Neue Herausforderungen so bereitwillig wie beherzt anzugehen gehört in der heutigen Arbeitswelt zu gefragten Soft Skills. Warum aber gelingt das einigen Mitarbeitern besser als anderen? Und wie reagiert man als Führungskraft darauf?
Selbstverantwortung gelingt nicht allen Menschen gleich gut, das hat schon der amerikanische Psychologe Julian B. Rotter in seiner 1966 erschienenen Monografie zum Thema „Locus of Control“ dargestellt:
»Menschen mit einer internen Kontrollüberzeugung glauben, dass sie durch ihr Denken und Handeln ihr Leben beeinflussen können. Menschen mit einer externen Kontrollüberzeugung hingegen sind überzeugt, ihr Leben werde primär von Umständen bestimmt, die außerhalb ihres Einflussbereichs liegen. Ihr Motto: „Da kann man eh nichts machen“«, zitiert Managementberater Joachim Simon. Für beides liegen die Wurzeln unter anderem in der erfahrenen Selbstwirksamkeit in der Kindheit.
Menschen mit externer Kontrollüberzeugung waren praktisch im vorigen Jahrhundert während Taylorismus und Fließbandarbeit, denn mitdenken war dabei nicht vorgesehen. Heute hingegen verlangen komplexe Aufgaben andere Mitarbeiter, solche, die mitdenken. Und zum Mitdenken ließen sich letztlich nur Menschen mit einer internen Kontrollüberzeugung motivieren, weiß Simon. Die glauben, dass man den Lauf der Dinge beeinflussen kann, entsprechende Rahmenbedingungen und Kultur im Unternehmen vorausgesetzt. Daher sollten Personalverantwortliche je nach Joberfordernis schon im Bewerbungsgespräch darauf achten, wie aufgeprägt die interne Kontrollüberzeugung der Kandidaten ist: Hat ein Bewerber sein Leben aktiv gestaltet, Dinge ausprobiert und vorangetrieben oder wartete er eher reaktiv ab, was passiert?
Letztlich aber müssen Führungskräfte, die Gestalter sind oder sein wollen, mit den Mitarbeitern zurechtkommen, die sie haben. Hier setzt ein neues Buch von Managementberater Joachim Simon an. Es beschreibt, wie Führungskräfte in ihrem Umfeld eine Kultur der Selbstverantwortung entwickeln und etablieren können. Simons These: Selbstverantwortung kann sich in Unternehmen nur entwickeln, wenn deren Führungskräfte selbst den Anfang machen; außerdem wenn sie sich von den klassischen Idealen und Attributen eines Führens top-down wie Stärke, Dominanz und Durchsetzungskraft verabschieden. Zudem zeigt er Wege auf, wie Führungskräfte sich zu wirksamen Leadern entwickeln und in ihrem Umfeld eine Kultur der Selbstverantwortung etablieren können.
Dahinter steckt laut Simon der Befund: In der digitalen und globalisierten Welt werden die Aufgaben und Beziehungssysteme in den Unternehmen immer komplexer – unter anderem, weil deren Kernleistungen zunehmend in bereichs- und funktionsübergreifenden Teams erbracht werden. Hierdurch wandelt sich auch die Beziehung Führungskraft – Mitarbeiter. Die Führungskräfte müssen Letztere zunehmend an der langen Leine oder, wie der Hobbybergsteiger Simon lieber sagt, am langen Seil führen. Dabei müssen sie auf die Kompetenz, Loyalität sowie die Selbstverantwortung und Eigeninitiative ihrer Mitarbeiter vertrauen. Dies setzt außer bei den Mitarbeitern auch bei den Führungskräften ein entsprechendes Selbstverständnis voraus.
Allerdings sollte das Vertrauen bzw. Loslassen nie so weit gehen, dass der Mitarbeiter denkt: Meine Führungskraft interessiert sich nicht für mich und meine Arbeit. »Denn ganz ohne Kontrolle kann bei Mitarbeitern schnell der Eindruck entstehen, ihre Arbeit sei dem Chef egal«, weiß Simon. Kontrollieren Führungskräfte hingegen zu viel, kann dies als Misstrauen erlebt werden und demotivierend wirken. Um ein solches Feedback, auch positives, zu geben, muss die Führungskraft sich die Arbeit ansehen und diese wertschätzend kontrollieren. Ohne Kontrolle ist nur ein oberflächliches „gut gemacht“ möglich, das weniger Wirkung entfaltet als eine detaillierte Rückmeldung. Führungskräfte sollten daher zwar mit Vertrauen führen, aber zugleich eine adäquate Kontrolle ausüben. Allerdings nicht auf Basis von „Ich will die Fehler finden“. Sondern vielmehr „Ich will sehen, wie gut der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin bzw. das Team das macht“, also auf Basis eines wechselseitigen Vertrauens.