung in Deutschland« dar und erscheint in diesem Jahr in zwei Teilen, abrufbar unter testsysteme.de/studie. Der zweite Teil erscheint dort im August.